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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Frau, Gottsched,

Besonders erfreut ist Gottsched, daß sein engeres Vaterland Preußen durch die
Dichterin geehrt werde, und er hofft, daß man einst die Kulmus aus Danzig
ebenso hoch schätzen werde, wie die Gertrud Möller aus Königsberg, deren 1675
veröffentlichte "Geistliche und weltliche Oden" sich damals noch großen Ansehens
erfreuten. Daß die jugendliche Dichterin die "Nymphen an der Pleiße" schon
jetzt besiegt habe, ist Gottsched zweifellos.


Denn sind dieselben gleich
An Geist und Artigkeit, Verstand und Schönheit reich,
So ist doch keine dir, so viel ich weiß, in Sachsen,
So jung und zart du bist, im Dichten recht gewachsen.
Du ehrst dein Vaterland durch deinen schönen Kiel,
Dein Preußen wird dereinst dein reines Saitenspiel
Aus Stolz verewigen. Drum fahre fort im Singen,
Die Muse deiner Zeit! Denn deine Lieder klingen
So rein, so angenehm, so munter und beliebt,
Daß jeder, der sie hört, dir Kranz und Lorbeer giebt.
Was sonst die Möllerin in Königsberg gewesen,
Das wird dein Danzig einst von seiner Kulmus lesen.

Das Mädchen mag sich über eine solche Zuschrift nicht wenig gefreut haben.
Der Vater freilich dachte kühler. Er dankte zwar Gottsched für die Zusendung
gelehrter Abhandlungen und poetischer Schriften an seine Tochter, wünschte aber
zugleich, daß der vermittelnde Freund nicht mit so leuchtenden Farben gemalt
haben möchte, und bittet, "eine so große Poetin nicht eben aus ihr zu machen,"

Im Jahre 1729 reiste Gottsched zum erstenmale wieder in seine Heimat,
aus der den außerordentlich körpergroßen Mann die Furcht vor den preußischen
Werbern vertrieben hatte. Dem Mitgliede der Leipziger Universität konnten
diese jetzt nichts mehr anhaben, ohne das Völkerrecht zu verletzen. In Königs¬
berg begrüßte er die Eltern und Jugendfreunde, auf der Rückreise aber kehrte
er in Danzig im Hause des Doktor Kulmus ein. Ein junges, sechzehnjähriges,
mit äußern und innern Reizen geschmücktes Mädchen trat ihm in Adelgunde
entgegen; diese aber schaute in Ehrfurcht zu dem schon berühmten Gelehrten
empor, der ihr so viel Ehre erwiesen hatte. Ihr angenehmes Äußere, ihre
artigen Sitten, ihr in der der Unterhaltung sich bewährender feiner Witz, ihre
musikalischen Leistungen entzückten ihn, und so bat er die Eltern, mit der Tochter
im Briefwechsel bleiben zu dürfen, was ihm gern gestattet wurde.

Nun flogen der Briefe und Gedichte viele zwischen Leipzig und Danzig hin
und her; auch allerlei deutsche und französische Bücher langten in Danzig an, mit
deren Hilfe das junge Mädchen sich weiterbilden sollte. Zur Beurteilung aber sandte
Adelgunde Kulmus einige Übersetzungen aus dem Französischen an Gottsched,
die dieser alsbald veröffentlichte, wodurch er, wie er selbst sagt, "Deutschland
zuerst eine Feder bekannt machte, die ihm so viel nützliche und sinnreiche Werke
liefern sollte." Im Jahre 1734 erschien die Übersetzung von Frau Lamberts
"Betrachtungen über das Frauenzimmer," im nächsten Jahre der "Sieg der


Frau, Gottsched,

Besonders erfreut ist Gottsched, daß sein engeres Vaterland Preußen durch die
Dichterin geehrt werde, und er hofft, daß man einst die Kulmus aus Danzig
ebenso hoch schätzen werde, wie die Gertrud Möller aus Königsberg, deren 1675
veröffentlichte „Geistliche und weltliche Oden" sich damals noch großen Ansehens
erfreuten. Daß die jugendliche Dichterin die „Nymphen an der Pleiße" schon
jetzt besiegt habe, ist Gottsched zweifellos.


Denn sind dieselben gleich
An Geist und Artigkeit, Verstand und Schönheit reich,
So ist doch keine dir, so viel ich weiß, in Sachsen,
So jung und zart du bist, im Dichten recht gewachsen.
Du ehrst dein Vaterland durch deinen schönen Kiel,
Dein Preußen wird dereinst dein reines Saitenspiel
Aus Stolz verewigen. Drum fahre fort im Singen,
Die Muse deiner Zeit! Denn deine Lieder klingen
So rein, so angenehm, so munter und beliebt,
Daß jeder, der sie hört, dir Kranz und Lorbeer giebt.
Was sonst die Möllerin in Königsberg gewesen,
Das wird dein Danzig einst von seiner Kulmus lesen.

