Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

312Erinnerungen aus Alt-Jena.
wurden, gehörten die "Rosenkonzerte," die von Zeit 'zu Zeit unter Mitw
von Weimarer Künstlern im Saale der "Rose" aufgeführt wurden,
die "Nosenvorlesungen," die, wie erwähnt, seit mehreren Jahren von G
ins Leben gerufen worden waren. Es hatten ihm dabei als unmittelbare
spiel die öffentlichen Vorträge in der Berliner Singakademie vorgeschwe
Friedrich von Raumer zu populäre" Zwecken nach englischem Muster do
erst eingeführt hatte. Seitdem hat jenes Beispiel immer häufigere Nacha
gefunden, und es giebt jetzt wohl keine größere Stadt in Deutschland, di
ein Gewicht darauf legte, sich ein so genußreiches Bildungsmittel zu vers
In Jena war diese Einrichtung von Anfang an in hohem Grade beliebt
die ältern und berühmtesten unter den Professoren, wie Hase und Gö
haben es nicht verschmäht, auf diesem Wege ihre Wissenschaft zu pop
siren. Soviel ich weiß, hat sich diese Sitte in Jena bis auf den heutige
erhalten.
Eine Gelegenheit zu regelmäßigem, fast täglichem Zusammentreffen b
nahe gelegene Dorf Löbstedt, wohin in der guten Jahreszeit längs der
über die erlenbesetzten Wiesen mehr als ein freundlicher Weg führte. Ein

zahl Professoren fand sich fast regelmäßig und bei jedem Wetter bei
schlichten Tasse Kaffee im Wirtshause zusammen, während Sonnabends si
eine größere Gesellschaft auch in Begleitung der Frauen hier vereinigte.
Hase zählte zu den selten fehlenden Gästen der Präsident des Oberappella
gerichtes, Friedrich Ortloff, ein ausgezeichneter Jurist und ungemein angen
Gesellschafter, durchaus einfach in seinem Wesen, konservativer Denkung
und untadelhaft von Charakter. In der Politik mußte man ihn wohl z
Anhängern der alten Schule zählen, ich weiß daher nicht, ob er den gewa
Unigestaltungen der Neuzeit seinen unbedingten Beifall gezollt haben
Sein Gesichtskreis war im übrigen weit genug, seine Arbeitskraft ungewö
groß; bekanntlich ist er bis an sein Ende wissenschaftlich thätig gewesen. H
ien u. a. auäu der erauseber der Minerva" Dr. ri

öetergg",
Braun. Die "Minerva," eine ursprünglich von Archenholz gegründete Zeits
hielt sich jetzt mit Mühe über dem Wasser; der Herausgeber ließ es ni
sich fehlen, die gesunkene Teilnahme wieder aufzufrischen, doch waren sein
strengungen von so unzureichenden Erfolge begleitet, daß die Zeitschrift
dem Verlaufe einiger Jahre zu erscheinen aufhörte.
Unter den Familien, deren Haus in Jena eine besondre Anziehung
besaß, stand seit langer Zeit das Frommannsche in erster Reihe. Die Übe
rungen desselben reichten in die klassische Zeit zurück; es ist bekannt, daß G
dort gern aus- und einging, und jeder gebildete Fremde war dort ein
kommener Gast. Der "alte Frommann," der hochbejahrt erst vor kurze
orbenit, war eine Natur von etemSrot und Korn, nitoneAnla


312Erinnerungen aus Alt-Jena.
wurden, gehörten die „Rosenkonzerte," die von Zeit 'zu Zeit unter Mitw
von Weimarer Künstlern im Saale der „Rose" aufgeführt wurden,
die „Nosenvorlesungen," die, wie erwähnt, seit mehreren Jahren von G
ins Leben gerufen worden waren. Es hatten ihm dabei als unmittelbare
spiel die öffentlichen Vorträge in der Berliner Singakademie vorgeschwe
Friedrich von Raumer zu populäre» Zwecken nach englischem Muster do
erst eingeführt hatte. Seitdem hat jenes Beispiel immer häufigere Nacha
gefunden, und es giebt jetzt wohl keine größere Stadt in Deutschland, di
ein Gewicht darauf legte, sich ein so genußreiches Bildungsmittel zu vers
In Jena war diese Einrichtung von Anfang an in hohem Grade beliebt
die ältern und berühmtesten unter den Professoren, wie Hase und Gö
haben es nicht verschmäht, auf diesem Wege ihre Wissenschaft zu pop
siren. Soviel ich weiß, hat sich diese Sitte in Jena bis auf den heutige
erhalten.
Eine Gelegenheit zu regelmäßigem, fast täglichem Zusammentreffen b
nahe gelegene Dorf Löbstedt, wohin in der guten Jahreszeit längs der
über die erlenbesetzten Wiesen mehr als ein freundlicher Weg führte. Ein

