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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Die Schulvereine.

immer zu hoch erscheint. Trotz der eifrigen Thätigkeit der Hauptmacher hat die
Mitgliederzahl erst das dreizehnte Tausend erreicht, aber es läßt sich voraus¬
sehen, daß in kurzer Zeit diese Vereinigung, die von der Regierung im In-
lande und von ihren offiziellen Vertretern im Auslande aveo uns forts <Zv
üövrö unterstützt wird, über bedeutende Summen zu verfügen haben wird, da
sie mit einem Umstände rechnen kann, der bei den Deutsche glücklicherweise
vollständig fehlt, mit der steigenden Angst der Franzosen vor dem gänz¬
lichen Aussterben ihres Volkes. In der That sind derartige Befürchtungen,
so übertrieben sie auch erscheinen mögen, bei den Gebildeten wie bei dem
gemeinen Manne in Frankreich gäng und gäbe geworden. Die Statistik er¬
zählt ihm mit unerbittlicher Regelmäßigkeit, daß die Bevölkerung Frankreichs
nur ganz verschwindenden Zuwachs durch natürliche Vermehrung aufweise,
während die benachbarten Deutschen, Engländer, die Russen u. a. zu bedroh¬
lichen Völkerkolossen heranwachsen. Wie wird es nun den Franzosen ergehen,
wenn einst im großen Riesenkampfe die zehnmal überlegenen Feinde über das
arme Frankreich herfallen werden, um es zu zerstückeln? Auf dem Verordnungs-
wege läßt sich eine größere Fruchtbarkeit nicht erzielen, und so bleibt denn nur
das Mittel der langsamen Gallisirung übrig, welche ganz richtig von der Er¬
lernung der Sprache ausgeht und darauf rechnet, daß diese Kenntnis genügen
werde, um sofort auch an französischen Schriften, Sitten, Anschauungen
und -- Exportwaren Gefallen zu finden. Ganz besonders das letztere wird
von den praktischen Rechnern an der Seine als sicher erwartet und als kräf¬
tiges, gesperrt zu drückendes Schlagwort bei der Agitation verwertet; es verrät
auch, bei wem die Lockungen der ^Illanos trsiieÄiso, die natürlich mehr
zum Angriff als zur Verteidigung gegründet wurde, zunächst verfangen sollen,
nämlich bei allen den Völkern, die sich noch halb oder zum dritten, vierten,
fünften u. s. w. Teile im Naturzustande befinden. Ein kurzer Einblick in die
zuletzt ausgegebenen "Bülletins" der Gesellschaft zeigt dies am besten.

Nach diesen betrug die Mitgliederzahl im Jahre 1887 ungefähr 12 000
und die Einnahme rund 90 000 Franks, wovon aber nicht viel mehr als der
dritte Teil zu Unterstützungen verwendet werden konnte. Außerdem bezieht
die ^llisnoo durch die Freigebigkeit der Verleger einen ansehnlichen Wert in
Büchern und sonstigen Schulbcdürfnissen, die bis in die entferntesten Gegenden
der Welt verschickt werden, nach der Türkei, auf den Libanon zu den Ma-
roniten, nach Griechenland zu den Cykladen, Syrien, Algerien, Arran, Tonking,
Westafrika, aber auch nach Spanien, Holland und Böhmen. Mit besondrer
Rührung gedenkt der Bericht der Unterstützungen für letzteres Land, dessen
tschechische Bewohner bekanntlich für Frankreich, als den Erbfeind der verhaßten
Deutschen, ebenso schwärmen wie für das heilige Mütterchen Nußland. In
Böhmen haben sich auch einige Zweigvereine zur Pflege der französischen
Freundschaft gebildet, die zwar mit dem Pariser Hauptverein gesetzlich nicht


Die Schulvereine.

immer zu hoch erscheint. Trotz der eifrigen Thätigkeit der Hauptmacher hat die
Mitgliederzahl erst das dreizehnte Tausend erreicht, aber es läßt sich voraus¬
sehen, daß in kurzer Zeit diese Vereinigung, die von der Regierung im In-
lande und von ihren offiziellen Vertretern im Auslande aveo uns forts <Zv
üövrö unterstützt wird, über bedeutende Summen zu verfügen haben wird, da
sie mit einem Umstände rechnen kann, der bei den Deutsche glücklicherweise
vollständig fehlt, mit der steigenden Angst der Franzosen vor dem gänz¬
lichen Aussterben ihres Volkes. In der That sind derartige Befürchtungen,
so übertrieben sie auch erscheinen mögen, bei den Gebildeten wie bei dem
gemeinen Manne in Frankreich gäng und gäbe geworden. Die Statistik er¬
zählt ihm mit unerbittlicher Regelmäßigkeit, daß die Bevölkerung Frankreichs
nur ganz verschwindenden Zuwachs durch natürliche Vermehrung aufweise,
während die benachbarten Deutschen, Engländer, die Russen u. a. zu bedroh¬
lichen Völkerkolossen heranwachsen. Wie wird es nun den Franzosen ergehen,
wenn einst im großen Riesenkampfe die zehnmal überlegenen Feinde über das
arme Frankreich herfallen werden, um es zu zerstückeln? Auf dem Verordnungs-
wege läßt sich eine größere Fruchtbarkeit nicht erzielen, und so bleibt denn nur
das Mittel der langsamen Gallisirung übrig, welche ganz richtig von der Er¬
lernung der Sprache ausgeht und darauf rechnet, daß diese Kenntnis genügen
werde, um sofort auch an französischen Schriften, Sitten, Anschauungen
und — Exportwaren Gefallen zu finden. Ganz besonders das letztere wird
von den praktischen Rechnern an der Seine als sicher erwartet und als kräf¬
tiges, gesperrt zu drückendes Schlagwort bei der Agitation verwertet; es verrät
auch, bei wem die Lockungen der ^Illanos trsiieÄiso, die natürlich mehr
zum Angriff als zur Verteidigung gegründet wurde, zunächst verfangen sollen,
nämlich bei allen den Völkern, die sich noch halb oder zum dritten, vierten,
fünften u. s. w. Teile im Naturzustande befinden. Ein kurzer Einblick in die
zuletzt ausgegebenen „Bülletins" der Gesellschaft zeigt dies am besten.

