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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Ricks Lyhne.

Ich bin es, rief sie ihm höhnend entgegen, Fennimore, die Metze!

Aber um Gotteswillen, Geliebte? fragte er verwundert, jetzt nur noch
wenige Schritte von ihr entfernt.

Erik ist toll

Tot? Wann? Er mußte mit seinen Schlittschuhen in den Schnee treten,
um nicht zu fallen. Aber so sag mir doch! Und er näherte sich ihr hastig.

Sie standen jetzt einander gegenüber, und sie mußte sich Zwang anthun,
um ihm nicht mit der geballten Faust in die bleichen, verzerrten Züge zu schlagen.

Du sollst es alles hören, sagte sie, er ist tot, wie ich dir schon gesagt
habe. Die Pferde gingen in Aalborg mit ihm dnrch, und sein Kopf zer¬
schmetterte gegen eine Mauer, während wir ihn hier betrogen.

Es ist entsetzlich! stöhnte Ricks und griff sich mit den Händen nach den
Schläfen. Wer Hütte das auch ahnen können! Ach wären wir ihm doch treu
gewesen, Fennimore! Erik, armer Erik! Wäre ich es doch gewesen! Und er
schluchzte laut und krümmte sich in wildem Schmerz.

Ich hasse dich, Ricks Lyhne!

Ach, was liegt denn an uns! stöhnte Ricks ungeduldig. Wenn wir ihn
nur wieder hätten! Arme Fennimore, verbesserte er sich dann. Kümmre dich
nicht um mich. Du hassest mich, sagst du? Das kannst du gern thun. Denn
raffte er sich Plötzlich auf. Laß uns hineingehen, fuhr er fort. Ich weiß nicht,
was ich sage. Wer hat dir telegraphirt?

Hineingehen, schrie Fennimore, empört, daß er ihre feindliche Stimmung
so wenig zu beachten schien. Dahinein? Niemals sollst du deinen ehrlosen
Fuß wieder über diese Schwelle setzen! Wie wagst du es nur, daran zu denken!
du Elender! du falscher Schuft, der, sich hier einschleichend, die Ehre seines
Freundes stahl, weil sie nicht genügend gehütet ward. Was, hast du sie ihm
nicht vor seinen eignen Augen gestohlen, weil er glaubte, daß du ehrlich seist,
du Hausdieb!

Bist du von Sinnen! Was geht mit dir vor? Was für Worte nimmst
du da in den Mund! Er erfaßte sie hart beim Arme und zog sie näher an
sich heran und sah ihr verwundert ins Gesicht. Du mußt dich fassen, fuhr er
in milderem Tone fort, was kann es helfen, Kind, daß du mit so häßlichen
Worten um dich wirfst?

Sie riß ihren Arm los, sodaß er auf seinen Schlittschuhen schwankte.

Kannst du es denn nicht begreifen, daß ich dich hasse? Hast du nicht so
viel von einem ehrlichen Manne in dir, daß du das begreifen kannst? Wie
blind muß ich nicht gewesen sein, als ich dich, Betrüger, liebte, während ich
ihn, der so tausendmal besser war als du, an meiner Seite hatte! Ich werde
dich hassen und verachten bis an mein Lebensende. Damals, als du kamst,
war ich rechtschaffen, ich hatte niemals etwas Schlechtes begangen, aber nun
kamst du und rüstest nicht, als bis du mich zu dir in den Kot herabgezogen


Ricks Lyhne.

Ich bin es, rief sie ihm höhnend entgegen, Fennimore, die Metze!

Aber um Gotteswillen, Geliebte? fragte er verwundert, jetzt nur noch
wenige Schritte von ihr entfernt.

Erik ist toll

Tot? Wann? Er mußte mit seinen Schlittschuhen in den Schnee treten,
um nicht zu fallen. Aber so sag mir doch! Und er näherte sich ihr hastig.

Sie standen jetzt einander gegenüber, und sie mußte sich Zwang anthun,
um ihm nicht mit der geballten Faust in die bleichen, verzerrten Züge zu schlagen.

Du sollst es alles hören, sagte sie, er ist tot, wie ich dir schon gesagt
habe. Die Pferde gingen in Aalborg mit ihm dnrch, und sein Kopf zer¬
schmetterte gegen eine Mauer, während wir ihn hier betrogen.

Es ist entsetzlich! stöhnte Ricks und griff sich mit den Händen nach den
Schläfen. Wer Hütte das auch ahnen können! Ach wären wir ihm doch treu
gewesen, Fennimore! Erik, armer Erik! Wäre ich es doch gewesen! Und er
schluchzte laut und krümmte sich in wildem Schmerz.

Ich hasse dich, Ricks Lyhne!

Ach, was liegt denn an uns! stöhnte Ricks ungeduldig. Wenn wir ihn
nur wieder hätten! Arme Fennimore, verbesserte er sich dann. Kümmre dich
nicht um mich. Du hassest mich, sagst du? Das kannst du gern thun. Denn
raffte er sich Plötzlich auf. Laß uns hineingehen, fuhr er fort. Ich weiß nicht,
was ich sage. Wer hat dir telegraphirt?

Hineingehen, schrie Fennimore, empört, daß er ihre feindliche Stimmung
so wenig zu beachten schien. Dahinein? Niemals sollst du deinen ehrlosen
Fuß wieder über diese Schwelle setzen! Wie wagst du es nur, daran zu denken!
du Elender! du falscher Schuft, der, sich hier einschleichend, die Ehre seines
Freundes stahl, weil sie nicht genügend gehütet ward. Was, hast du sie ihm
nicht vor seinen eignen Augen gestohlen, weil er glaubte, daß du ehrlich seist,
du Hausdieb!

Bist du von Sinnen! Was geht mit dir vor? Was für Worte nimmst
du da in den Mund! Er erfaßte sie hart beim Arme und zog sie näher an
sich heran und sah ihr verwundert ins Gesicht. Du mußt dich fassen, fuhr er
in milderem Tone fort, was kann es helfen, Kind, daß du mit so häßlichen
Worten um dich wirfst?

Sie riß ihren Arm los, sodaß er auf seinen Schlittschuhen schwankte.

Kannst du es denn nicht begreifen, daß ich dich hasse? Hast du nicht so
viel von einem ehrlichen Manne in dir, daß du das begreifen kannst? Wie
blind muß ich nicht gewesen sein, als ich dich, Betrüger, liebte, während ich
ihn, der so tausendmal besser war als du, an meiner Seite hatte! Ich werde
dich hassen und verachten bis an mein Lebensende. Damals, als du kamst,
war ich rechtschaffen, ich hatte niemals etwas Schlechtes begangen, aber nun
kamst du und rüstest nicht, als bis du mich zu dir in den Kot herabgezogen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/482>, abgerufen am 22.07.2024.