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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Droht in Italien ein Kulturkampf?

von den gesamten Bundesfürsten und den Bürgermeistern der freien Städte, an
den Reichstag richtete, legt Zeugnis ab, daß er entschlossen ist, in den Bahnen
Wilhelms I. fortzuschreiten. Es ist mehr als eine symbolische Bedeutung, daß
die Bundesfürsten sich beeilten, sich an die Seite ihres Oberhauptes zu stellen,
um dem deutschen Volke und der Welt zu beweisen, daß die deutsche Bundes¬
treue keine Unterbrechung erfahren hat und daß neidlos auch ein jugendlicher
Kaiser freudig als Führer von Fürsten und Volk begrüßt wird. Indem die
Thronrede an die Regierungsgrundsätze des ersten deutschen Kaisers anknüpft,
enthält sie ein Programm, dem alle zujubeln werden, in deren Herzen die Liebe
zum Vaterlande jede andre Empfindung ausschließt. Die Thronrede an den Land¬
tag enthält wertvolle Zusicherungen auf dem Gebiete der innern Politik. Wir
rechnen es dem jungen König hoch an, daß er vom Throne herab, um nieder¬
trächtigen Versetzungen entgegenzutreten, feierlich jedem religiösen Bekenntnisse
Freiheit und Schutz zugesichert hat. Wohl macht es eine" Unterschied, ob ein
neunzigjähriger Greis oder ein dreißigjähriger Mann auf dem Throne sitzt, aber
dieser Unterschied wird sich in den wesentlichen Beziehungen nicht geltend machen.
Denn die Thronreden Wilhelms II. sagen nichts andres als jenes Wort, das
Friedrich der Große kurze Zeit nach seiner Thronbesteigung aussprach: "Die De¬
koration des Gebäudes wird eine andre sein, aber die Fundamente und Mauern
bleiben unversehrt." Wir werden weiter wandeln in den Bahnen, die Wilhelm I.
mit seinem großen Kanzler gewiesen hat, und mit diesem Programm kann Wil¬
helm II. der Liebe und des Vertrauens des gesamten Volkes sicher sein. Wehe dem,
der daran rütteln wollte I




Droht in Italien ein Kulturkampf?

as neue Strafgesetzbuch, das demnächst in Italien eingeführt
werden wird, enthält unter andern folgende Bestimmungen:

Art. 101. Wer eine Handlung begeht, die dahin abzielt, den
Staat oder einen Teil desselben einer fremden Herrschaft zu
unterwerfen oder die Einheit des Staates zu zerstören, wird mit
Zuchthaus bestraft. Art. 173. Der Kultusdicner, der bei Ausübung seiner
Amtsverrichtungen öffentlich die Einrichtungen oder Gesetze des Staates oder die
Handlungen der Behörden tadelt oder schmäht, wird mit Haft bis zu einem Jahre
und mit Geldstrafe bis zu 1000 Franks bestraft. Art. 174. Der Kultusdiener, der
unter Mißbrauch einer moralischen, aus seinem Amte entspringenden Macht zur
Mißachtung der Einrichtungen oder Gesetze des Staates oder der Handlungen der
Behörden oder sonst zur Uebertretung der Pflichten gegen das Vaterland oder der¬
jenigen, welche mit einem Staatsamte verbunden sind, anreizt oder berechtigten
Vermögensinteressen Eintrag thut oder den Frieden der Familie stört, wird mit


Droht in Italien ein Kulturkampf?

von den gesamten Bundesfürsten und den Bürgermeistern der freien Städte, an
den Reichstag richtete, legt Zeugnis ab, daß er entschlossen ist, in den Bahnen
Wilhelms I. fortzuschreiten. Es ist mehr als eine symbolische Bedeutung, daß
die Bundesfürsten sich beeilten, sich an die Seite ihres Oberhauptes zu stellen,
um dem deutschen Volke und der Welt zu beweisen, daß die deutsche Bundes¬
treue keine Unterbrechung erfahren hat und daß neidlos auch ein jugendlicher
Kaiser freudig als Führer von Fürsten und Volk begrüßt wird. Indem die
Thronrede an die Regierungsgrundsätze des ersten deutschen Kaisers anknüpft,
enthält sie ein Programm, dem alle zujubeln werden, in deren Herzen die Liebe
zum Vaterlande jede andre Empfindung ausschließt. Die Thronrede an den Land¬
tag enthält wertvolle Zusicherungen auf dem Gebiete der innern Politik. Wir
rechnen es dem jungen König hoch an, daß er vom Throne herab, um nieder¬
trächtigen Versetzungen entgegenzutreten, feierlich jedem religiösen Bekenntnisse
Freiheit und Schutz zugesichert hat. Wohl macht es eine» Unterschied, ob ein
neunzigjähriger Greis oder ein dreißigjähriger Mann auf dem Throne sitzt, aber
dieser Unterschied wird sich in den wesentlichen Beziehungen nicht geltend machen.
Denn die Thronreden Wilhelms II. sagen nichts andres als jenes Wort, das
Friedrich der Große kurze Zeit nach seiner Thronbesteigung aussprach: „Die De¬
koration des Gebäudes wird eine andre sein, aber die Fundamente und Mauern
bleiben unversehrt." Wir werden weiter wandeln in den Bahnen, die Wilhelm I.
mit seinem großen Kanzler gewiesen hat, und mit diesem Programm kann Wil¬
helm II. der Liebe und des Vertrauens des gesamten Volkes sicher sein. Wehe dem,
der daran rütteln wollte I




Droht in Italien ein Kulturkampf?

as neue Strafgesetzbuch, das demnächst in Italien eingeführt
werden wird, enthält unter andern folgende Bestimmungen:

Art. 101. Wer eine Handlung begeht, die dahin abzielt, den
Staat oder einen Teil desselben einer fremden Herrschaft zu
unterwerfen oder die Einheit des Staates zu zerstören, wird mit
Zuchthaus bestraft. Art. 173. Der Kultusdicner, der bei Ausübung seiner
Amtsverrichtungen öffentlich die Einrichtungen oder Gesetze des Staates oder die
Handlungen der Behörden tadelt oder schmäht, wird mit Haft bis zu einem Jahre
und mit Geldstrafe bis zu 1000 Franks bestraft. Art. 174. Der Kultusdiener, der
unter Mißbrauch einer moralischen, aus seinem Amte entspringenden Macht zur
Mißachtung der Einrichtungen oder Gesetze des Staates oder der Handlungen der
Behörden oder sonst zur Uebertretung der Pflichten gegen das Vaterland oder der¬
jenigen, welche mit einem Staatsamte verbunden sind, anreizt oder berechtigten
Vermögensinteressen Eintrag thut oder den Frieden der Familie stört, wird mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/59>, abgerufen am 03.07.2024.