Das Mädchen mag sich über eine solche Zuschrift nicht wenig gefreut haben.
Der Vater freilich dachte kühler. Er dankte zwar Gottsched für die Zusendung
gelehrter Abhandlungen und poetischer Schriften an seine Tochter, wünschte aber
zugleich, daß der vermittelnde Freund nicht mit so leuchtenden Farben gemalt
haben möchte, und bittet, „eine so große Poetin nicht eben aus ihr zu machen,"

Im Jahre 1729 reiste Gottsched zum erstenmale wieder in seine Heimat,
aus der den außerordentlich körpergroßen Mann die Furcht vor den preußischen
Werbern vertrieben hatte. Dem Mitgliede der Leipziger Universität konnten
diese jetzt nichts mehr anhaben, ohne das Völkerrecht zu verletzen. In Königs¬
berg begrüßte er die Eltern und Jugendfreunde, auf der Rückreise aber kehrte
er in Danzig im Hause des Doktor Kulmus ein. Ein junges, sechzehnjähriges,
mit äußern und innern Reizen geschmücktes Mädchen trat ihm in Adelgunde
entgegen; diese aber schaute in Ehrfurcht zu dem schon berühmten Gelehrten
empor, der ihr so viel Ehre erwiesen hatte. Ihr angenehmes Äußere, ihre
artigen Sitten, ihr in der der Unterhaltung sich bewährender feiner Witz, ihre
musikalischen Leistungen entzückten ihn, und so bat er die Eltern, mit der Tochter
im Briefwechsel bleiben zu dürfen, was ihm gern gestattet wurde.

Nun flogen der Briefe und Gedichte viele zwischen Leipzig und Danzig hin
und her; auch allerlei deutsche und französische Bücher langten in Danzig an, mit
deren Hilfe das junge Mädchen sich weiterbilden sollte. Zur Beurteilung aber sandte
Adelgunde Kulmus einige Übersetzungen aus dem Französischen an Gottsched,
die dieser alsbald veröffentlichte, wodurch er, wie er selbst sagt, „Deutschland
zuerst eine Feder bekannt machte, die ihm so viel nützliche und sinnreiche Werke
liefern sollte." Im Jahre 1734 erschien die Übersetzung von Frau Lamberts
„Betrachtungen über das Frauenzimmer," im nächsten Jahre der „Sieg der


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[0605] Frau, Gottsched, Besonders erfreut ist Gottsched, daß sein engeres Vaterland Preußen durch die Dichterin geehrt werde, und er hofft, daß man einst die Kulmus aus Danzig ebenso hoch schätzen werde, wie die Gertrud Möller aus Königsberg, deren 1675 veröffentlichte „Geistliche und weltliche Oden" sich damals noch großen Ansehens erfreuten. Daß die jugendliche Dichterin die „Nymphen an der Pleiße" schon jetzt besiegt habe, ist Gottsched zweifellos. Denn sind dieselben gleich An Geist und Artigkeit, Verstand und Schönheit reich, So ist doch keine dir, so viel ich weiß, in Sachsen, So jung und zart du bist, im Dichten recht gewachsen. Du ehrst dein Vaterland durch deinen schönen Kiel, Dein Preußen wird dereinst dein reines Saitenspiel Aus Stolz verewigen. Drum fahre fort im Singen, Die Muse deiner Zeit! Denn deine Lieder klingen So rein, so angenehm, so munter und beliebt, Daß jeder, der sie hört, dir Kranz und Lorbeer giebt. Was sonst die Möllerin in Königsberg gewesen, Das wird dein Danzig einst von seiner Kulmus lesen. Das Mädchen mag sich über eine solche Zuschrift nicht wenig gefreut haben. Der Vater freilich dachte kühler. Er dankte zwar Gottsched für die Zusendung gelehrter Abhandlungen und poetischer Schriften an seine Tochter, wünschte aber zugleich, daß der vermittelnde Freund nicht mit so leuchtenden Farben gemalt haben möchte, und bittet, „eine so große Poetin nicht eben aus ihr zu machen," Im Jahre 1729 reiste Gottsched zum erstenmale wieder in seine Heimat, aus der den außerordentlich körpergroßen Mann die Furcht vor den preußischen Werbern vertrieben hatte. Dem Mitgliede der Leipziger Universität konnten diese jetzt nichts mehr anhaben, ohne das Völkerrecht zu verletzen. In Königs¬ berg begrüßte er die Eltern und Jugendfreunde, auf der Rückreise aber kehrte er in Danzig im Hause des Doktor Kulmus ein. Ein junges, sechzehnjähriges, mit äußern und innern Reizen geschmücktes Mädchen trat ihm in Adelgunde entgegen; diese aber schaute in Ehrfurcht zu dem schon berühmten Gelehrten empor, der ihr so viel Ehre erwiesen hatte. Ihr angenehmes Äußere, ihre artigen Sitten, ihr in der der Unterhaltung sich bewährender feiner Witz, ihre musikalischen Leistungen entzückten ihn, und so bat er die Eltern, mit der Tochter im Briefwechsel bleiben zu dürfen, was ihm gern gestattet wurde. Nun flogen der Briefe und Gedichte viele zwischen Leipzig und Danzig hin und her; auch allerlei deutsche und französische Bücher langten in Danzig an, mit deren Hilfe das junge Mädchen sich weiterbilden sollte. Zur Beurteilung aber sandte Adelgunde Kulmus einige Übersetzungen aus dem Französischen an Gottsched, die dieser alsbald veröffentlichte, wodurch er, wie er selbst sagt, „Deutschland zuerst eine Feder bekannt machte, die ihm so viel nützliche und sinnreiche Werke liefern sollte." Im Jahre 1734 erschien die Übersetzung von Frau Lamberts „Betrachtungen über das Frauenzimmer," im nächsten Jahre der „Sieg der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/605>, abgerufen am 22.07.2024.