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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Aus dem Leben Kaiser Wilhelms.

die Frage aber nicht übel zu deuten. Dann sagte er: "O ja, ich habe zwei
Freunde im Leben gehabt, und zwar in meinen frühesten Mannes- oder eigentlich
Jünglingsjahren: den Obersten, spätern General v. Brause, den mir mein Vater,
noch 1815, zum militärischen Gouverneur gab, und dann Noeder,*) der mit mir
gleichzeitig bei denselben Truppenteilen stand, über den ich weg avancirte, wobei
er dennoch stets mein militärischer Lehrer und Vorbild blieb. Beide haben
nie etwas von mir gewollt und waren vortreffliche Männer. An Rveder habe
ich sehr gehangen." Schneider fragte weiter: "Ist es denn wahr, daß Eure
Majestät noch nie mit dem Generalleutnant v. Manteuffel von politischen Dingen
gesprochen haben? Das glaubt doch alle Welt. Aber er selbst und seine Gattin
haben mir einmal gesagt, daß Eure Majestät uur mit Herrn v. Bismarck über
politische Angelegenheiten sprächen, mit ihm nur über militärische." Der König
erwiederte: "Das ist vollkommen richtig, außer in den Fällen, wo ich Man-
teuffel zu politischen Sendungen gebrauchte. Beide Männer, welche mir jetzt
mit ihrem Rate am nächsten stehen, werden nicht sagen können, daß ich mit
ihnen von Gegenständen gesprochen hätte, die nicht direkt zu ihrem Ressort ge¬
hörten, und für welche sie mir später nicht hätten verantworlich sein müssen.
Mit Bismarck spreche ich nie über militärische, mit Manteuffel nie über Poli¬
tische Dinge."

Wir können dazu bemerken, daß Ausnahmen von dieser Regel vorgekommen
sind, wo Kenntnis des augenblicklichen militärischen Standes der Dinge für
richtiges politisches Verfahren und Einwirkung auf militärische Maßregeln für
diplomatische Arbeit erforderlich waren, und daß Bismarck eine solche Ausnahme
in Nikolsburg durchsetzte und es in Versailles, als keine gemacht wurde, so
schwer empfand, daß er mit einem Abschiedsgesuche umging. Beides ist voll¬
kommen verbürgt, doch muß hier die bloße Andeutung genügen.

In zwei Dingen ertrug der König kein Besserwissenwollen oder Vermitteln,
gleichviel, wie gut es gemeint war: in Aufrechterhaltung der Würde seiner Krone,
die er von ruhmreichen Ahnen geerbt hatte, und in Heeresangelegenheiten, die er
besser als jeder andre verstand. In allen andern Sachen hörte er ruhig und
unermüdlich zu, wenn Fachleute Ansichten äußerten, die der seinen entgegenliefen;
aber in diesen beiden Punkten wagte es wohl niemand, dem Könige zum zweiten
male mit einer andern Meinung zu kommen. Immer war es das unbedingte
Pflichtgefühl, der "Dienst," wenn er in jenen beiden Beziehungen auf nichts
hören wollte, in andern aber Sachverständigen gern das Ohr für ihren Wider¬
spruch lieh. Ohne es ausdrücklich zu sagen, betrachtete er sich als den ersten
Diener des Staates, aber auch als dessen ersten Soldaten. Ein Beispiel dafür,
daß er in den wichtigsten Augenblicken seines Lebens durchaus selbständig han¬
delte und nur seiner eignen Eingebung folgte, ist der Entwurf des Regierungs-



*) Er starb als Generalleutnant und Gesandter bei der Eidgenossenschaft in Bern.
Aus dem Leben Kaiser Wilhelms.

die Frage aber nicht übel zu deuten. Dann sagte er: „O ja, ich habe zwei
Freunde im Leben gehabt, und zwar in meinen frühesten Mannes- oder eigentlich
Jünglingsjahren: den Obersten, spätern General v. Brause, den mir mein Vater,
noch 1815, zum militärischen Gouverneur gab, und dann Noeder,*) der mit mir
gleichzeitig bei denselben Truppenteilen stand, über den ich weg avancirte, wobei
er dennoch stets mein militärischer Lehrer und Vorbild blieb. Beide haben
nie etwas von mir gewollt und waren vortreffliche Männer. An Rveder habe
ich sehr gehangen." Schneider fragte weiter: „Ist es denn wahr, daß Eure
Majestät noch nie mit dem Generalleutnant v. Manteuffel von politischen Dingen
gesprochen haben? Das glaubt doch alle Welt. Aber er selbst und seine Gattin
haben mir einmal gesagt, daß Eure Majestät uur mit Herrn v. Bismarck über
politische Angelegenheiten sprächen, mit ihm nur über militärische." Der König
erwiederte: „Das ist vollkommen richtig, außer in den Fällen, wo ich Man-
teuffel zu politischen Sendungen gebrauchte. Beide Männer, welche mir jetzt
mit ihrem Rate am nächsten stehen, werden nicht sagen können, daß ich mit
ihnen von Gegenständen gesprochen hätte, die nicht direkt zu ihrem Ressort ge¬
hörten, und für welche sie mir später nicht hätten verantworlich sein müssen.
Mit Bismarck spreche ich nie über militärische, mit Manteuffel nie über Poli¬
tische Dinge."

