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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Die Schnlvereine.

deutschen Schnlforderungen gegenüber dasselbe Entgegenkommen bewiesen wie
etwa slawischen, und da es auch viele deutsche Niederlassungen giebt, die, aus
armen Gewerbsarbeitern oder Ackerbürgern bestehend, für die Mittel zur
Gründung und Erhaltung einer Schule gar nicht aufkommen können, so war
eine große Anzahl von deutschen Mitbrüdern der Gefahr des Aufgehens in
fremden Nationalitäten umso mehr ausgesetzt, als wir Deutschen ja leider in
solchen Lagen viel eher unterliegen als andre. So war denn die Zeit reif ge¬
worden, wo ans dem Volke selbst der Ruf nach Hilfe erklang und gehört wurde.
Im Sommer 1880 wurde der "Deutsche schütteren" ins Leben gerufen, mit
dem Zwecke, der deutschen Jugend auch in sprachlich gemischten Ländern, ins¬
besondre an den deutschen Sprachgrenzen, deutsche Art und Sitte durch das
Mittel einer deutschen Schule zu bewahren.

Den riesigen Aufschwung, den dieser Verein trotz aller Anfeindungen bei
Hoch und Niedrig in wenigen Jahren genommen hat, brauche ich nicht näher
zu beleuchten, denn er ist weltbekannt. Es genüge die Thatsache, daß er am
Ende des Jahres 1887 an 1200 Ortsgruppen mit ungefähr 120 000 Mit¬
gliedern zählte, daß er seit seiner Gründung die Summe von mehr als 1200000
Gulden im Interesse der deutschen Schule ausgegeben und außerdem ein Stamm-
Vermögen von 170000 Gulden angesammelt hat. Wie viel Gutes er schon ge¬
schaffen hat, läßt sich gar nicht ermessen, denn dies gehört ja seiner Natur
nach zu den "Imponderabilien"; aber es ist doch noch eine weite Strecke bis
zu dem idealen Ziele zurückzulegen, welches erst dann erreicht sein wird, wenn
von den acht Millionen Deutschen der westlichen Reichshälfte ein jeder seinen
Pflichtguldeu als Mitglied entrichtet. Dann wird der Verein auch eine Macht
sein, mit welcher der Staat und seine Lenker zu rechnen haben, mehr noch als
jetzt, wo es Hindernisse über Hindernisse zu überwinden giebt, die meistens auf
vermeintliche politische Regungen des Vereins, welche ihm gesetzlich verboten
sind, gegründet werden. Allerdings sollte die Thätigkeit des Schulvereins nur
eine bildende sein, und im Lichte reiner Menschlichkeit betrachtet, ist sie auch
nichts andres; wie aber kann in einem Staate, dessen Politik mit dem Dilemma:
"Deutsch sein oder slawisch sein" gekennzeichnet ist, von einem Vereine verlangt
werden, daß er irgend eine nationale Maßregel treffe, die nicht zugleich eine
Politische ist? Es ist wahrhaftig ein Glück, daß die Oberleitung des "Deutschen
Schulvereins" seit Jahren von Männern geführt wird, die Weisheit und Be¬
sonnenheit nicht minder besitzen als glühende Liebe zum deutschen Volke, sonst
wäre das unbequeme "Ncbenkultnsministerium" wohl schon längst seiner Wirk¬
samkeit beraubt worden.

Eine echt deutsche Eigentümlichkeit ist es, daß auch in dieser so notwendigen
und ersprießlichen Vereinigung die Eintracht, die gerade jetzt für die Deutschen
in Österreich erstes Erfordernis sein sollte, in der mutwilligsten Weise gestört
wurde durch die Sezession eines großen Bruchteiles der Mitgliedschaft die'


Grenzboten III. 1833. 64
Die Schnlvereine.

deutschen Schnlforderungen gegenüber dasselbe Entgegenkommen bewiesen wie
etwa slawischen, und da es auch viele deutsche Niederlassungen giebt, die, aus
armen Gewerbsarbeitern oder Ackerbürgern bestehend, für die Mittel zur
Gründung und Erhaltung einer Schule gar nicht aufkommen können, so war
eine große Anzahl von deutschen Mitbrüdern der Gefahr des Aufgehens in
fremden Nationalitäten umso mehr ausgesetzt, als wir Deutschen ja leider in
solchen Lagen viel eher unterliegen als andre. So war denn die Zeit reif ge¬
worden, wo ans dem Volke selbst der Ruf nach Hilfe erklang und gehört wurde.
Im Sommer 1880 wurde der „Deutsche schütteren" ins Leben gerufen, mit
dem Zwecke, der deutschen Jugend auch in sprachlich gemischten Ländern, ins¬
besondre an den deutschen Sprachgrenzen, deutsche Art und Sitte durch das
Mittel einer deutschen Schule zu bewahren.