zahl Professoren fand sich fast regelmäßig und bei jedem Wetter bei
schlichten Tasse Kaffee im Wirtshause zusammen, während Sonnabends si
eine größere Gesellschaft auch in Begleitung der Frauen hier vereinigte.
Hase zählte zu den selten fehlenden Gästen der Präsident des Oberappella
gerichtes, Friedrich Ortloff, ein ausgezeichneter Jurist und ungemein angen
Gesellschafter, durchaus einfach in seinem Wesen, konservativer Denkung
und untadelhaft von Charakter. In der Politik mußte man ihn wohl z
Anhängern der alten Schule zählen, ich weiß daher nicht, ob er den gewa
Unigestaltungen der Neuzeit seinen unbedingten Beifall gezollt haben
Sein Gesichtskreis war im übrigen weit genug, seine Arbeitskraft ungewö
groß; bekanntlich ist er bis an sein Ende wissenschaftlich thätig gewesen. H
ien u. a. auäu der erauseber der Minerva" Dr. ri

öetergg„,
Braun. Die „Minerva," eine ursprünglich von Archenholz gegründete Zeits
hielt sich jetzt mit Mühe über dem Wasser; der Herausgeber ließ es ni
sich fehlen, die gesunkene Teilnahme wieder aufzufrischen, doch waren sein
strengungen von so unzureichenden Erfolge begleitet, daß die Zeitschrift
dem Verlaufe einiger Jahre zu erscheinen aufhörte.
Unter den Familien, deren Haus in Jena eine besondre Anziehung
besaß, stand seit langer Zeit das Frommannsche in erster Reihe. Die Übe
rungen desselben reichten in die klassische Zeit zurück; es ist bekannt, daß G
dort gern aus- und einging, und jeder gebildete Fremde war dort ein
kommener Gast. Der „alte Frommann," der hochbejahrt erst vor kurze
orbenit, war eine Natur von etemSrot und Korn, nitoneAnla


