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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Das ungarische Unterrichtswesen

besuchten bei den Deutschen 908 die Schule, bei den Slovaken 844, bei den
Magyaren 836.

Volksschulen gab es 1886 16417; darunter waren 739 Stnatsschnlen. In
Ungarn haben nämlich die Konfessionen das Recht, Schulen zu erhalten und
M errichten. Erwägt man, daß die Konfessionen zum großen Teil auch mit
den Nationalitäten zusammenfallen, lind daß der Staat, wenn auch gegen das
besetz, nur magyarische Anstalten errichtet, so ist es klar, welche große Be¬
deutung für das nationale Leben jenes Recht hat. Wenn also 1886 128 neue
^taatsschnleu errichtet worden find, so sind das immer zugleich 128 neue
Magyarisirungsanstalteu. Das wird noch klarer, wenn erwogen wird, wo
diese Schulen errichtet worden sind. Noch giebt es in Ungarn mehr als
3l)(> Gemeinden, die keine Schulen haben; aber nicht dorthin werden neue
Anstalten gelegt, sondern in national gemischte Bezirke. Darnach kann man
traten, was es heißt, wenn gesagt wird, die Staatsschnlen würden dort er¬
achtet, "wo die den pädagogischen und gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen
unvermögenden (!) konfessionellen Schulen zur Befolgung des guten Beispiels
""geeifert werde" müsse"." Wo soll das gute Beispiel liegen? Daß die
staatsschnlen in Ungarn mit ihren Lehrerinnen nicht innrer mustergiltig sind,
wird niemand leugnen, aber dein Auslande zu sagen, daß man auf diese Weise
wugharisire, ist freilich nicht gerate".

Die weitaus größte Mehrzahl der Bolksschuleu sind gemischte Schulen.
Zwar gebietet 8 ^' des 38. Gesetzartikels von 1868, daß Knaben und
Mädchen, so weit es möglich ist, abgesondert unterrichtet werden sollen, aber
^ Minister selbst erklärt, daß er das für undurchführbar halte.

Dafür hat aber der Staat sich viel Mühe gegeben, in der letzten Zeit
"Uf Staatskosten höhere Mädchenschulen zu errichten. Allerdings ist auch
Hauptzweck nicht auf dem Gebiete der Erziehung zu suchen. Es find
durchweg magyarische Anstalte", die Hälfte ihrer Zöglinge aber sind Deutsche
man betrachtet eben auch ihre Arbeit wesentlich vom Stnndpnnkte der
wtionalmagyarischen Kulturarbeit.

Unter den Lehrkräften werden mich 2960 Lehrerinnen angeführt. Der
Auszug deutet an, daß bereits eine Überproduktion von Lehrerinnen vorhanden
Von den Erfahrungen, die mau mit ihnen gemacht hat, wird nicht gesprochen.
Und doch wäre es der Mühe wert. Diese Erfahrungen sind im allgemeinen
betrübend, die Schulinspektoren wissen neben ergötzlichen anch traurige Dinge
darüber zu erzählen.

Von den 16417 Volksschulen waren 12 771 einklassig, 2068 zweiklassig,
^ übrigen drei- und mehrklassig.

Ein besondres Gewicht wird, seit er geschaffen worden ist, a"f die Aus¬
führung des 18. Gefetzartikels von 1879 gelegt; die Berichte des Ministers
behandeln den Gegenstand stets sehr ausführlich. ' Dieser 18. Gesetzartikel


Das ungarische Unterrichtswesen

besuchten bei den Deutschen 908 die Schule, bei den Slovaken 844, bei den
Magyaren 836.

Volksschulen gab es 1886 16417; darunter waren 739 Stnatsschnlen. In
Ungarn haben nämlich die Konfessionen das Recht, Schulen zu erhalten und
M errichten. Erwägt man, daß die Konfessionen zum großen Teil auch mit
den Nationalitäten zusammenfallen, lind daß der Staat, wenn auch gegen das
besetz, nur magyarische Anstalten errichtet, so ist es klar, welche große Be¬
deutung für das nationale Leben jenes Recht hat. Wenn also 1886 128 neue
^taatsschnleu errichtet worden find, so sind das immer zugleich 128 neue
Magyarisirungsanstalteu. Das wird noch klarer, wenn erwogen wird, wo
diese Schulen errichtet worden sind. Noch giebt es in Ungarn mehr als
3l)(> Gemeinden, die keine Schulen haben; aber nicht dorthin werden neue
Anstalten gelegt, sondern in national gemischte Bezirke. Darnach kann man
traten, was es heißt, wenn gesagt wird, die Staatsschnlen würden dort er¬
achtet, „wo die den pädagogischen und gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen
unvermögenden (!) konfessionellen Schulen zur Befolgung des guten Beispiels
"»geeifert werde» müsse»." Wo soll das gute Beispiel liegen? Daß die
staatsschnlen in Ungarn mit ihren Lehrerinnen nicht innrer mustergiltig sind,
wird niemand leugnen, aber dein Auslande zu sagen, daß man auf diese Weise
wugharisire, ist freilich nicht gerate».

