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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Ricks Lyhne.
I- P. Jacobsen. Roman von
Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortsetzung.)

fiMW"
.vennimore thciute mit ihrer Hand ein Loch in das Eis und trocknete
das Wasser dann sorgfältig mit dem Taschentuche ab.

Noch war draußen auf dem Fjrod niemand zu sehen.

Dann sing sie an, in ihrem Glaskäfig auf und ab zu gehen.

!Es standen keine andern Möbel draußen als ein Sofa aus ge¬
bogenem Holz, und das lag voll von welken Epheublättern, die von den
Ranken oben an der Decke abgefallen waren. Jedesmal, wenn sie daran vor¬
überkam, raschelten die Blätter leise im Luftzug, und hin und wieder fand ihr
Kleid auch ein welkes Blatt auf dem Boden, das es mit kratzenden Laut über
die Dielen nach sich zog.

Auf und nieder ging sie, ihre traurige Wacht haltend, die Arme über die
Brust gekreuzt, sich hart machend gegen die Kälte.
Endlich kam er.

Mit einem Ruck riß sie die Thür auf und trat mit ihren dünnen Schuhen
hinaus in den eisigen Schnee. Sie gönnte es sich, sie hätte barfuß zu diesem
Stelldichein gehen können.

Ricks hatte beim Anblick der schwarzen Gestalt, die sich gegen den hellen
Schnee abhob, gestutzt, und näherte sich langsam mit zögernden, forschenden
Bewegungen dem Lande.

Es war ihr, als verbrenne ihr diese schleichende Gestalt die Augen. Jede
Bewegung, jeder Zug, den sie wiedererkannte, traf sie wie eine schamlose Ver¬
höhnung, gleichsam, als wollte sie mit dem entwürdigenden Geheimnis prahlen.
Sie zitterte vor Haß, ihr Herz schwoll von Verwünschungen, sie konnte ihren
Sinn kaum beherrschen.


Grenzboten III. 1388. 60


Ricks Lyhne.
I- P. Jacobsen. Roman von
Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortsetzung.)

fiMW»
.vennimore thciute mit ihrer Hand ein Loch in das Eis und trocknete
das Wasser dann sorgfältig mit dem Taschentuche ab.

Noch war draußen auf dem Fjrod niemand zu sehen.

Dann sing sie an, in ihrem Glaskäfig auf und ab zu gehen.

!Es standen keine andern Möbel draußen als ein Sofa aus ge¬
bogenem Holz, und das lag voll von welken Epheublättern, die von den
Ranken oben an der Decke abgefallen waren. Jedesmal, wenn sie daran vor¬
überkam, raschelten die Blätter leise im Luftzug, und hin und wieder fand ihr
Kleid auch ein welkes Blatt auf dem Boden, das es mit kratzenden Laut über
die Dielen nach sich zog.

Auf und nieder ging sie, ihre traurige Wacht haltend, die Arme über die
Brust gekreuzt, sich hart machend gegen die Kälte.
Endlich kam er.

Mit einem Ruck riß sie die Thür auf und trat mit ihren dünnen Schuhen
hinaus in den eisigen Schnee. Sie gönnte es sich, sie hätte barfuß zu diesem
Stelldichein gehen können.

Ricks hatte beim Anblick der schwarzen Gestalt, die sich gegen den hellen
Schnee abhob, gestutzt, und näherte sich langsam mit zögernden, forschenden
Bewegungen dem Lande.

Es war ihr, als verbrenne ihr diese schleichende Gestalt die Augen. Jede
Bewegung, jeder Zug, den sie wiedererkannte, traf sie wie eine schamlose Ver¬
höhnung, gleichsam, als wollte sie mit dem entwürdigenden Geheimnis prahlen.
Sie zitterte vor Haß, ihr Herz schwoll von Verwünschungen, sie konnte ihren
Sinn kaum beherrschen.


Grenzboten III. 1388. 60
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[0481] [Abbildung] Ricks Lyhne. I- P. Jacobsen. Roman von Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann. (Fortsetzung.) fiMW» .vennimore thciute mit ihrer Hand ein Loch in das Eis und trocknete das Wasser dann sorgfältig mit dem Taschentuche ab. Noch war draußen auf dem Fjrod niemand zu sehen. Dann sing sie an, in ihrem Glaskäfig auf und ab zu gehen. !Es standen keine andern Möbel draußen als ein Sofa aus ge¬ bogenem Holz, und das lag voll von welken Epheublättern, die von den Ranken oben an der Decke abgefallen waren. Jedesmal, wenn sie daran vor¬ überkam, raschelten die Blätter leise im Luftzug, und hin und wieder fand ihr Kleid auch ein welkes Blatt auf dem Boden, das es mit kratzenden Laut über die Dielen nach sich zog. Auf und nieder ging sie, ihre traurige Wacht haltend, die Arme über die Brust gekreuzt, sich hart machend gegen die Kälte. Endlich kam er. Mit einem Ruck riß sie die Thür auf und trat mit ihren dünnen Schuhen hinaus in den eisigen Schnee. Sie gönnte es sich, sie hätte barfuß zu diesem Stelldichein gehen können. Ricks hatte beim Anblick der schwarzen Gestalt, die sich gegen den hellen Schnee abhob, gestutzt, und näherte sich langsam mit zögernden, forschenden Bewegungen dem Lande. Es war ihr, als verbrenne ihr diese schleichende Gestalt die Augen. Jede Bewegung, jeder Zug, den sie wiedererkannte, traf sie wie eine schamlose Ver¬ höhnung, gleichsam, als wollte sie mit dem entwürdigenden Geheimnis prahlen. Sie zitterte vor Haß, ihr Herz schwoll von Verwünschungen, sie konnte ihren Sinn kaum beherrschen. Grenzboten III. 1388. 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/481>, abgerufen am 22.07.2024.