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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Die Entfernungen in der Geschichte.

technische Fortschritt, vielleicht von den Etruskern herübergenommen, gemauerte
Straßenkörper herzustellen, die von außerordenlicher Dauerhaftigkeit sind, hat
die politischen Fortschritte Roms ungemein begünstigt. Noch ehe Rom ganz
Italien gewonnen hatte, wurden solche Straßen gebaut. Die appische Straße
von Rom nach Capua ist 312 (442 der Stadt) gebaut worden, und zur Zeit
Cäsars Ware" alle wichtigen Städte Italiens mit der Hauptstadt durch ähnliche
Straßen verbunden. In der Kaiserzeit mündeten deren sechzehn in oder nahe
bei Rom. Diese Straßen von vier bis achtzehn Meter Breite, die, i" einer aus¬
gehobenen Vertiefung fnndirt, aus Schichten von durch Mörtel verbundenen Stein¬
platten, Kieseln und Zement zusammengefügt sind, gewähren bis auf den heutigen
Tag den Eindruck meisterhafter Werke. Wo sie, wie die Regel, durch ein er¬
höhtes Mittelstück gegliedert und in der Nähe der größern Städte mit Stein¬
platten gleichmäßig belegt sind, ist ihr Eindruck, verglichen mit dem einer
heutigen Landstraße, sogar schön zu nennen. Der Zweck, kürzeste Ver¬
bindungslinien bei bequemen Profilverhältnissen zu schaffen, wurde energisch ver¬
folgt. Wo Kürzungen gewonnen werden konnten, sparte man nicht an Geld
und Arbeit. So ließ noch Vespasian, um der wichtigen, nach der Adria bei Färö
führenden Via Flaminia im Apennin einen Umweg zu sparen, einen dreihundert
Meter langen Einschnitt aus dem Felsen meißeln. Man kann dies römische
Straßenwesen nur würdigen, wenn man sich erinnert, daß die Straßen für
Rom von ebenso großer politischer und wirtschaftlicher Bedeutung waren, wie
die Eisenbahnen es heute für unsre Großstaaten sind. Nach Anlage und Zweck
finden die Römerstraßen ihr genauestes Analogon in den strategischen Eisen¬
bahnen. Wie, mit welchen Mitteln, zu welchen Zwecken die Römer ihre Straßen
bauten, das alles findet wohl Analogie und Erklärung in einer rein militärischen
Eisenbahn, wie die Russen sie in den letzten Jahren von Krasnowodsk nach
Merw, die Engländer von Shikarpur über den Bolcmpaß nach Quella in der
Richtung auf Kandcchar gebaut haben. Dem entspricht dann auch die Ein¬
richtung des zunächst rein politischen und speziell militärischen Kursus xudlivus,
dessen Abart Oursus vslox ein beschränkter Eilwagendienst war. Cäsar, der
römischste aller römischen Staatsmänner, der die Schnelligkeit als militärisches
und politisches Werkzeug vortrefflich zu handhaben wußte, bediente sich bei seinen
eiligen Reisen des Lursus vslox. Er fuhr im pompejanischen Kriege in sieben¬
unddreißig Tagen von Rom nach Obelco, das in der Nähe des heutigen Cor-
dova lag; das bedeutet eine Tagesleistung von dreizehn Meilen, die besonders
im Hinblick auf die körperliche Ausdauer, welche man voraussetzen muß, sehr
respektabel ist. Es sind das nun freilich noch lange nicht die zwanzig Meilen
täglich, an welche uns Sueton, der den Cäsar hundert mitten durcheilen läßt,
glauben machen möchte, noch weniger die fünfundzwanzig, die er auf der Fahrt
von Jllyricum nach Gallien täglich zurückgelegt haben soll. Das waren un¬
gewöhnliche, vielleicht nicht vollkommen glaubhafte Leistungen, die viele Jahr-


Die Entfernungen in der Geschichte.

