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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und die Südafrikanische Republik

Der Boden im Oranje-Freistaat ist für die Landwirtschaft nicht so ge¬
eignet wie der in der südafrikanischen Republik, da er vielfach durch Brände
gelitten hat, welche die Boers, anfangs nur Hirten, veranlaßten. Sie
brannten nämlich kurz vor Beginn der Regenzeit ihre ungeheuern Weiden ab,
um für das ausgedörrte Gras das nach jener Periode aufsprossende frische
Futter zu gewinnen, für das der Boden mit der Asche gedüngt war. Dabei
wurden zugleich die Jnsektenschwärme getötet, die das hohe Gras barg, und
die Ursachen der sehr gefürchteten Pferdekrankheit beseitigt. Anderseits hatte
aber dieses Verfahren den Nachteil, daß dadurch vielfach die Grasnarbe zerstört
und das Buschwerk mit verbrannt wurde, unter dem sich Wasser sammelte.
Früher, wo Berge und Thäler noch mit Gebüsch bewachsen waren, fiel der Regen
regelmäßig, und das Wasser floß, durch die Vegetation aufgehalten, nur all-
mühlich den Bächen und Flüssen zu, sodaß die Feuchtigkeit mehr in den Boden
zog, der, geschützt durch das dichte, oft zwei Meter hohe Gras und Gesträuch,
auch der Austrocknung durch die Sonne weniger ausgesetzt war. Jetzt fallen
die Niederschläge unregelmäßig und in starken Güssen, die von den breiten
Flüssen rasch fortgeführt werdeu, und mau muß da, wo man sich anbauen
will, künstlich Wasser sammeln, was durch Eindämmung von Wasserläufen
und Ableitung von Quellen sowie durch Graben von Brunnen geschieht. Wo
solche Einrichtungen bestehen, liefert das Land reichlich Getreide, Gemüse und
Obst, und immer kann hier jährlich zweimal geerntet werden. Zur Ansiedelung
von Deutschen wäre besonders der Norden des Staates zu empfehlen, zunächst
weil das Abbrennen der Viehweiden hier nicht so stark betrieben worden ist,
dann weil wegen der Nähe des Meeres und der höhern Lage des Landes mehr
Regen fällt. Sehr einträglich würde im Freistaate der Weinbau sein. Ferner
würden für Butter gute Preise erzielt werdeu, wenn man durch Rübenbau
die Kühe in den Stand setzte, genügend viel Milch zu liefern; jetzt wird die
Butter meist eingeführt.

In der Hauptsache wird im Oranje-Freistaat Viehzucht getrieben, und
zwar kann man ans einer Farm von 1000 Morgen 1000 Schafe, einige
hundert Stück Rindvieh und 25 bis 30 Stück Pferde halten. Für die Schaf¬
zucht eignet sich das Klima und der Boden Südafrikas ganz besonders, und
es ist mancherlei zur Verbesserung der Rasse geschehen. Schon 1812 wurden
feinwollige Merinos aus Sachsen bezogen, und 1812 folgte ihnen eine größere
Anzahl ans Spanien. Im Oranje-Freistaat wird die Schafzucht gegenwärtig
fleißig und in großer Ausdehnung betrieben. Die Feinheit der Wolle jedoch
ist, je nach dem Futter und der Behandlung, welche die Farmer den Tieren
zukommen lassen, sehr verschieden. Die Tiere werden in der Regel nur einmal
im Jahre und nur hin und wieder zweimal oder aller acht Monate geschoren.
Der durchschnittliche Ertrag ist bei einmaliger Schur sechs Pfund Schweißwolle
oder drei Pfund Rückenwäsche ans das Schaf. Nach den Mitteilungen des


Deutschland und die Südafrikanische Republik

Der Boden im Oranje-Freistaat ist für die Landwirtschaft nicht so ge¬
eignet wie der in der südafrikanischen Republik, da er vielfach durch Brände
gelitten hat, welche die Boers, anfangs nur Hirten, veranlaßten. Sie
brannten nämlich kurz vor Beginn der Regenzeit ihre ungeheuern Weiden ab,
um für das ausgedörrte Gras das nach jener Periode aufsprossende frische
Futter zu gewinnen, für das der Boden mit der Asche gedüngt war. Dabei
wurden zugleich die Jnsektenschwärme getötet, die das hohe Gras barg, und
die Ursachen der sehr gefürchteten Pferdekrankheit beseitigt. Anderseits hatte
aber dieses Verfahren den Nachteil, daß dadurch vielfach die Grasnarbe zerstört
und das Buschwerk mit verbrannt wurde, unter dem sich Wasser sammelte.
Früher, wo Berge und Thäler noch mit Gebüsch bewachsen waren, fiel der Regen
regelmäßig, und das Wasser floß, durch die Vegetation aufgehalten, nur all-
mühlich den Bächen und Flüssen zu, sodaß die Feuchtigkeit mehr in den Boden
zog, der, geschützt durch das dichte, oft zwei Meter hohe Gras und Gesträuch,
auch der Austrocknung durch die Sonne weniger ausgesetzt war. Jetzt fallen
die Niederschläge unregelmäßig und in starken Güssen, die von den breiten
Flüssen rasch fortgeführt werdeu, und mau muß da, wo man sich anbauen
will, künstlich Wasser sammeln, was durch Eindämmung von Wasserläufen
und Ableitung von Quellen sowie durch Graben von Brunnen geschieht. Wo
solche Einrichtungen bestehen, liefert das Land reichlich Getreide, Gemüse und
Obst, und immer kann hier jährlich zweimal geerntet werden. Zur Ansiedelung
von Deutschen wäre besonders der Norden des Staates zu empfehlen, zunächst
weil das Abbrennen der Viehweiden hier nicht so stark betrieben worden ist,
dann weil wegen der Nähe des Meeres und der höhern Lage des Landes mehr
Regen fällt. Sehr einträglich würde im Freistaate der Weinbau sein. Ferner
würden für Butter gute Preise erzielt werdeu, wenn man durch Rübenbau
die Kühe in den Stand setzte, genügend viel Milch zu liefern; jetzt wird die
Butter meist eingeführt.