Nach diesen betrug die Mitgliederzahl im Jahre 1887 ungefähr 12 000
und die Einnahme rund 90 000 Franks, wovon aber nicht viel mehr als der
dritte Teil zu Unterstützungen verwendet werden konnte. Außerdem bezieht
die ^llisnoo durch die Freigebigkeit der Verleger einen ansehnlichen Wert in
Büchern und sonstigen Schulbcdürfnissen, die bis in die entferntesten Gegenden
der Welt verschickt werden, nach der Türkei, auf den Libanon zu den Ma-
roniten, nach Griechenland zu den Cykladen, Syrien, Algerien, Arran, Tonking,
Westafrika, aber auch nach Spanien, Holland und Böhmen. Mit besondrer
Rührung gedenkt der Bericht der Unterstützungen für letzteres Land, dessen
tschechische Bewohner bekanntlich für Frankreich, als den Erbfeind der verhaßten
Deutschen, ebenso schwärmen wie für das heilige Mütterchen Nußland. In
Böhmen haben sich auch einige Zweigvereine zur Pflege der französischen
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[0558] Die Schulvereine. immer zu hoch erscheint. Trotz der eifrigen Thätigkeit der Hauptmacher hat die Mitgliederzahl erst das dreizehnte Tausend erreicht, aber es läßt sich voraus¬ sehen, daß in kurzer Zeit diese Vereinigung, die von der Regierung im In- lande und von ihren offiziellen Vertretern im Auslande aveo uns forts <Zv üövrö unterstützt wird, über bedeutende Summen zu verfügen haben wird, da sie mit einem Umstände rechnen kann, der bei den Deutsche glücklicherweise vollständig fehlt, mit der steigenden Angst der Franzosen vor dem gänz¬ lichen Aussterben ihres Volkes. In der That sind derartige Befürchtungen, so übertrieben sie auch erscheinen mögen, bei den Gebildeten wie bei dem gemeinen Manne in Frankreich gäng und gäbe geworden. Die Statistik er¬ zählt ihm mit unerbittlicher Regelmäßigkeit, daß die Bevölkerung Frankreichs nur ganz verschwindenden Zuwachs durch natürliche Vermehrung aufweise, während die benachbarten Deutschen, Engländer, die Russen u. a. zu bedroh¬ lichen Völkerkolossen heranwachsen. Wie wird es nun den Franzosen ergehen, wenn einst im großen Riesenkampfe die zehnmal überlegenen Feinde über das arme Frankreich herfallen werden, um es zu zerstückeln? Auf dem Verordnungs- wege läßt sich eine größere Fruchtbarkeit nicht erzielen, und so bleibt denn nur das Mittel der langsamen Gallisirung übrig, welche ganz richtig von der Er¬ lernung der Sprache ausgeht und darauf rechnet, daß diese Kenntnis genügen werde, um sofort auch an französischen Schriften, Sitten, Anschauungen und — Exportwaren Gefallen zu finden. Ganz besonders das letztere wird von den praktischen Rechnern an der Seine als sicher erwartet und als kräf¬ tiges, gesperrt zu drückendes Schlagwort bei der Agitation verwertet; es verrät auch, bei wem die Lockungen der ^Illanos trsiieÄiso, die natürlich mehr zum Angriff als zur Verteidigung gegründet wurde, zunächst verfangen sollen, nämlich bei allen den Völkern, die sich noch halb oder zum dritten, vierten, fünften u. s. w. Teile im Naturzustande befinden. Ein kurzer Einblick in die zuletzt ausgegebenen „Bülletins" der Gesellschaft zeigt dies am besten. Nach diesen betrug die Mitgliederzahl im Jahre 1887 ungefähr 12 000 und die Einnahme rund 90 000 Franks, wovon aber nicht viel mehr als der dritte Teil zu Unterstützungen verwendet werden konnte. Außerdem bezieht die ^llisnoo durch die Freigebigkeit der Verleger einen ansehnlichen Wert in Büchern und sonstigen Schulbcdürfnissen, die bis in die entferntesten Gegenden der Welt verschickt werden, nach der Türkei, auf den Libanon zu den Ma- roniten, nach Griechenland zu den Cykladen, Syrien, Algerien, Arran, Tonking, Westafrika, aber auch nach Spanien, Holland und Böhmen. Mit besondrer Rührung gedenkt der Bericht der Unterstützungen für letzteres Land, dessen tschechische Bewohner bekanntlich für Frankreich, als den Erbfeind der verhaßten Deutschen, ebenso schwärmen wie für das heilige Mütterchen Nußland. In Böhmen haben sich auch einige Zweigvereine zur Pflege der französischen Freundschaft gebildet, die zwar mit dem Pariser Hauptverein gesetzlich nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/558>, abgerufen am 02.10.2024.