Die weitaus größte Mehrzahl der Bolksschuleu sind gemischte Schulen.
Zwar gebietet 8 ^' des 38. Gesetzartikels von 1868, daß Knaben und
Mädchen, so weit es möglich ist, abgesondert unterrichtet werden sollen, aber
^ Minister selbst erklärt, daß er das für undurchführbar halte.

Dafür hat aber der Staat sich viel Mühe gegeben, in der letzten Zeit
"Uf Staatskosten höhere Mädchenschulen zu errichten. Allerdings ist auch
Hauptzweck nicht auf dem Gebiete der Erziehung zu suchen. Es find
durchweg magyarische Anstalte», die Hälfte ihrer Zöglinge aber sind Deutsche
man betrachtet eben auch ihre Arbeit wesentlich vom Stnndpnnkte der
wtionalmagyarischen Kulturarbeit.

Unter den Lehrkräften werden mich 2960 Lehrerinnen angeführt. Der
Auszug deutet an, daß bereits eine Überproduktion von Lehrerinnen vorhanden
Von den Erfahrungen, die mau mit ihnen gemacht hat, wird nicht gesprochen.
Und doch wäre es der Mühe wert. Diese Erfahrungen sind im allgemeinen
betrübend, die Schulinspektoren wissen neben ergötzlichen anch traurige Dinge
darüber zu erzählen.

Von den 16417 Volksschulen waren 12 771 einklassig, 2068 zweiklassig,
^ übrigen drei- und mehrklassig.

Ein besondres Gewicht wird, seit er geschaffen worden ist, a»f die Aus¬
führung des 18. Gefetzartikels von 1879 gelegt; die Berichte des Ministers
behandeln den Gegenstand stets sehr ausführlich. ' Dieser 18. Gesetzartikel


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[0163] Das ungarische Unterrichtswesen besuchten bei den Deutschen 908 die Schule, bei den Slovaken 844, bei den Magyaren 836. Volksschulen gab es 1886 16417; darunter waren 739 Stnatsschnlen. In Ungarn haben nämlich die Konfessionen das Recht, Schulen zu erhalten und M errichten. Erwägt man, daß die Konfessionen zum großen Teil auch mit den Nationalitäten zusammenfallen, lind daß der Staat, wenn auch gegen das besetz, nur magyarische Anstalten errichtet, so ist es klar, welche große Be¬ deutung für das nationale Leben jenes Recht hat. Wenn also 1886 128 neue ^taatsschnleu errichtet worden find, so sind das immer zugleich 128 neue Magyarisirungsanstalteu. Das wird noch klarer, wenn erwogen wird, wo diese Schulen errichtet worden sind. Noch giebt es in Ungarn mehr als 3l)(> Gemeinden, die keine Schulen haben; aber nicht dorthin werden neue Anstalten gelegt, sondern in national gemischte Bezirke. Darnach kann man traten, was es heißt, wenn gesagt wird, die Staatsschnlen würden dort er¬ achtet, „wo die den pädagogischen und gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen unvermögenden (!) konfessionellen Schulen zur Befolgung des guten Beispiels "»geeifert werde» müsse»." Wo soll das gute Beispiel liegen? Daß die staatsschnlen in Ungarn mit ihren Lehrerinnen nicht innrer mustergiltig sind, wird niemand leugnen, aber dein Auslande zu sagen, daß man auf diese Weise wugharisire, ist freilich nicht gerate». Die weitaus größte Mehrzahl der Bolksschuleu sind gemischte Schulen. Zwar gebietet 8 ^' des 38. Gesetzartikels von 1868, daß Knaben und Mädchen, so weit es möglich ist, abgesondert unterrichtet werden sollen, aber ^ Minister selbst erklärt, daß er das für undurchführbar halte. Dafür hat aber der Staat sich viel Mühe gegeben, in der letzten Zeit "Uf Staatskosten höhere Mädchenschulen zu errichten. Allerdings ist auch Hauptzweck nicht auf dem Gebiete der Erziehung zu suchen. Es find durchweg magyarische Anstalte», die Hälfte ihrer Zöglinge aber sind Deutsche man betrachtet eben auch ihre Arbeit wesentlich vom Stnndpnnkte der wtionalmagyarischen Kulturarbeit. Unter den Lehrkräften werden mich 2960 Lehrerinnen angeführt. Der Auszug deutet an, daß bereits eine Überproduktion von Lehrerinnen vorhanden Von den Erfahrungen, die mau mit ihnen gemacht hat, wird nicht gesprochen. Und doch wäre es der Mühe wert. Diese Erfahrungen sind im allgemeinen betrübend, die Schulinspektoren wissen neben ergötzlichen anch traurige Dinge darüber zu erzählen. Von den 16417 Volksschulen waren 12 771 einklassig, 2068 zweiklassig, ^ übrigen drei- und mehrklassig. Ein besondres Gewicht wird, seit er geschaffen worden ist, a»f die Aus¬ führung des 18. Gefetzartikels von 1879 gelegt; die Berichte des Ministers behandeln den Gegenstand stets sehr ausführlich. ' Dieser 18. Gesetzartikel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/163>, abgerufen am 29.06.2024.