Wir können dazu bemerken, daß Ausnahmen von dieser Regel vorgekommen
sind, wo Kenntnis des augenblicklichen militärischen Standes der Dinge für
richtiges politisches Verfahren und Einwirkung auf militärische Maßregeln für
diplomatische Arbeit erforderlich waren, und daß Bismarck eine solche Ausnahme
in Nikolsburg durchsetzte und es in Versailles, als keine gemacht wurde, so
schwer empfand, daß er mit einem Abschiedsgesuche umging. Beides ist voll¬
kommen verbürgt, doch muß hier die bloße Andeutung genügen.

In zwei Dingen ertrug der König kein Besserwissenwollen oder Vermitteln,
gleichviel, wie gut es gemeint war: in Aufrechterhaltung der Würde seiner Krone,
die er von ruhmreichen Ahnen geerbt hatte, und in Heeresangelegenheiten, die er
besser als jeder andre verstand. In allen andern Sachen hörte er ruhig und
unermüdlich zu, wenn Fachleute Ansichten äußerten, die der seinen entgegenliefen;
aber in diesen beiden Punkten wagte es wohl niemand, dem Könige zum zweiten
male mit einer andern Meinung zu kommen. Immer war es das unbedingte
Pflichtgefühl, der „Dienst," wenn er in jenen beiden Beziehungen auf nichts
hören wollte, in andern aber Sachverständigen gern das Ohr für ihren Wider¬
spruch lieh. Ohne es ausdrücklich zu sagen, betrachtete er sich als den ersten
Diener des Staates, aber auch als dessen ersten Soldaten. Ein Beispiel dafür,
daß er in den wichtigsten Augenblicken seines Lebens durchaus selbständig han¬
delte und nur seiner eignen Eingebung folgte, ist der Entwurf des Regierungs-



*) Er starb als Generalleutnant und Gesandter bei der Eidgenossenschaft in Bern.
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[0494] Aus dem Leben Kaiser Wilhelms. die Frage aber nicht übel zu deuten. Dann sagte er: „O ja, ich habe zwei Freunde im Leben gehabt, und zwar in meinen frühesten Mannes- oder eigentlich Jünglingsjahren: den Obersten, spätern General v. Brause, den mir mein Vater, noch 1815, zum militärischen Gouverneur gab, und dann Noeder,*) der mit mir gleichzeitig bei denselben Truppenteilen stand, über den ich weg avancirte, wobei er dennoch stets mein militärischer Lehrer und Vorbild blieb. Beide haben nie etwas von mir gewollt und waren vortreffliche Männer. An Rveder habe ich sehr gehangen." Schneider fragte weiter: „Ist es denn wahr, daß Eure Majestät noch nie mit dem Generalleutnant v. Manteuffel von politischen Dingen gesprochen haben? Das glaubt doch alle Welt. Aber er selbst und seine Gattin haben mir einmal gesagt, daß Eure Majestät uur mit Herrn v. Bismarck über politische Angelegenheiten sprächen, mit ihm nur über militärische." Der König erwiederte: „Das ist vollkommen richtig, außer in den Fällen, wo ich Man- teuffel zu politischen Sendungen gebrauchte. Beide Männer, welche mir jetzt mit ihrem Rate am nächsten stehen, werden nicht sagen können, daß ich mit ihnen von Gegenständen gesprochen hätte, die nicht direkt zu ihrem Ressort ge¬ hörten, und für welche sie mir später nicht hätten verantworlich sein müssen. Mit Bismarck spreche ich nie über militärische, mit Manteuffel nie über Poli¬ tische Dinge." Wir können dazu bemerken, daß Ausnahmen von dieser Regel vorgekommen sind, wo Kenntnis des augenblicklichen militärischen Standes der Dinge für richtiges politisches Verfahren und Einwirkung auf militärische Maßregeln für diplomatische Arbeit erforderlich waren, und daß Bismarck eine solche Ausnahme in Nikolsburg durchsetzte und es in Versailles, als keine gemacht wurde, so schwer empfand, daß er mit einem Abschiedsgesuche umging. Beides ist voll¬ kommen verbürgt, doch muß hier die bloße Andeutung genügen. In zwei Dingen ertrug der König kein Besserwissenwollen oder Vermitteln, gleichviel, wie gut es gemeint war: in Aufrechterhaltung der Würde seiner Krone, die er von ruhmreichen Ahnen geerbt hatte, und in Heeresangelegenheiten, die er besser als jeder andre verstand. In allen andern Sachen hörte er ruhig und unermüdlich zu, wenn Fachleute Ansichten äußerten, die der seinen entgegenliefen; aber in diesen beiden Punkten wagte es wohl niemand, dem Könige zum zweiten male mit einer andern Meinung zu kommen. Immer war es das unbedingte Pflichtgefühl, der „Dienst," wenn er in jenen beiden Beziehungen auf nichts hören wollte, in andern aber Sachverständigen gern das Ohr für ihren Wider¬ spruch lieh. Ohne es ausdrücklich zu sagen, betrachtete er sich als den ersten Diener des Staates, aber auch als dessen ersten Soldaten. Ein Beispiel dafür, daß er in den wichtigsten Augenblicken seines Lebens durchaus selbständig han¬ delte und nur seiner eignen Eingebung folgte, ist der Entwurf des Regierungs- *) Er starb als Generalleutnant und Gesandter bei der Eidgenossenschaft in Bern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/494>, abgerufen am 01.07.2024.