In der Hauptsache wird im Oranje-Freistaat Viehzucht getrieben, und
zwar kann man ans einer Farm von 1000 Morgen 1000 Schafe, einige
hundert Stück Rindvieh und 25 bis 30 Stück Pferde halten. Für die Schaf¬
zucht eignet sich das Klima und der Boden Südafrikas ganz besonders, und
es ist mancherlei zur Verbesserung der Rasse geschehen. Schon 1812 wurden
feinwollige Merinos aus Sachsen bezogen, und 1812 folgte ihnen eine größere
Anzahl ans Spanien. Im Oranje-Freistaat wird die Schafzucht gegenwärtig
fleißig und in großer Ausdehnung betrieben. Die Feinheit der Wolle jedoch
ist, je nach dem Futter und der Behandlung, welche die Farmer den Tieren
zukommen lassen, sehr verschieden. Die Tiere werden in der Regel nur einmal
im Jahre und nur hin und wieder zweimal oder aller acht Monate geschoren.
Der durchschnittliche Ertrag ist bei einmaliger Schur sechs Pfund Schweißwolle
oder drei Pfund Rückenwäsche ans das Schaf. Nach den Mitteilungen des


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[0130] Deutschland und die Südafrikanische Republik Der Boden im Oranje-Freistaat ist für die Landwirtschaft nicht so ge¬ eignet wie der in der südafrikanischen Republik, da er vielfach durch Brände gelitten hat, welche die Boers, anfangs nur Hirten, veranlaßten. Sie brannten nämlich kurz vor Beginn der Regenzeit ihre ungeheuern Weiden ab, um für das ausgedörrte Gras das nach jener Periode aufsprossende frische Futter zu gewinnen, für das der Boden mit der Asche gedüngt war. Dabei wurden zugleich die Jnsektenschwärme getötet, die das hohe Gras barg, und die Ursachen der sehr gefürchteten Pferdekrankheit beseitigt. Anderseits hatte aber dieses Verfahren den Nachteil, daß dadurch vielfach die Grasnarbe zerstört und das Buschwerk mit verbrannt wurde, unter dem sich Wasser sammelte. Früher, wo Berge und Thäler noch mit Gebüsch bewachsen waren, fiel der Regen regelmäßig, und das Wasser floß, durch die Vegetation aufgehalten, nur all- mühlich den Bächen und Flüssen zu, sodaß die Feuchtigkeit mehr in den Boden zog, der, geschützt durch das dichte, oft zwei Meter hohe Gras und Gesträuch, auch der Austrocknung durch die Sonne weniger ausgesetzt war. Jetzt fallen die Niederschläge unregelmäßig und in starken Güssen, die von den breiten Flüssen rasch fortgeführt werdeu, und mau muß da, wo man sich anbauen will, künstlich Wasser sammeln, was durch Eindämmung von Wasserläufen und Ableitung von Quellen sowie durch Graben von Brunnen geschieht. Wo solche Einrichtungen bestehen, liefert das Land reichlich Getreide, Gemüse und Obst, und immer kann hier jährlich zweimal geerntet werden. Zur Ansiedelung von Deutschen wäre besonders der Norden des Staates zu empfehlen, zunächst weil das Abbrennen der Viehweiden hier nicht so stark betrieben worden ist, dann weil wegen der Nähe des Meeres und der höhern Lage des Landes mehr Regen fällt. Sehr einträglich würde im Freistaate der Weinbau sein. Ferner würden für Butter gute Preise erzielt werdeu, wenn man durch Rübenbau die Kühe in den Stand setzte, genügend viel Milch zu liefern; jetzt wird die Butter meist eingeführt. In der Hauptsache wird im Oranje-Freistaat Viehzucht getrieben, und zwar kann man ans einer Farm von 1000 Morgen 1000 Schafe, einige hundert Stück Rindvieh und 25 bis 30 Stück Pferde halten. Für die Schaf¬ zucht eignet sich das Klima und der Boden Südafrikas ganz besonders, und es ist mancherlei zur Verbesserung der Rasse geschehen. Schon 1812 wurden feinwollige Merinos aus Sachsen bezogen, und 1812 folgte ihnen eine größere Anzahl ans Spanien. Im Oranje-Freistaat wird die Schafzucht gegenwärtig fleißig und in großer Ausdehnung betrieben. Die Feinheit der Wolle jedoch ist, je nach dem Futter und der Behandlung, welche die Farmer den Tieren zukommen lassen, sehr verschieden. Die Tiere werden in der Regel nur einmal im Jahre und nur hin und wieder zweimal oder aller acht Monate geschoren. Der durchschnittliche Ertrag ist bei einmaliger Schur sechs Pfund Schweißwolle oder drei Pfund Rückenwäsche ans das Schaf. Nach den Mitteilungen des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/130>, abgerufen am 28.09.2024.