technische Fortschritt, vielleicht von den Etruskern herübergenommen, gemauerte
Straßenkörper herzustellen, die von außerordenlicher Dauerhaftigkeit sind, hat
die politischen Fortschritte Roms ungemein begünstigt. Noch ehe Rom ganz
Italien gewonnen hatte, wurden solche Straßen gebaut. Die appische Straße
von Rom nach Capua ist 312 (442 der Stadt) gebaut worden, und zur Zeit
Cäsars Ware» alle wichtigen Städte Italiens mit der Hauptstadt durch ähnliche
Straßen verbunden. In der Kaiserzeit mündeten deren sechzehn in oder nahe
bei Rom. Diese Straßen von vier bis achtzehn Meter Breite, die, i» einer aus¬
gehobenen Vertiefung fnndirt, aus Schichten von durch Mörtel verbundenen Stein¬
platten, Kieseln und Zement zusammengefügt sind, gewähren bis auf den heutigen
Tag den Eindruck meisterhafter Werke. Wo sie, wie die Regel, durch ein er¬
höhtes Mittelstück gegliedert und in der Nähe der größern Städte mit Stein¬
platten gleichmäßig belegt sind, ist ihr Eindruck, verglichen mit dem einer
heutigen Landstraße, sogar schön zu nennen. Der Zweck, kürzeste Ver¬
bindungslinien bei bequemen Profilverhältnissen zu schaffen, wurde energisch ver¬
folgt. Wo Kürzungen gewonnen werden konnten, sparte man nicht an Geld
und Arbeit. So ließ noch Vespasian, um der wichtigen, nach der Adria bei Färö
führenden Via Flaminia im Apennin einen Umweg zu sparen, einen dreihundert
Meter langen Einschnitt aus dem Felsen meißeln. Man kann dies römische
Straßenwesen nur würdigen, wenn man sich erinnert, daß die Straßen für
Rom von ebenso großer politischer und wirtschaftlicher Bedeutung waren, wie
die Eisenbahnen es heute für unsre Großstaaten sind. Nach Anlage und Zweck
finden die Römerstraßen ihr genauestes Analogon in den strategischen Eisen¬
bahnen. Wie, mit welchen Mitteln, zu welchen Zwecken die Römer ihre Straßen
bauten, das alles findet wohl Analogie und Erklärung in einer rein militärischen
Eisenbahn, wie die Russen sie in den letzten Jahren von Krasnowodsk nach
Merw, die Engländer von Shikarpur über den Bolcmpaß nach Quella in der
Richtung auf Kandcchar gebaut haben. Dem entspricht dann auch die Ein¬
richtung des zunächst rein politischen und speziell militärischen Kursus xudlivus,
dessen Abart Oursus vslox ein beschränkter Eilwagendienst war. Cäsar, der
römischste aller römischen Staatsmänner, der die Schnelligkeit als militärisches
und politisches Werkzeug vortrefflich zu handhaben wußte, bediente sich bei seinen
eiligen Reisen des Lursus vslox. Er fuhr im pompejanischen Kriege in sieben¬
unddreißig Tagen von Rom nach Obelco, das in der Nähe des heutigen Cor-
dova lag; das bedeutet eine Tagesleistung von dreizehn Meilen, die besonders
im Hinblick auf die körperliche Ausdauer, welche man voraussetzen muß, sehr
respektabel ist. Es sind das nun freilich noch lange nicht die zwanzig Meilen
täglich, an welche uns Sueton, der den Cäsar hundert mitten durcheilen läßt,
glauben machen möchte, noch weniger die fünfundzwanzig, die er auf der Fahrt
von Jllyricum nach Gallien täglich zurückgelegt haben soll. Das waren un¬
gewöhnliche, vielleicht nicht vollkommen glaubhafte Leistungen, die viele Jahr-


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[0506] Die Entfernungen in der Geschichte. technische Fortschritt, vielleicht von den Etruskern herübergenommen, gemauerte Straßenkörper herzustellen, die von außerordenlicher Dauerhaftigkeit sind, hat die politischen Fortschritte Roms ungemein begünstigt. Noch ehe Rom ganz Italien gewonnen hatte, wurden solche Straßen gebaut. Die appische Straße von Rom nach Capua ist 312 (442 der Stadt) gebaut worden, und zur Zeit Cäsars Ware» alle wichtigen Städte Italiens mit der Hauptstadt durch ähnliche Straßen verbunden. In der Kaiserzeit mündeten deren sechzehn in oder nahe bei Rom. Diese Straßen von vier bis achtzehn Meter Breite, die, i» einer aus¬ gehobenen Vertiefung fnndirt, aus Schichten von durch Mörtel verbundenen Stein¬ platten, Kieseln und Zement zusammengefügt sind, gewähren bis auf den heutigen Tag den Eindruck meisterhafter Werke. Wo sie, wie die Regel, durch ein er¬ höhtes Mittelstück gegliedert und in der Nähe der größern Städte mit Stein¬ platten gleichmäßig belegt sind, ist ihr Eindruck, verglichen mit dem einer heutigen Landstraße, sogar schön zu nennen. Der Zweck, kürzeste Ver¬ bindungslinien bei bequemen Profilverhältnissen zu schaffen, wurde energisch ver¬ folgt. Wo Kürzungen gewonnen werden konnten, sparte man nicht an Geld und Arbeit. So ließ noch Vespasian, um der wichtigen, nach der Adria bei Färö führenden Via Flaminia im Apennin einen Umweg zu sparen, einen dreihundert Meter langen Einschnitt aus dem Felsen meißeln. Man kann dies römische Straßenwesen nur würdigen, wenn man sich erinnert, daß die Straßen für Rom von ebenso großer politischer und wirtschaftlicher Bedeutung waren, wie die Eisenbahnen es heute für unsre Großstaaten sind. Nach Anlage und Zweck finden die Römerstraßen ihr genauestes Analogon in den strategischen Eisen¬ bahnen. Wie, mit welchen Mitteln, zu welchen Zwecken die Römer ihre Straßen bauten, das alles findet wohl Analogie und Erklärung in einer rein militärischen Eisenbahn, wie die Russen sie in den letzten Jahren von Krasnowodsk nach Merw, die Engländer von Shikarpur über den Bolcmpaß nach Quella in der Richtung auf Kandcchar gebaut haben. Dem entspricht dann auch die Ein¬ richtung des zunächst rein politischen und speziell militärischen Kursus xudlivus, dessen Abart Oursus vslox ein beschränkter Eilwagendienst war. Cäsar, der römischste aller römischen Staatsmänner, der die Schnelligkeit als militärisches und politisches Werkzeug vortrefflich zu handhaben wußte, bediente sich bei seinen eiligen Reisen des Lursus vslox. Er fuhr im pompejanischen Kriege in sieben¬ unddreißig Tagen von Rom nach Obelco, das in der Nähe des heutigen Cor- dova lag; das bedeutet eine Tagesleistung von dreizehn Meilen, die besonders im Hinblick auf die körperliche Ausdauer, welche man voraussetzen muß, sehr respektabel ist. Es sind das nun freilich noch lange nicht die zwanzig Meilen täglich, an welche uns Sueton, der den Cäsar hundert mitten durcheilen läßt, glauben machen möchte, noch weniger die fünfundzwanzig, die er auf der Fahrt von Jllyricum nach Gallien täglich zurückgelegt haben soll. Das waren un¬ gewöhnliche, vielleicht nicht vollkommen glaubhafte Leistungen, die viele Jahr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/506>, abgerufen am 24.08.2024.