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0320" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289443"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1055" prev="#ID_1054"> 312Erinnerungen aus Alt-Jena.<lb/>
wurden, gehörten die &#x201E;Rosenkonzerte," die von Zeit 'zu Zeit unter Mitw<lb/>
von Weimarer Künstlern im Saale der &#x201E;Rose" aufgeführt wurden,<lb/>
die &#x201E;Nosenvorlesungen," die, wie erwähnt, seit mehreren Jahren von G<lb/>
ins Leben gerufen worden waren. Es hatten ihm dabei als unmittelbare<lb/>
spiel die öffentlichen Vorträge in der Berliner Singakademie vorgeschwe<lb/>
Friedrich von Raumer zu populäre» Zwecken nach englischem Muster do<lb/>
erst eingeführt hatte. Seitdem hat jenes Beispiel immer häufigere Nacha<lb/>
gefunden, und es giebt jetzt wohl keine größere Stadt in Deutschland, di<lb/>
ein Gewicht darauf legte, sich ein so genußreiches Bildungsmittel zu vers<lb/>
In Jena war diese Einrichtung von Anfang an in hohem Grade beliebt<lb/>
die ältern und berühmtesten unter den Professoren, wie Hase und Gö<lb/>
haben es nicht verschmäht, auf diesem Wege ihre Wissenschaft zu pop<lb/>
siren. Soviel ich weiß, hat sich diese Sitte in Jena bis auf den heutige<lb/>
erhalten.<lb/>
Eine Gelegenheit zu regelmäßigem, fast täglichem Zusammentreffen b<lb/>
nahe gelegene Dorf Löbstedt, wohin in der guten Jahreszeit längs der<lb/>
über die erlenbesetzten Wiesen mehr als ein freundlicher Weg führte. Ein</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1056"> zahl Professoren fand sich fast regelmäßig und bei jedem Wetter bei<lb/>
schlichten Tasse Kaffee im Wirtshause zusammen, während Sonnabends si<lb/>
eine größere Gesellschaft auch in Begleitung der Frauen hier vereinigte.<lb/>
Hase zählte zu den selten fehlenden Gästen der Präsident des Oberappella<lb/>
gerichtes, Friedrich Ortloff, ein ausgezeichneter Jurist und ungemein angen<lb/>
Gesellschafter, durchaus einfach in seinem Wesen, konservativer Denkung<lb/>
und untadelhaft von Charakter. In der Politik mußte man ihn wohl z<lb/>
Anhängern der alten Schule zählen, ich weiß daher nicht, ob er den gewa<lb/>
Unigestaltungen der Neuzeit seinen unbedingten Beifall gezollt haben<lb/>
Sein Gesichtskreis war im übrigen weit genug, seine Arbeitskraft ungewö<lb/>
groß; bekanntlich ist er bis an sein Ende wissenschaftlich thätig gewesen. H<lb/>
ien u. a. auäu der erauseber der Minerva" Dr. ri</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1057" next="#ID_1058"> öetergg&#x201E;,<lb/>
Braun. Die &#x201E;Minerva," eine ursprünglich von Archenholz gegründete Zeits<lb/>
hielt sich jetzt mit Mühe über dem Wasser; der Herausgeber ließ es ni<lb/>
sich fehlen, die gesunkene Teilnahme wieder aufzufrischen, doch waren sein<lb/>
strengungen von so unzureichenden Erfolge begleitet, daß die Zeitschrift<lb/>
dem Verlaufe einiger Jahre zu erscheinen aufhörte.<lb/>
Unter den Familien, deren Haus in Jena eine besondre Anziehung<lb/>
besaß, stand seit langer Zeit das Frommannsche in erster Reihe. Die Übe<lb/>
rungen desselben reichten in die klassische Zeit zurück; es ist bekannt, daß G<lb/>
dort gern aus- und einging, und jeder gebildete Fremde war dort ein<lb/>
kommener Gast. Der &#x201E;alte Frommann," der hochbejahrt erst vor kurze<lb/>
orbenit, war eine Natur von etemSrot und Korn, nitoneAnla</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0320] 312Erinnerungen aus Alt-Jena. wurden, gehörten die „Rosenkonzerte," die von Zeit 'zu Zeit unter Mitw von Weimarer Künstlern im Saale der „Rose" aufgeführt wurden, die „Nosenvorlesungen," die, wie erwähnt, seit mehreren Jahren von G ins Leben gerufen worden waren. Es hatten ihm dabei als unmittelbare spiel die öffentlichen Vorträge in der Berliner Singakademie vorgeschwe Friedrich von Raumer zu populäre» Zwecken nach englischem Muster do erst eingeführt hatte. Seitdem hat jenes Beispiel immer häufigere Nacha gefunden, und es giebt jetzt wohl keine größere Stadt in Deutschland, di ein Gewicht darauf legte, sich ein so genußreiches Bildungsmittel zu vers In Jena war diese Einrichtung von Anfang an in hohem Grade beliebt die ältern und berühmtesten unter den Professoren, wie Hase und Gö haben es nicht verschmäht, auf diesem Wege ihre Wissenschaft zu pop siren. Soviel ich weiß, hat sich diese Sitte in Jena bis auf den heutige erhalten. Eine Gelegenheit zu regelmäßigem, fast täglichem Zusammentreffen b nahe gelegene Dorf Löbstedt, wohin in der guten Jahreszeit längs der über die erlenbesetzten Wiesen mehr als ein freundlicher Weg führte. Ein zahl Professoren fand sich fast regelmäßig und bei jedem Wetter bei schlichten Tasse Kaffee im Wirtshause zusammen, während Sonnabends si eine größere Gesellschaft auch in Begleitung der Frauen hier vereinigte. Hase zählte zu den selten fehlenden Gästen der Präsident des Oberappella gerichtes, Friedrich Ortloff, ein ausgezeichneter Jurist und ungemein angen Gesellschafter, durchaus einfach in seinem Wesen, konservativer Denkung und untadelhaft von Charakter. In der Politik mußte man ihn wohl z Anhängern der alten Schule zählen, ich weiß daher nicht, ob er den gewa Unigestaltungen der Neuzeit seinen unbedingten Beifall gezollt haben Sein Gesichtskreis war im übrigen weit genug, seine Arbeitskraft ungewö groß; bekanntlich ist er bis an sein Ende wissenschaftlich thätig gewesen. H ien u. a. auäu der erauseber der Minerva" Dr. ri öetergg„, Braun. Die „Minerva," eine ursprünglich von Archenholz gegründete Zeits hielt sich jetzt mit Mühe über dem Wasser; der Herausgeber ließ es ni sich fehlen, die gesunkene Teilnahme wieder aufzufrischen, doch waren sein strengungen von so unzureichenden Erfolge begleitet, daß die Zeitschrift dem Verlaufe einiger Jahre zu erscheinen aufhörte. Unter den Familien, deren Haus in Jena eine besondre Anziehung besaß, stand seit langer Zeit das Frommannsche in erster Reihe. Die Übe rungen desselben reichten in die klassische Zeit zurück; es ist bekannt, daß G dort gern aus- und einging, und jeder gebildete Fremde war dort ein kommener Gast. Der „alte Frommann," der hochbejahrt erst vor kurze orbenit, war eine Natur von etemSrot und Korn, nitoneAnla

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/320
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/320>, abgerufen am 24.08.2024.