Den riesigen Aufschwung, den dieser Verein trotz aller Anfeindungen bei
Hoch und Niedrig in wenigen Jahren genommen hat, brauche ich nicht näher
zu beleuchten, denn er ist weltbekannt. Es genüge die Thatsache, daß er am
Ende des Jahres 1887 an 1200 Ortsgruppen mit ungefähr 120 000 Mit¬
gliedern zählte, daß er seit seiner Gründung die Summe von mehr als 1200000
Gulden im Interesse der deutschen Schule ausgegeben und außerdem ein Stamm-
Vermögen von 170000 Gulden angesammelt hat. Wie viel Gutes er schon ge¬
schaffen hat, läßt sich gar nicht ermessen, denn dies gehört ja seiner Natur
nach zu den „Imponderabilien"; aber es ist doch noch eine weite Strecke bis
zu dem idealen Ziele zurückzulegen, welches erst dann erreicht sein wird, wenn
von den acht Millionen Deutschen der westlichen Reichshälfte ein jeder seinen
Pflichtguldeu als Mitglied entrichtet. Dann wird der Verein auch eine Macht
sein, mit welcher der Staat und seine Lenker zu rechnen haben, mehr noch als
jetzt, wo es Hindernisse über Hindernisse zu überwinden giebt, die meistens auf
vermeintliche politische Regungen des Vereins, welche ihm gesetzlich verboten
sind, gegründet werden. Allerdings sollte die Thätigkeit des Schulvereins nur
eine bildende sein, und im Lichte reiner Menschlichkeit betrachtet, ist sie auch
nichts andres; wie aber kann in einem Staate, dessen Politik mit dem Dilemma:
„Deutsch sein oder slawisch sein" gekennzeichnet ist, von einem Vereine verlangt
werden, daß er irgend eine nationale Maßregel treffe, die nicht zugleich eine
Politische ist? Es ist wahrhaftig ein Glück, daß die Oberleitung des „Deutschen
Schulvereins" seit Jahren von Männern geführt wird, die Weisheit und Be¬
sonnenheit nicht minder besitzen als glühende Liebe zum deutschen Volke, sonst
wäre das unbequeme „Ncbenkultnsministerium" wohl schon längst seiner Wirk¬
samkeit beraubt worden.

Eine echt deutsche Eigentümlichkeit ist es, daß auch in dieser so notwendigen
und ersprießlichen Vereinigung die Eintracht, die gerade jetzt für die Deutschen
in Österreich erstes Erfordernis sein sollte, in der mutwilligsten Weise gestört
wurde durch die Sezession eines großen Bruchteiles der Mitgliedschaft die'


Grenzboten III. 1833. 64
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[0513] Die Schnlvereine. deutschen Schnlforderungen gegenüber dasselbe Entgegenkommen bewiesen wie etwa slawischen, und da es auch viele deutsche Niederlassungen giebt, die, aus armen Gewerbsarbeitern oder Ackerbürgern bestehend, für die Mittel zur Gründung und Erhaltung einer Schule gar nicht aufkommen können, so war eine große Anzahl von deutschen Mitbrüdern der Gefahr des Aufgehens in fremden Nationalitäten umso mehr ausgesetzt, als wir Deutschen ja leider in solchen Lagen viel eher unterliegen als andre. So war denn die Zeit reif ge¬ worden, wo ans dem Volke selbst der Ruf nach Hilfe erklang und gehört wurde. Im Sommer 1880 wurde der „Deutsche schütteren" ins Leben gerufen, mit dem Zwecke, der deutschen Jugend auch in sprachlich gemischten Ländern, ins¬ besondre an den deutschen Sprachgrenzen, deutsche Art und Sitte durch das Mittel einer deutschen Schule zu bewahren. Den riesigen Aufschwung, den dieser Verein trotz aller Anfeindungen bei Hoch und Niedrig in wenigen Jahren genommen hat, brauche ich nicht näher zu beleuchten, denn er ist weltbekannt. Es genüge die Thatsache, daß er am Ende des Jahres 1887 an 1200 Ortsgruppen mit ungefähr 120 000 Mit¬ gliedern zählte, daß er seit seiner Gründung die Summe von mehr als 1200000 Gulden im Interesse der deutschen Schule ausgegeben und außerdem ein Stamm- Vermögen von 170000 Gulden angesammelt hat. Wie viel Gutes er schon ge¬ schaffen hat, läßt sich gar nicht ermessen, denn dies gehört ja seiner Natur nach zu den „Imponderabilien"; aber es ist doch noch eine weite Strecke bis zu dem idealen Ziele zurückzulegen, welches erst dann erreicht sein wird, wenn von den acht Millionen Deutschen der westlichen Reichshälfte ein jeder seinen Pflichtguldeu als Mitglied entrichtet. Dann wird der Verein auch eine Macht sein, mit welcher der Staat und seine Lenker zu rechnen haben, mehr noch als jetzt, wo es Hindernisse über Hindernisse zu überwinden giebt, die meistens auf vermeintliche politische Regungen des Vereins, welche ihm gesetzlich verboten sind, gegründet werden. Allerdings sollte die Thätigkeit des Schulvereins nur eine bildende sein, und im Lichte reiner Menschlichkeit betrachtet, ist sie auch nichts andres; wie aber kann in einem Staate, dessen Politik mit dem Dilemma: „Deutsch sein oder slawisch sein" gekennzeichnet ist, von einem Vereine verlangt werden, daß er irgend eine nationale Maßregel treffe, die nicht zugleich eine Politische ist? Es ist wahrhaftig ein Glück, daß die Oberleitung des „Deutschen Schulvereins" seit Jahren von Männern geführt wird, die Weisheit und Be¬ sonnenheit nicht minder besitzen als glühende Liebe zum deutschen Volke, sonst wäre das unbequeme „Ncbenkultnsministerium" wohl schon längst seiner Wirk¬ samkeit beraubt worden. Eine echt deutsche Eigentümlichkeit ist es, daß auch in dieser so notwendigen und ersprießlichen Vereinigung die Eintracht, die gerade jetzt für die Deutschen in Österreich erstes Erfordernis sein sollte, in der mutwilligsten Weise gestört wurde durch die Sezession eines großen Bruchteiles der Mitgliedschaft die' Grenzboten III. 1833. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/513>, abgerufen am 24.08.2024.