Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.Niet5 Tyhne. mit ihm herein, und sein Bart war ganz voller kleiner, blitzender Tropfen. Sie lächelte und sah an sich nieder. Und noch immer war der Mond nicht zum Vorschein gekommen. Sie trat wieder ans Fenster, blieb dort stehen und sah in das Dunkel In demselben Augenblicke wendete sie sich nach dem Klavier um, schlug Sie richtete sich auf und ging durchs Zimmer, instinktmäßig ihr Kleid nach Ja wenn wir nun endlich vernünftig würden! sagte sie halblaut, nahm Aber sie konnte nicht fleißig sein, die Hände sanken ihr bald in den Schoß, Sie dachte neugierig darüber nach, ob die andern Frauen auch wohl so Erik hatte auch einmal gesagt, daß er rasend in Frau Boye verliebt ge¬ Niet5 Tyhne. mit ihm herein, und sein Bart war ganz voller kleiner, blitzender Tropfen. Sie lächelte und sah an sich nieder. Und noch immer war der Mond nicht zum Vorschein gekommen. Sie trat wieder ans Fenster, blieb dort stehen und sah in das Dunkel In demselben Augenblicke wendete sie sich nach dem Klavier um, schlug Sie richtete sich auf und ging durchs Zimmer, instinktmäßig ihr Kleid nach Ja wenn wir nun endlich vernünftig würden! sagte sie halblaut, nahm Aber sie konnte nicht fleißig sein, die Hände sanken ihr bald in den Schoß, Sie dachte neugierig darüber nach, ob die andern Frauen auch wohl so Erik hatte auch einmal gesagt, daß er rasend in Frau Boye verliebt ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0434" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289557"/> <fw type="header" place="top"> Niet5 Tyhne.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1467" prev="#ID_1466"> mit ihm herein, und sein Bart war ganz voller kleiner, blitzender Tropfen.<lb/> Dann würde er sagen — ja was würde er wohl sagen?</p><lb/> <p xml:id="ID_1468"> Sie lächelte und sah an sich nieder.</p><lb/> <p xml:id="ID_1469"> Und noch immer war der Mond nicht zum Vorschein gekommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1470"> Sie trat wieder ans Fenster, blieb dort stehen und sah in das Dunkel<lb/> hinaus, bis kleine Funken und regenbogenfarbene Ringe vor ihren Augen tanzten.<lb/> Aber sie waren nur so unbestimmt da. Sie hätte es gern gesehen, wenn da<lb/> draußen ein Feuerwerk gewesen wären, Raketen, die in einem langen, langen<lb/> Streifen in die Luft aufstiegen und dann zu kleinen Würmern würden, die sich<lb/> in den Himmel einbohrten und mit einem Knall verschwänden, oder auch eine<lb/> große, große matte Kugel, die zitternd in die Höhe schwebte und dann langsam<lb/> in einem Regen von tauscndfarbigen Sternen herabsänke. Sieh, sieh doch!<lb/> so weich und rund wie ein Neigen, ganz wie ein Goldregen, der sich herab¬<lb/> neigt. Lebt wohl! Lebt wohl! Das waren die letzten. Du großer Gott, daß<lb/> er auch nicht kam! Und sie wollte nicht spielen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1471"> In demselben Augenblicke wendete sie sich nach dem Klavier um, schlug<lb/> eine Oktave hart an und hielt die Tasten so lange fest, bis der Ton ganz er-<lb/> storben war, und das wiederholte sie wieder und wieder. Sie wollte nicht<lb/> spielen, nein, nicht spielen, aber tanzen! Einen Augenblick schloß sie ihre Augen<lb/> und brauste in Gedanken dahin durch einen unermeßlichen Saal von Rot, Weiß<lb/> und Gold. Wie herrlich wäre es, zu tanzen, warm zu werden und Champagner<lb/> zu trinken! Dann mußte sie daran denken, wie sie einmal, als sie noch in die<lb/> Schule ging, zusammen mit einer Freundin Champagner aus Sodawasser und<lb/> Eau de Cologne gemacht hatte, und wie sie beide so krank von dem Getränk<lb/> geworden waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1472"> Sie richtete sich auf und ging durchs Zimmer, instinktmäßig ihr Kleid nach<lb/> dem Tanze ordnend.</p><lb/> <p xml:id="ID_1473"> Ja wenn wir nun endlich vernünftig würden! sagte sie halblaut, nahm<lb/> ihre Arbeit und setzte sich in den großen Lehnstuhl bei der Lampe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1474"> Aber sie konnte nicht fleißig sein, die Hände sanken ihr bald in den Schoß,<lb/> und ganz allmählich, mit kleinen Bewegungen, machte sie es sich in dem großen<lb/> Stuhle behaglich, sich darin zurückkehrend, das Kinn in die Hand gestützt und<lb/> das Kleid über die Füße gezogen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1475"> Sie dachte neugierig darüber nach, ob die andern Frauen auch wohl so<lb/> wären wie sie, ob auch sie sich geirrt hätten und unglücklich gewesen wären<lb/> und dann einen andern geliebt hätten. Sie nahm die Damen von Fjordby<lb/> eine nach der andern durch, dann dachte sie plötzlich an Frau Boye; sie war<lb/> immer ein peinigendes Rätsel für sie gewesen, diese Frau, die sie haßte und von<lb/> der sie sich gedemütigt fühlte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1476"> Erik hatte auch einmal gesagt, daß er rasend in Frau Boye verliebt ge¬<lb/> wesen sei.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0434]
Niet5 Tyhne.
