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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Aus dem Leben Kaiser Wilhelms.

jene beiden in ihr wahres Licht stellt, nämlich, daß sie ein Abtrumpfen der
Wiederherstellung der dreijährige" Dienstzeit sein sollen, denn die Hälfte des
Staatsbudgets wären 47 Millionen, zwei Drittel desselben sind 62 Millionen.
Jeder Kriegsschiiler aber kann nachrechnen, daß die Etatserhöhung bei allen
Waffen durch die dreijährige Dienstzeit noch nicht eine Million macht, also
1 ^. 27 -- 28 Millionen. Und behaupten zu wollen, daß Preußen nicht
000000 Thaler aufbringen könne, und diese Summe ein Gespenst zu nennen,
beweiset doch auch augenscheinlich niMvglso volovtv in dieser Lebensfrage der
Armee. Also schreiben Sie etwas der Art." Der König war für die kürzere
Dienstzeit durch den Kriegs- und den Finmizminister bereits gewonnen, und
man wollte sich keiner Verweigerung in den Kammern aussetzen. Für Schneider
war infolge dessen guter Rat teuer. Ihm war befohlen, im Sinne des Königs
und der Minister zu schreiben, und jetzt verlangte der Prinz bestimmt das
gerade Gegenteil. Er that in seinem Blatte, was er unter solchen Umständen
thun konnte. Darauf erhielt er vom Prinzen folgende Zuschrift: "Ihre Artikel
in dem morgenden Blatte werde ich abwarten. Gegen das zweieinhalbjährigc
Dicnstzcitsprojckt habe ich mich auf das allerbestimmteste gegen den König aus¬
gesprochen. Man steht an der Schwelle, alles haben zu können, was uns Not
thut, und trifft eine halbe Maßregel, um -- 500000 Thaler nicht zu ver¬
langen. Das ist nicht zu dulden. ?. 8. Die übrigen Punkte sind gut, nur
zu wenig Offizier."

Im Jahre 1853 gab es in der zweiten Kammer lange Debatten über die
Giltigkeit der Wahl eines Landwchrrittmeisters v. Puttkamer, weil dieser einige
Tage darnach militärisch befördert worden war. In Bezug hierauf schrieb der
Prinz an Schneider: "Ich bin begierig auf Ihre verheißene Abfertigung der
v. Puttkamerschen Angelegenheit in der Wehrzeitung. Die grundfalsche Land¬
rechtbczeichnung der Offiziere als Staatsbeamte ist mir väl"s! und ist am
besten mit dem Hinblick auf den Fahneneid für den Kriegsherrn abzufertigen."

Als der Prinz Regent wurde und bald den Thron besteigen sollte, hofften
viele Einfluß auf ihn zu gewinnen und so für sich und andre allerlei durch¬
setzen zu können. Er war indes für dergleichen unzugänglich und hörte zwar
gern den Rat Sachverständiger, hatte aber nur in geschäftlichen Dingen Ver¬
traute und nie einen Günstling der Art wie Friedrich Wilhelm II. in Wollmar,
Bischofswerder und Ritz, Friedrich Wilhelm III. in Witzleben und Friedrich
Wilhelm IV. in Stolberg, Radowitz und Gerlach gehabt hatten. Jeder, der
in seine Nähe kam, empfand bald, daß es vergebliche Mühe war, mit ihm über
Gegenstände zu sprechen, über die er keine Meinung verlangte. Zu wohlwollend
und freundlich, um einen solchen Versuch zu verbieten, hörte er wohl ruhig zu,
wußte aber das Gespräch sehr bald auf etwas andres zu leiten. Schneider
"unterstand sich" einst, am 25. Juli 1865 in Babelsberg, ihn zu fragen, ob
er nie einen Freund gehabt habe. Der König sah ihn lange prüfend an, schien


Aus dem Leben Kaiser Wilhelms.

jene beiden in ihr wahres Licht stellt, nämlich, daß sie ein Abtrumpfen der
Wiederherstellung der dreijährige» Dienstzeit sein sollen, denn die Hälfte des
Staatsbudgets wären 47 Millionen, zwei Drittel desselben sind 62 Millionen.
Jeder Kriegsschiiler aber kann nachrechnen, daß die Etatserhöhung bei allen
Waffen durch die dreijährige Dienstzeit noch nicht eine Million macht, also
1 ^. 27 — 28 Millionen. Und behaupten zu wollen, daß Preußen nicht
000000 Thaler aufbringen könne, und diese Summe ein Gespenst zu nennen,
beweiset doch auch augenscheinlich niMvglso volovtv in dieser Lebensfrage der
Armee. Also schreiben Sie etwas der Art." Der König war für die kürzere
Dienstzeit durch den Kriegs- und den Finmizminister bereits gewonnen, und
man wollte sich keiner Verweigerung in den Kammern aussetzen. Für Schneider
war infolge dessen guter Rat teuer. Ihm war befohlen, im Sinne des Königs
und der Minister zu schreiben, und jetzt verlangte der Prinz bestimmt das
gerade Gegenteil. Er that in seinem Blatte, was er unter solchen Umständen
thun konnte. Darauf erhielt er vom Prinzen folgende Zuschrift: „Ihre Artikel
in dem morgenden Blatte werde ich abwarten. Gegen das zweieinhalbjährigc
Dicnstzcitsprojckt habe ich mich auf das allerbestimmteste gegen den König aus¬
gesprochen. Man steht an der Schwelle, alles haben zu können, was uns Not
thut, und trifft eine halbe Maßregel, um — 500000 Thaler nicht zu ver¬
langen. Das ist nicht zu dulden. ?. 8. Die übrigen Punkte sind gut, nur
zu wenig Offizier."

Im Jahre 1853 gab es in der zweiten Kammer lange Debatten über die
Giltigkeit der Wahl eines Landwchrrittmeisters v. Puttkamer, weil dieser einige
Tage darnach militärisch befördert worden war. In Bezug hierauf schrieb der
Prinz an Schneider: „Ich bin begierig auf Ihre verheißene Abfertigung der
v. Puttkamerschen Angelegenheit in der Wehrzeitung. Die grundfalsche Land¬
rechtbczeichnung der Offiziere als Staatsbeamte ist mir väl»s! und ist am
besten mit dem Hinblick auf den Fahneneid für den Kriegsherrn abzufertigen."

Als der Prinz Regent wurde und bald den Thron besteigen sollte, hofften
viele Einfluß auf ihn zu gewinnen und so für sich und andre allerlei durch¬
setzen zu können. Er war indes für dergleichen unzugänglich und hörte zwar
gern den Rat Sachverständiger, hatte aber nur in geschäftlichen Dingen Ver¬
traute und nie einen Günstling der Art wie Friedrich Wilhelm II. in Wollmar,
Bischofswerder und Ritz, Friedrich Wilhelm III. in Witzleben und Friedrich
Wilhelm IV. in Stolberg, Radowitz und Gerlach gehabt hatten. Jeder, der
in seine Nähe kam, empfand bald, daß es vergebliche Mühe war, mit ihm über
Gegenstände zu sprechen, über die er keine Meinung verlangte. Zu wohlwollend
und freundlich, um einen solchen Versuch zu verbieten, hörte er wohl ruhig zu,
wußte aber das Gespräch sehr bald auf etwas andres zu leiten. Schneider
„unterstand sich" einst, am 25. Juli 1865 in Babelsberg, ihn zu fragen, ob
er nie einen Freund gehabt habe. Der König sah ihn lange prüfend an, schien


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/493>, abgerufen am 29.06.2024.