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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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fügte es sich zuweilen, daß - wie es in solchen Fällen nur zu leicht geschieht --
Neigungen und Abneigungen den Ausschlag gaben. Der Wunsch, den aus¬
ländischen Fachkreisen einen zureichenderen (!) Einblick in die verschiedenartigen
Zweige des ungarischen Bildungswesen zu gewähren und s>5 eine unbefangene
Beurteilung der bisherigen Leistungen und der auszufüllenden Lücken zu
ermöglichen, hat den königlich ungarischen Minister für Kultus und Unter¬
richt schon bei mehreren früheren Anlässen dazu bewogen, eine deutsche Allsgabe
seines dem Reichstag vorgelegten Jahresberichtes zu veranstalten. Derselbe
Wunsch und der erfreuliche Umstand, daß den vorhergehenden Publikationen in
jenen (!) Kreisen, für welche sie bestimmt waren, vielfach Aufmerksamkeit ge¬
schenkt und von verschiedenen Seiten sympathisches Interesse entgegengebracht
wurden, haben zu den vorliegenden Publikationen, zur Veranstaltung einer
deutscheu Ausgabe veranlaßt. Die vorliegende Publikation bietet keine voll¬
inhaltliche (!) Reproduktion der dem Reichstag vorgelegten Jahresberichte,
sondern nur einen Auszug, eine abgekürzte Ausgabe desselben. Es muß jedoch
bemerkt werden, daß nennenswerte und nicht bloß sprachliche Kürzungen und
Streichungen im ganzen nur bei Einzelheiten von völlig untergeordneter Be-
deutung vorgenommen wurden."

Hiernach ist es selbstverständlich, wenn Nationalitätenfragen mit Vorsicht
behandelt werden. Es wäre allerdings seltsam, wenn man von Seiten der
ungarischen Regierung selbst dein Auslande die unwiderlegliche Thatsache ver¬
künden wollte, daß die deutschen Volksschulen in Ungarn in den Jahren
I^">!> 1^6 vou 1232 auf 668 zurilckgegangen sind! Und darum wird die
Thatsache weise verschwiegen. Für den Kenner wirkt es erheiternd, wenn er
in dem Auszuge aus dem fünfzehnten Jahresbericht die Tabellen über
1884--1885 und 1883 -1884 neben einander gestellt sieht und mit größern
Lettern nachgewiesen findet, daß in dem betreffenden Schuljahre die deutschen
Schulen von 676 auf 678, also um zwei, gestiegen sind. Weil sie aber nach
dein sechzehnten Jahresbericht auf 668 gesunken sind, wird diese Tabelle in
dem Auszüge, der ja mir das Ausland aufklären soll, wieder verschwiegen!

Aber gerade diese verschwiegenen Ziffern beweisen, was die Nichtmagyare"
seit Jahren offen lind lant beklagen, daß sie in ihren Kulturbestrebungen mit
Gewalt niedergehalten werden. Dein Kultusminister Trefvrt ist bei seinem
Tode in allen ungarischen Blättern ein volles Lob gesungen worden; dies
Lob ist vollauf berechtigt, sofern es die Hebung der magyarischen .Kultur be¬
trifft. Die der Nichtmagyaren ist durch seine Thätigkeit schwer geschädigt
und eingeengt worden. Beweise dafür bringt anch der Auszug aus den amt¬
lichen Berichten, wie diese selbst.

Unter den 13 749603 Einwohnern Ungarns gab es 1886 2324735 schul¬
pflichtige Kinder und 1870083 schulbesnchende. Die beseelt Schnlbesücher
sind, wie auch bisher, die Dentschen; von 1000 schulpflichtigen Kindern


fügte es sich zuweilen, daß - wie es in solchen Fällen nur zu leicht geschieht —
Neigungen und Abneigungen den Ausschlag gaben. Der Wunsch, den aus¬
ländischen Fachkreisen einen zureichenderen (!) Einblick in die verschiedenartigen
Zweige des ungarischen Bildungswesen zu gewähren und s>5 eine unbefangene
Beurteilung der bisherigen Leistungen und der auszufüllenden Lücken zu
ermöglichen, hat den königlich ungarischen Minister für Kultus und Unter¬
richt schon bei mehreren früheren Anlässen dazu bewogen, eine deutsche Allsgabe
seines dem Reichstag vorgelegten Jahresberichtes zu veranstalten. Derselbe
Wunsch und der erfreuliche Umstand, daß den vorhergehenden Publikationen in
jenen (!) Kreisen, für welche sie bestimmt waren, vielfach Aufmerksamkeit ge¬
schenkt und von verschiedenen Seiten sympathisches Interesse entgegengebracht
wurden, haben zu den vorliegenden Publikationen, zur Veranstaltung einer
deutscheu Ausgabe veranlaßt. Die vorliegende Publikation bietet keine voll¬
inhaltliche (!) Reproduktion der dem Reichstag vorgelegten Jahresberichte,
sondern nur einen Auszug, eine abgekürzte Ausgabe desselben. Es muß jedoch
bemerkt werden, daß nennenswerte und nicht bloß sprachliche Kürzungen und
Streichungen im ganzen nur bei Einzelheiten von völlig untergeordneter Be-
deutung vorgenommen wurden."