mit ihm herein, und sein Bart war ganz voller kleiner, blitzender Tropfen.
Dann würde er sagen — ja was würde er wohl sagen?
Sie lächelte und sah an sich nieder.
Und noch immer war der Mond nicht zum Vorschein gekommen.
Sie trat wieder ans Fenster, blieb dort stehen und sah in das Dunkel
hinaus, bis kleine Funken und regenbogenfarbene Ringe vor ihren Augen tanzten.
Aber sie waren nur so unbestimmt da. Sie hätte es gern gesehen, wenn da
draußen ein Feuerwerk gewesen wären, Raketen, die in einem langen, langen
Streifen in die Luft aufstiegen und dann zu kleinen Würmern würden, die sich
in den Himmel einbohrten und mit einem Knall verschwänden, oder auch eine
große, große matte Kugel, die zitternd in die Höhe schwebte und dann langsam
in einem Regen von tauscndfarbigen Sternen herabsänke. Sieh, sieh doch!
so weich und rund wie ein Neigen, ganz wie ein Goldregen, der sich herab¬
neigt. Lebt wohl! Lebt wohl! Das waren die letzten. Du großer Gott, daß
er auch nicht kam! Und sie wollte nicht spielen.
In demselben Augenblicke wendete sie sich nach dem Klavier um, schlug
eine Oktave hart an und hielt die Tasten so lange fest, bis der Ton ganz er-
storben war, und das wiederholte sie wieder und wieder. Sie wollte nicht
spielen, nein, nicht spielen, aber tanzen! Einen Augenblick schloß sie ihre Augen
und brauste in Gedanken dahin durch einen unermeßlichen Saal von Rot, Weiß
und Gold. Wie herrlich wäre es, zu tanzen, warm zu werden und Champagner
zu trinken! Dann mußte sie daran denken, wie sie einmal, als sie noch in die
Schule ging, zusammen mit einer Freundin Champagner aus Sodawasser und
Eau de Cologne gemacht hatte, und wie sie beide so krank von dem Getränk
geworden waren.
Sie richtete sich auf und ging durchs Zimmer, instinktmäßig ihr Kleid nach
dem Tanze ordnend.
Ja wenn wir nun endlich vernünftig würden! sagte sie halblaut, nahm
ihre Arbeit und setzte sich in den großen Lehnstuhl bei der Lampe.
Aber sie konnte nicht fleißig sein, die Hände sanken ihr bald in den Schoß,
und ganz allmählich, mit kleinen Bewegungen, machte sie es sich in dem großen
Stuhle behaglich, sich darin zurückkehrend, das Kinn in die Hand gestützt und
das Kleid über die Füße gezogen.
Sie dachte neugierig darüber nach, ob die andern Frauen auch wohl so
wären wie sie, ob auch sie sich geirrt hätten und unglücklich gewesen wären
und dann einen andern geliebt hätten. Sie nahm die Damen von Fjordby
eine nach der andern durch, dann dachte sie plötzlich an Frau Boye; sie war
immer ein peinigendes Rätsel für sie gewesen, diese Frau, die sie haßte und von
der sie sich gedemütigt fühlte.
Erik hatte auch einmal gesagt, daß er rasend in Frau Boye verliebt ge¬
wesen sei.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |