Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.Kaiser Wilhelm der Zweite. kunst, und die Bitternis, in welcher das deutsche Volk das Krankenlager Kaiser Wilhelm der Zweite. kunst, und die Bitternis, in welcher das deutsche Volk das Krankenlager <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289181"/> <fw type="header" place="top"> Kaiser Wilhelm der Zweite.</fw><lb/> <p xml:id="ID_223" prev="#ID_222" next="#ID_224"> kunst, und die Bitternis, in welcher das deutsche Volk das Krankenlager<lb/> Friedrichs III. umgab, fand allein ihre Milderung in dem Aufblick zu dem<lb/> Sohne, der mit dem Namen auch die Eigenschaften des eben verblichenen ersten<lb/> Heldenkaisers geerbt zu haben schien. Zu dem körperlichen Leiden Kaiser<lb/> Friedrichs trat auch das seelische, daß in einer in Deutschland und Preußen ge¬<lb/> radezu unerhörten Weise eine Partei die Vermessenheit hatte, den Herrscher als<lb/> ihren Parteigenossen in Anspruch zu nehmen. Die Kamarilla und die sonstigen<lb/> Einflüsse, welche den schwerkranken Monarchen umgaben, mußten nach vielen<lb/> Richtungen hin den Eindruck verstärken, als ob die lügenhaften Reklamen der<lb/> Berliner Fortschrittszeitungen nicht ganz der Grundlage entbehrten. Der deutsch¬<lb/> freisinnige Hexentanz war damals für die Staats- und königstreuen Elemente<lb/> schwer zu durchbrechen, denn es hätte dies nur geschehen können, indem man<lb/> einzelnen Persönlichkeiten die Maske vom Gesichte riß, zu denen der kranke<lb/> Herrscher ein besondres Vertrauen hatte. Die wirkliche, nicht die papierne Loya¬<lb/> lität des „Berliner Tageblattes" und des Herrn Eugen Richter, duldete lieber<lb/> Verleumdungen, als daß sie dem kranken Kaiser Schmerzen bereitete und das<lb/> monarchische Prinzip erschütterte. In dieser kurzen Regierungszeit haben die<lb/> Fortschrittsblätter sich nach Kräften bemüht, den Kronprinzen Wilhelm in einen<lb/> Gegensatz zu seinem Vater zu bringen. Die demokratische „Volkszeitung" sprach<lb/> von dem tiefen Schmerze, den die Kaiserin Viktoria um ihren Sohn empfinde;<lb/> sie stellte die Kaiserin als von ihrem Fleisch und Blut verlassen dar. Auch<lb/> damals hat sich kein Staatsanwalt gefunden, der gegen diese freche Lästerung<lb/> eingeschritten wäre. Wollten die Parteien und die Zeitungen, die in den letzten<lb/> Monaten verunglimpft und geschmäht worden sind, das ihnen von den Demo¬<lb/> kraten und Fortschrittlern samt deren Presse gegebene Beispiel befolgen, so<lb/> könnten sie heute noch mit mehr Recht dem Kaiser Wilhelm II. als ihrem Kaiser<lb/> und König' entgegenjubeln. Vs8tiAig. torrent. Die Kartellparteien würden<lb/> in einem solchen Verfahren den Mangel an Ehrerbietung gegen den Herrscher<lb/> und ihre eigne Herabwürdigung erblicken. Ein preußischer König aus dem<lb/> Hohenzollernstamme kann niemals ein Herrscher von Parteien sein, und die ersten<lb/> Regierungshandlungen Wilhelms II. beweisen klar und deutlich, daß er ein<lb/> Herrscher für alle ist und daß er sein hohes Amt nicht zu Gunsten von Parteien,<lb/> sondern als Vertreter der Gesamtheit und als „erster Diener des Staates" zu<lb/> führen gesonnen ist. Wir freuen uns dessen und fühlen uns wieder geborgen und<lb/> sicher. Der Aufruf an Heer und Flotte zeigt, daß Wilhelm II. in der militärischen<lb/> Grundlage und deren Festigung, wie sein glorreicher Großvater, die erste und<lb/> notwendigste Schutzwehr des Reiches zu Pflegen gesonnen ist. Sein Aufruf an<lb/> das Volk enthält in schlichten, aus dem Herzen strömenden und zu Herzen<lb/> gehenden Worten die fromme Verheißung, daß das gegenseitige Vertrauen von<lb/> König und Volk und die Liebe zum gemeinsamen Vaterlande die Richtschnur<lb/> seiner Handlungen sein wird. Die Thronrede, welche der junge Kaiser, umgeben</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
Kaiser Wilhelm der Zweite.
kunst, und die Bitternis, in welcher das deutsche Volk das Krankenlager
Friedrichs III. umgab, fand allein ihre Milderung in dem Aufblick zu dem
Sohne, der mit dem Namen auch die Eigenschaften des eben verblichenen ersten
Heldenkaisers geerbt zu haben schien. Zu dem körperlichen Leiden Kaiser
Friedrichs trat auch das seelische, daß in einer in Deutschland und Preußen ge¬
radezu unerhörten Weise eine Partei die Vermessenheit hatte, den Herrscher als
ihren Parteigenossen in Anspruch zu nehmen. Die Kamarilla und die sonstigen
Einflüsse, welche den schwerkranken Monarchen umgaben, mußten nach vielen
Richtungen hin den Eindruck verstärken, als ob die lügenhaften Reklamen der
Berliner Fortschrittszeitungen nicht ganz der Grundlage entbehrten. Der deutsch¬
freisinnige Hexentanz war damals für die Staats- und königstreuen Elemente
schwer zu durchbrechen, denn es hätte dies nur geschehen können, indem man
einzelnen Persönlichkeiten die Maske vom Gesichte riß, zu denen der kranke
Herrscher ein besondres Vertrauen hatte. Die wirkliche, nicht die papierne Loya¬
lität des „Berliner Tageblattes" und des Herrn Eugen Richter, duldete lieber
Verleumdungen, als daß sie dem kranken Kaiser Schmerzen bereitete und das
monarchische Prinzip erschütterte. In dieser kurzen Regierungszeit haben die
Fortschrittsblätter sich nach Kräften bemüht, den Kronprinzen Wilhelm in einen
Gegensatz zu seinem Vater zu bringen. Die demokratische „Volkszeitung" sprach
von dem tiefen Schmerze, den die Kaiserin Viktoria um ihren Sohn empfinde;
sie stellte die Kaiserin als von ihrem Fleisch und Blut verlassen dar. Auch
damals hat sich kein Staatsanwalt gefunden, der gegen diese freche Lästerung
eingeschritten wäre. Wollten die Parteien und die Zeitungen, die in den letzten
Monaten verunglimpft und geschmäht worden sind, das ihnen von den Demo¬
kraten und Fortschrittlern samt deren Presse gegebene Beispiel befolgen, so
könnten sie heute noch mit mehr Recht dem Kaiser Wilhelm II. als ihrem Kaiser
und König' entgegenjubeln. Vs8tiAig. torrent. Die Kartellparteien würden
in einem solchen Verfahren den Mangel an Ehrerbietung gegen den Herrscher
und ihre eigne Herabwürdigung erblicken. Ein preußischer König aus dem
Hohenzollernstamme kann niemals ein Herrscher von Parteien sein, und die ersten
Regierungshandlungen Wilhelms II. beweisen klar und deutlich, daß er ein
Herrscher für alle ist und daß er sein hohes Amt nicht zu Gunsten von Parteien,
sondern als Vertreter der Gesamtheit und als „erster Diener des Staates" zu
führen gesonnen ist. Wir freuen uns dessen und fühlen uns wieder geborgen und
sicher. Der Aufruf an Heer und Flotte zeigt, daß Wilhelm II. in der militärischen
Grundlage und deren Festigung, wie sein glorreicher Großvater, die erste und
notwendigste Schutzwehr des Reiches zu Pflegen gesonnen ist. Sein Aufruf an
das Volk enthält in schlichten, aus dem Herzen strömenden und zu Herzen
gehenden Worten die fromme Verheißung, daß das gegenseitige Vertrauen von
König und Volk und die Liebe zum gemeinsamen Vaterlande die Richtschnur
seiner Handlungen sein wird. Die Thronrede, welche der junge Kaiser, umgeben
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |