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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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wann, wie er auf dem Theater erscheint, in der Tracht der dreißiger Jahre ab¬
gebildet ist und dazu herhalten muß, den frechsten Hohn über -- den Buß- und
Bettag auszugießen. Unwillkürlich legte man sich die Frage vor. welch em
Wutgeheul ausbrechen würde, wenn nur der zehnte Teil solcher Verunglimpfung
sich gegen einen jüdischen Festtag kehren würde. Aber so weit rst es gekommen,
dnß eine Gesellschaft, die sich über Knechtung beschwert, es wagen darf d:e christ^liebe Mehrheit in ihren religiösen Gefühlen aufs unerhörteste zu verletzen Uno
weshalb? Was kümmert sie ein Tag für stille, christliche Sammlung? Verlangt
jemand, daß sie sich ebenfalls stiller Betrachtung hingeben sollen? Das acht.
aber -- es darf uicht gearbeitet, d. h. gehandelt werden! Nun wissen wir doch,
worauf es sich bezieht, daß mit brutaler Gewalt die Geister geknechtet werden
sollen. ,

^Ehrlicher alter Malsz. könntest du sehen, in welcher schmachvollen Weise deine
Schöpfungen gemißbraucht werden!




Litteratur
eschichtc des Aberglaubens von I). S. Rubin. Aus dem Hebräischen übersetzt von
I. Stern. Leipzig. Thiele, 1838

^ Von einer "Geschichte" des Aberglaubens, d. h. von einer Darstellung des
Sprungs und der Entwicklung des neben den jetzigen Religionen der Menschheit
Ergehenden Nestes früheren Volksglaubens, ist hier nicht die Rede. Vielmehr ist
^'e kleine Schrift ein ziemlich willkürlich in Kapitel gebrachtes Sammelsurium von
^erglcinbischcn Meinungen und Bräuchen der verschiedenen Zeiten und Völker,
^ völlig kritiklos behandelt werden, unter denen sich aber mancherlei Interessantes
dem Talmud findet. Der Verfasser ist wohl ein polnischer Rabbiner, aber
wer von der aufgeklärten und halbgebildeter Sorte.


Zur Kulturgeschichte in Oesterreich-Ungarn, 1848--1888, Von G. Wolf.
Wien, Hölders Verlag. 1883

Der Verfasser schildert auf Grund von Archivalien und eignen Erfahrungen,
w Kaiser Franz Josef "den Juden in seinem Reiche die Gleichberechtigung mit
^en andern Staatsbürgern gewährte" und "das Werk, das sein großer Ahnherr
^°les II. begonnen, zum glänzenden Abschlüsse brachte." In der That glänzend
Wr die dortige Judenschaft, aber vielfach verderblich für die übrige Bevölkerung,
le seitdem namentlich in Ungarn schwer unter den Folgen der betreffenden Maß-
Aeln zu leiden hatte. Die Schrift zerfällt in fünf Abschnitte, von denen der
. >^ sich mit den früheren Verhältnissen, der zweite mit dem "Werke der Be-
Minng/- der dritte mit Kultus und Kultur unter den österreichischen Juden. der
wchste mit dem Gemeindewesen und den Wohlthätigkeitsanstalten derselben und der
"Me mit ihrer gesellschaftlichen Stellung beschäftigt. Die Darstellung des Ver-


wann, wie er auf dem Theater erscheint, in der Tracht der dreißiger Jahre ab¬
gebildet ist und dazu herhalten muß, den frechsten Hohn über — den Buß- und
Bettag auszugießen. Unwillkürlich legte man sich die Frage vor. welch em
Wutgeheul ausbrechen würde, wenn nur der zehnte Teil solcher Verunglimpfung
sich gegen einen jüdischen Festtag kehren würde. Aber so weit rst es gekommen,
dnß eine Gesellschaft, die sich über Knechtung beschwert, es wagen darf d:e christ^liebe Mehrheit in ihren religiösen Gefühlen aufs unerhörteste zu verletzen Uno
weshalb? Was kümmert sie ein Tag für stille, christliche Sammlung? Verlangt
jemand, daß sie sich ebenfalls stiller Betrachtung hingeben sollen? Das acht.
aber — es darf uicht gearbeitet, d. h. gehandelt werden! Nun wissen wir doch,
worauf es sich bezieht, daß mit brutaler Gewalt die Geister geknechtet werden
sollen. ,

^Ehrlicher alter Malsz. könntest du sehen, in welcher schmachvollen Weise deine
Schöpfungen gemißbraucht werden!




Litteratur
eschichtc des Aberglaubens von I). S. Rubin. Aus dem Hebräischen übersetzt von
I. Stern. Leipzig. Thiele, 1838

^ Von einer „Geschichte" des Aberglaubens, d. h. von einer Darstellung des
Sprungs und der Entwicklung des neben den jetzigen Religionen der Menschheit
Ergehenden Nestes früheren Volksglaubens, ist hier nicht die Rede. Vielmehr ist
^'e kleine Schrift ein ziemlich willkürlich in Kapitel gebrachtes Sammelsurium von
^erglcinbischcn Meinungen und Bräuchen der verschiedenen Zeiten und Völker,
^ völlig kritiklos behandelt werden, unter denen sich aber mancherlei Interessantes
dem Talmud findet. Der Verfasser ist wohl ein polnischer Rabbiner, aber
wer von der aufgeklärten und halbgebildeter Sorte.


Zur Kulturgeschichte in Oesterreich-Ungarn, 1848—1888, Von G. Wolf.
Wien, Hölders Verlag. 1883

Der Verfasser schildert auf Grund von Archivalien und eignen Erfahrungen,
w Kaiser Franz Josef „den Juden in seinem Reiche die Gleichberechtigung mit
^en andern Staatsbürgern gewährte" und „das Werk, das sein großer Ahnherr
^°les II. begonnen, zum glänzenden Abschlüsse brachte." In der That glänzend
Wr die dortige Judenschaft, aber vielfach verderblich für die übrige Bevölkerung,
le seitdem namentlich in Ungarn schwer unter den Folgen der betreffenden Maß-
Aeln zu leiden hatte. Die Schrift zerfällt in fünf Abschnitte, von denen der
. >^ sich mit den früheren Verhältnissen, der zweite mit dem „Werke der Be-
Minng/- der dritte mit Kultus und Kultur unter den österreichischen Juden. der
wchste mit dem Gemeindewesen und den Wohlthätigkeitsanstalten derselben und der
"Me mit ihrer gesellschaftlichen Stellung beschäftigt. Die Darstellung des Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/159>, abgerufen am 28.09.2024.