Hiernach ist es selbstverständlich, wenn Nationalitätenfragen mit Vorsicht
behandelt werden. Es wäre allerdings seltsam, wenn man von Seiten der
ungarischen Regierung selbst dein Auslande die unwiderlegliche Thatsache ver¬
künden wollte, daß die deutschen Volksschulen in Ungarn in den Jahren
I^«>!> 1^6 vou 1232 auf 668 zurilckgegangen sind! Und darum wird die
Thatsache weise verschwiegen. Für den Kenner wirkt es erheiternd, wenn er
in dem Auszuge aus dem fünfzehnten Jahresbericht die Tabellen über
1884—1885 und 1883 -1884 neben einander gestellt sieht und mit größern
Lettern nachgewiesen findet, daß in dem betreffenden Schuljahre die deutschen
Schulen von 676 auf 678, also um zwei, gestiegen sind. Weil sie aber nach
dein sechzehnten Jahresbericht auf 668 gesunken sind, wird diese Tabelle in
dem Auszüge, der ja mir das Ausland aufklären soll, wieder verschwiegen!

Aber gerade diese verschwiegenen Ziffern beweisen, was die Nichtmagyare»
seit Jahren offen lind lant beklagen, daß sie in ihren Kulturbestrebungen mit
Gewalt niedergehalten werden. Dein Kultusminister Trefvrt ist bei seinem
Tode in allen ungarischen Blättern ein volles Lob gesungen worden; dies
Lob ist vollauf berechtigt, sofern es die Hebung der magyarischen .Kultur be¬
trifft. Die der Nichtmagyaren ist durch seine Thätigkeit schwer geschädigt
und eingeengt worden. Beweise dafür bringt anch der Auszug aus den amt¬
lichen Berichten, wie diese selbst.

Unter den 13 749603 Einwohnern Ungarns gab es 1886 2324735 schul¬
pflichtige Kinder und 1870083 schulbesnchende. Die beseelt Schnlbesücher
sind, wie auch bisher, die Dentschen; von 1000 schulpflichtigen Kindern


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[0162] fügte es sich zuweilen, daß - wie es in solchen Fällen nur zu leicht geschieht — Neigungen und Abneigungen den Ausschlag gaben. Der Wunsch, den aus¬ ländischen Fachkreisen einen zureichenderen (!) Einblick in die verschiedenartigen Zweige des ungarischen Bildungswesen zu gewähren und s>5 eine unbefangene Beurteilung der bisherigen Leistungen und der auszufüllenden Lücken zu ermöglichen, hat den königlich ungarischen Minister für Kultus und Unter¬ richt schon bei mehreren früheren Anlässen dazu bewogen, eine deutsche Allsgabe seines dem Reichstag vorgelegten Jahresberichtes zu veranstalten. Derselbe Wunsch und der erfreuliche Umstand, daß den vorhergehenden Publikationen in jenen (!) Kreisen, für welche sie bestimmt waren, vielfach Aufmerksamkeit ge¬ schenkt und von verschiedenen Seiten sympathisches Interesse entgegengebracht wurden, haben zu den vorliegenden Publikationen, zur Veranstaltung einer deutscheu Ausgabe veranlaßt. Die vorliegende Publikation bietet keine voll¬ inhaltliche (!) Reproduktion der dem Reichstag vorgelegten Jahresberichte, sondern nur einen Auszug, eine abgekürzte Ausgabe desselben. Es muß jedoch bemerkt werden, daß nennenswerte und nicht bloß sprachliche Kürzungen und Streichungen im ganzen nur bei Einzelheiten von völlig untergeordneter Be- deutung vorgenommen wurden." Hiernach ist es selbstverständlich, wenn Nationalitätenfragen mit Vorsicht behandelt werden. Es wäre allerdings seltsam, wenn man von Seiten der ungarischen Regierung selbst dein Auslande die unwiderlegliche Thatsache ver¬ künden wollte, daß die deutschen Volksschulen in Ungarn in den Jahren I^«>!> 1^6 vou 1232 auf 668 zurilckgegangen sind! Und darum wird die Thatsache weise verschwiegen. Für den Kenner wirkt es erheiternd, wenn er in dem Auszuge aus dem fünfzehnten Jahresbericht die Tabellen über 1884—1885 und 1883 -1884 neben einander gestellt sieht und mit größern Lettern nachgewiesen findet, daß in dem betreffenden Schuljahre die deutschen Schulen von 676 auf 678, also um zwei, gestiegen sind. Weil sie aber nach dein sechzehnten Jahresbericht auf 668 gesunken sind, wird diese Tabelle in dem Auszüge, der ja mir das Ausland aufklären soll, wieder verschwiegen! Aber gerade diese verschwiegenen Ziffern beweisen, was die Nichtmagyare» seit Jahren offen lind lant beklagen, daß sie in ihren Kulturbestrebungen mit Gewalt niedergehalten werden. Dein Kultusminister Trefvrt ist bei seinem Tode in allen ungarischen Blättern ein volles Lob gesungen worden; dies Lob ist vollauf berechtigt, sofern es die Hebung der magyarischen .Kultur be¬ trifft. Die der Nichtmagyaren ist durch seine Thätigkeit schwer geschädigt und eingeengt worden. Beweise dafür bringt anch der Auszug aus den amt¬ lichen Berichten, wie diese selbst. Unter den 13 749603 Einwohnern Ungarns gab es 1886 2324735 schul¬ pflichtige Kinder und 1870083 schulbesnchende. Die beseelt Schnlbesücher sind, wie auch bisher, die Dentschen; von 1000 schulpflichtigen Kindern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/162>, abgerufen am 29.06.2024.