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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Theodor Althaus.

Stellung, die er in den kommenden Monaten einnehmen sollte. Die Februar¬
revolution fand den jungen Schriftsteller bereit zur Arbeit und zu jedem Opfer
für seine Sache. Noch im März entschied sich, auf welchem Felde er seinen
feurigen Sinn und seine Hingebung an die Ideen der deutschen Einheit und der
Politischen Freiheit bewähren sollte. Ältere Verbindungen mit der "Weserzei¬
tung" und der "Bremer Zeitung" führten ihn nach Bremen und stellten ihm
die mißliche Aufgabe, inmitten der zwar republikanischen, aber im Grunde ge¬
nommen gut konservativen Hansestadt für das Programm der modernen Demo¬
kratie zu wirken. Als Redakteur der "Bremer Zeitung" trat er rttckhaltslos
und rücksichtslos, doch ohne einen Anhauch demokratischer Rohheit oder Läster¬
sucht, für die Souveränität der Frankfurter Nationalversammlung ein.

Um Althaus' ganze Entwicklung und sein Verhalten in dieser Zeit richtig
zu beurteilen, muß man sich nicht bloß der Gährung und elementaren Er¬
regung der Geister, sondern auch der Thatsache erinnern, daß er durch Geburt
und Erziehung einem der dürftigsten Kleinstaaten des alten deutschen Bundes
angehörte. Kein Bewußtsein, mit einem Staate verwachsen zu sein, der selbst
bei Schwachheit oder Thorheit seiner Regierung seine historische Stellung und
historische Aufgabe behielt, gab ihm im Sturme der Revolution Halt. Keine
nüchterne Erfahrung hielt den jugendlichen Politiker zurück, mitten im Kampfe
erst gewann er Einsichten und Aussichten, die ihm künftig hätten zu gute kommen
können. Nachdem auf seinen Rat und Betrieb die "Bremer Zeitung" zu Neu¬
jahr 1349 nach Hannover als "Zeitung für Norddeutschland" übergesiedelt
war (wo und unter welchem Namen sie bekanntlich noch jetzt fortbesteht), er¬
gaben sich die unvermeidlichen Konflikte zwischen dem Neichsgedanken und der
Zähigkeit des hannöverschen Partikularismus. Wie einsichtig, fest und klar,
man möchte sagen unbarmherzig klar, er zu dieser Zeit bereits geworden war,
verraten gewisse Vriefstellen aus dem Frühling 1849. "Am Dienstag sprechen
sie vielleicht noch über Deutschlands Schicksal in der Paulskirche. Auch dort
ist ein Todeskrampf, und ich bin ruhig wie der Arzt, der das hippokratische
Gesicht sieht, während der Kranke noch immer seine Hoffnung nicht aufgeben
mag. Wir haben diese Enttäuschung nötig, und da wir unser Herz ja am Ende
nicht an die Poesie des raschen Werdens, sondern an das Werden der Sache
gehängt haben und kein Strohfeuer auf unserm Herde brennt, so können wir
ja unsre Seelen in Geduld fassen. Wenn ich sehe, wie wenig Tüchtiges ge¬
schieht, habe ich mir schon oft gesagt, es wäre doch gut, hätten wir noch so
ein paar Jahre das langsame, geistige Wühlen forttreiben können; die Sache
ist uns zu rasch gekommen, und die Gebildeten sind noch zu roh. Nun werden
wir die Muße ja bald auf eine Zeit haben, wenn nicht noch einmal von außen
das Unbercchnete und Unerhörte geschieht." Und noch glücklicher als diese Er¬
wägung lautet die Erkenntnis: "Vielleicht wirst du in den nächsten Tagen
in meiner Zeitung lesen, was nun aufgegangen ist. Es ist ein neues Leben


Grenzboten III. 1833. 6ö
Theodor Althaus.

Stellung, die er in den kommenden Monaten einnehmen sollte. Die Februar¬
revolution fand den jungen Schriftsteller bereit zur Arbeit und zu jedem Opfer
für seine Sache. Noch im März entschied sich, auf welchem Felde er seinen
feurigen Sinn und seine Hingebung an die Ideen der deutschen Einheit und der
Politischen Freiheit bewähren sollte. Ältere Verbindungen mit der „Weserzei¬
tung" und der „Bremer Zeitung" führten ihn nach Bremen und stellten ihm
die mißliche Aufgabe, inmitten der zwar republikanischen, aber im Grunde ge¬
nommen gut konservativen Hansestadt für das Programm der modernen Demo¬
kratie zu wirken. Als Redakteur der „Bremer Zeitung" trat er rttckhaltslos
und rücksichtslos, doch ohne einen Anhauch demokratischer Rohheit oder Läster¬
sucht, für die Souveränität der Frankfurter Nationalversammlung ein.

Um Althaus' ganze Entwicklung und sein Verhalten in dieser Zeit richtig
zu beurteilen, muß man sich nicht bloß der Gährung und elementaren Er¬
regung der Geister, sondern auch der Thatsache erinnern, daß er durch Geburt
und Erziehung einem der dürftigsten Kleinstaaten des alten deutschen Bundes
angehörte. Kein Bewußtsein, mit einem Staate verwachsen zu sein, der selbst
bei Schwachheit oder Thorheit seiner Regierung seine historische Stellung und
historische Aufgabe behielt, gab ihm im Sturme der Revolution Halt. Keine
nüchterne Erfahrung hielt den jugendlichen Politiker zurück, mitten im Kampfe
erst gewann er Einsichten und Aussichten, die ihm künftig hätten zu gute kommen
können. Nachdem auf seinen Rat und Betrieb die „Bremer Zeitung" zu Neu¬
jahr 1349 nach Hannover als „Zeitung für Norddeutschland" übergesiedelt
war (wo und unter welchem Namen sie bekanntlich noch jetzt fortbesteht), er¬
gaben sich die unvermeidlichen Konflikte zwischen dem Neichsgedanken und der
Zähigkeit des hannöverschen Partikularismus. Wie einsichtig, fest und klar,
man möchte sagen unbarmherzig klar, er zu dieser Zeit bereits geworden war,
verraten gewisse Vriefstellen aus dem Frühling 1849. „Am Dienstag sprechen
sie vielleicht noch über Deutschlands Schicksal in der Paulskirche. Auch dort
ist ein Todeskrampf, und ich bin ruhig wie der Arzt, der das hippokratische
Gesicht sieht, während der Kranke noch immer seine Hoffnung nicht aufgeben
mag. Wir haben diese Enttäuschung nötig, und da wir unser Herz ja am Ende
nicht an die Poesie des raschen Werdens, sondern an das Werden der Sache
gehängt haben und kein Strohfeuer auf unserm Herde brennt, so können wir
ja unsre Seelen in Geduld fassen. Wenn ich sehe, wie wenig Tüchtiges ge¬
schieht, habe ich mir schon oft gesagt, es wäre doch gut, hätten wir noch so
ein paar Jahre das langsame, geistige Wühlen forttreiben können; die Sache
ist uns zu rasch gekommen, und die Gebildeten sind noch zu roh. Nun werden
wir die Muße ja bald auf eine Zeit haben, wenn nicht noch einmal von außen
das Unbercchnete und Unerhörte geschieht." Und noch glücklicher als diese Er¬
wägung lautet die Erkenntnis: „Vielleicht wirst du in den nächsten Tagen
in meiner Zeitung lesen, was nun aufgegangen ist. Es ist ein neues Leben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/521>, abgerufen am 24.08.2024.