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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Das "achgelassene Werk Immanuel Aants,

eifrigen Zusammenwirken der gesetzgebenden und beratenden Kreise gelingen möge,
die große Frage der Alters- und Jnvalidenversorgung recht bald in einer Weise
zu lösen, die dem Gesamtwohl entspricht und die Lösung der sozialen Frage
wieder einen tüchtigen Schritt vorwärts bringt.


Lügen Nübling.


Das nachgelassene Werk Emmanuel Kants.
von A. Classen. (Schluß.)

>>
^.-l^-;'eher das Wesen der Materie selbst hat sich Kant im Laufe
der Jahre zu immer reiferer Ansicht durchgearbeitet. Er braucht
anfänglich immer den Ausdruck Wärmestoff, den er den An¬
schauungen seiner Zeitgenossen entnahm, und folgt dabei der
damals (auch wohl heute noch) geltenden Hypothese, daß es
zweierlei Stoffe gebe, die wägbaren (ponderabeln) und die unwägbaren (im-
ponderabeln). Der unwägbare Wärmestoff sollte alles andre durchdringen
und durch seine eignen Schwingungen die wägbaren Stoffe in Bewegung und
Erschütterung der kleinsten Teile versetzen. Bei fortgesetzten kritischen Unter¬
suchungen aber entstehen ihm zunächst Zweifel, ob eine solche Hypothese eines
eigentümlichen Stoffes nötig sei, um die Schwingungen und Erschütterungen
der wägbaren Materie zu erklären. Schließlich spricht er es aus, daß Wärme
nichts sei als innere oscillatorische (schwingende) Bewegung oder Erschütterung der
kleinsten Teile aller Materie überhaupt, ohne daß dazu ein besondrer durch¬
dringender Stoff erfordert werde. Es giebt daher weder eine wägbare Materie,
die mit unwägbaren Stoffen durchsetzt wäre, noch einen unwägbaren Stoff, der
als Hülle der Atome diente (wie heute noch die Ätherhüllen hypothesirt werden),
sondern es giebt nur eine Materie, deren beide konstituirende Kräfte Anziehung
und Abstoßung sind, bekannt unter den Namen Gravitation und Wärme.

In den metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft hatte Kant
gezeigt, wie man die Materie als dasjenige, was beweglich ist und den Raum
erfüllt, beurteilen müsse, indem man alle Funktionen des Denkens auf sie
anwendet. Jetzt untersucht er die Kräfte selbst, die der Materie ihre Eigen¬
schaften geben. Weil die Materie nur durch Bewegung erkannt werden kann,
indem sie unsre Sinnesnervcn in Erschütterung setzt, so existirt sie für uns nicht


Das »achgelassene Werk Immanuel Aants,

eifrigen Zusammenwirken der gesetzgebenden und beratenden Kreise gelingen möge,
die große Frage der Alters- und Jnvalidenversorgung recht bald in einer Weise
zu lösen, die dem Gesamtwohl entspricht und die Lösung der sozialen Frage
wieder einen tüchtigen Schritt vorwärts bringt.


Lügen Nübling.


Das nachgelassene Werk Emmanuel Kants.
von A. Classen. (Schluß.)

>>
^.-l^-;'eher das Wesen der Materie selbst hat sich Kant im Laufe
der Jahre zu immer reiferer Ansicht durchgearbeitet. Er braucht
anfänglich immer den Ausdruck Wärmestoff, den er den An¬
schauungen seiner Zeitgenossen entnahm, und folgt dabei der
damals (auch wohl heute noch) geltenden Hypothese, daß es
zweierlei Stoffe gebe, die wägbaren (ponderabeln) und die unwägbaren (im-
ponderabeln). Der unwägbare Wärmestoff sollte alles andre durchdringen
und durch seine eignen Schwingungen die wägbaren Stoffe in Bewegung und
Erschütterung der kleinsten Teile versetzen. Bei fortgesetzten kritischen Unter¬
suchungen aber entstehen ihm zunächst Zweifel, ob eine solche Hypothese eines
eigentümlichen Stoffes nötig sei, um die Schwingungen und Erschütterungen
der wägbaren Materie zu erklären. Schließlich spricht er es aus, daß Wärme
nichts sei als innere oscillatorische (schwingende) Bewegung oder Erschütterung der
kleinsten Teile aller Materie überhaupt, ohne daß dazu ein besondrer durch¬
dringender Stoff erfordert werde. Es giebt daher weder eine wägbare Materie,
die mit unwägbaren Stoffen durchsetzt wäre, noch einen unwägbaren Stoff, der
als Hülle der Atome diente (wie heute noch die Ätherhüllen hypothesirt werden),
sondern es giebt nur eine Materie, deren beide konstituirende Kräfte Anziehung
und Abstoßung sind, bekannt unter den Namen Gravitation und Wärme.

In den metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft hatte Kant
gezeigt, wie man die Materie als dasjenige, was beweglich ist und den Raum
erfüllt, beurteilen müsse, indem man alle Funktionen des Denkens auf sie
anwendet. Jetzt untersucht er die Kräfte selbst, die der Materie ihre Eigen¬
schaften geben. Weil die Materie nur durch Bewegung erkannt werden kann,
indem sie unsre Sinnesnervcn in Erschütterung setzt, so existirt sie für uns nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/308>, abgerufen am 22.07.2024.