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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Zur Alters- und Jnvalidenversorgung.

Die Feststellung der Rcntcnbeträge erfolgt nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen durch die Berufsgenossenschaft, der der Berechtigte zuletzt angehört
hat, unter Mitwirkung der für die Unfallversicherung geschaffenen berufsgenossen¬
schaftlichen Schiedsgerichte und Berufung an das Reichsversichernngsamt in
Streitfällen. Die Bezahlung der Rentcnbeträge besorgt die Post in monatlichen
Raten wie die Bezahlung der Unfallentschädigungen.

Die Mittel für die Rentenbeträge haben zu einem Drittel das Reich, zu
zwei Dritteln die Berufsgenossenschaften aufzubringen, in deren Betrieben der
betreffende Rentenberechtigte während seines Lebens gearbeitet hat, und zwar
im Verhältnis zu der Zeit, während deren er laut den Eintragen in seinem
Arbeitsbuche diesen Berufsgenossenschaften angehört hat. Die Deckung der
hierdurch für die Berufsgenossenschaften entstehenden Kosten geschieht wie folgt.
Alljährlich ist von sämtlichen Arbeitgebern ein Namcnsverzeichnis der im letzten
Rechnungsjahre beschäftigt gewesenen Arbeiter bei der Berufsgenossenschaft ein¬
zureichen, bei jedem Arbeiter anzugeben, wie viele Wochen er in dem Betriebe
beschäftigt gewesen ist, und sodann die Summe der Arbeitswochen zusammen¬
zuzählen. Diese Summe bildet die Grundlage für das Verhältnis, nach welchem
die einzelnen Betriebe an der von der Berufsgenossenschaft an das Reichs¬
versicherungsamt zu zahlenden Summe teilnehmen, während die Arbeitgeber
ihrerseits das Recht haben, die Hälfte der von ihnen zu Zwecken der Alters¬
und Juvalidenversorgung an die Genossenschaft bezahlten Summe von den
Arbeitern sich durch regelmüßige Lohnabzüge ersetzen zu lassen. Für die Zeit
des Überganges wird sich vielleicht empfehlen, den Berufsgenossenschaften die
Bildung eines Reservefonds ähnlich wie bei der Unfallversicherung vorzuschreiben.

Dies ist in möglichst gedrängten Zügen der Vorschlag, den ich zu machen
habe. Man sieht, er ist bestrebt, überall, soviel als nur möglich, an Bestehendes
anzuknüpfen. Die Schaffung neuer Verbände fällt weg, und die ganze Ein¬
richtung schließt sich eng der Unfallversicherung an. Durch Einführung des
reinen Umlageverfahrens wird die ganze Einrichtung so einfach als möglich,
insbesondre fällt das geplante, bereits so vielfach angegriffene Markenbuch voll¬
ständig weg. Aber auch ein weiterer Wunsch mancher Kreise, namentlich
Schäffles, könnte bei der angegebenen Art der Einrichtung, wenn auch nicht
gleich, so doch vielleicht mit der Zeit, mit leichter Mühe Berücksichtigung finden,
es wäre die Einführung einer gewissen Verhältnismäßigkeit zwischen Lohn- und
Rentenbetrag. Die Rente müßte durchaus nicht für alle Arbeiter gleich fest¬
gesetzt sein. Jede Berufsgenossenschaft könnte mit der Zeit ihre Rentensätze
anders festsetzen, ohne daß hierdurch eine Änderung der Organisation erforderlich
würde.

0n rsvisut touMrs ü, öff xromiors amour8. Möge das alte Sprichwort
auch hier wieder Geltung haben und die Berufsgenossenschaft zu ihrem Rechte
kommen. Ich schließe diese Zeilen mit dem herzlichen Wunsche, daß es dem


Zur Alters- und Jnvalidenversorgung.

Die Feststellung der Rcntcnbeträge erfolgt nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen durch die Berufsgenossenschaft, der der Berechtigte zuletzt angehört
hat, unter Mitwirkung der für die Unfallversicherung geschaffenen berufsgenossen¬
schaftlichen Schiedsgerichte und Berufung an das Reichsversichernngsamt in
Streitfällen. Die Bezahlung der Rentcnbeträge besorgt die Post in monatlichen
Raten wie die Bezahlung der Unfallentschädigungen.

Die Mittel für die Rentenbeträge haben zu einem Drittel das Reich, zu
zwei Dritteln die Berufsgenossenschaften aufzubringen, in deren Betrieben der
betreffende Rentenberechtigte während seines Lebens gearbeitet hat, und zwar
im Verhältnis zu der Zeit, während deren er laut den Eintragen in seinem
Arbeitsbuche diesen Berufsgenossenschaften angehört hat. Die Deckung der
hierdurch für die Berufsgenossenschaften entstehenden Kosten geschieht wie folgt.
Alljährlich ist von sämtlichen Arbeitgebern ein Namcnsverzeichnis der im letzten
Rechnungsjahre beschäftigt gewesenen Arbeiter bei der Berufsgenossenschaft ein¬
zureichen, bei jedem Arbeiter anzugeben, wie viele Wochen er in dem Betriebe
beschäftigt gewesen ist, und sodann die Summe der Arbeitswochen zusammen¬
zuzählen. Diese Summe bildet die Grundlage für das Verhältnis, nach welchem
die einzelnen Betriebe an der von der Berufsgenossenschaft an das Reichs¬
versicherungsamt zu zahlenden Summe teilnehmen, während die Arbeitgeber
ihrerseits das Recht haben, die Hälfte der von ihnen zu Zwecken der Alters¬
und Juvalidenversorgung an die Genossenschaft bezahlten Summe von den
Arbeitern sich durch regelmüßige Lohnabzüge ersetzen zu lassen. Für die Zeit
des Überganges wird sich vielleicht empfehlen, den Berufsgenossenschaften die
Bildung eines Reservefonds ähnlich wie bei der Unfallversicherung vorzuschreiben.

Dies ist in möglichst gedrängten Zügen der Vorschlag, den ich zu machen
habe. Man sieht, er ist bestrebt, überall, soviel als nur möglich, an Bestehendes
anzuknüpfen. Die Schaffung neuer Verbände fällt weg, und die ganze Ein¬
richtung schließt sich eng der Unfallversicherung an. Durch Einführung des
reinen Umlageverfahrens wird die ganze Einrichtung so einfach als möglich,
insbesondre fällt das geplante, bereits so vielfach angegriffene Markenbuch voll¬
ständig weg. Aber auch ein weiterer Wunsch mancher Kreise, namentlich
Schäffles, könnte bei der angegebenen Art der Einrichtung, wenn auch nicht
gleich, so doch vielleicht mit der Zeit, mit leichter Mühe Berücksichtigung finden,
es wäre die Einführung einer gewissen Verhältnismäßigkeit zwischen Lohn- und
Rentenbetrag. Die Rente müßte durchaus nicht für alle Arbeiter gleich fest¬
gesetzt sein. Jede Berufsgenossenschaft könnte mit der Zeit ihre Rentensätze
anders festsetzen, ohne daß hierdurch eine Änderung der Organisation erforderlich
würde.

0n rsvisut touMrs ü, öff xromiors amour8. Möge das alte Sprichwort
auch hier wieder Geltung haben und die Berufsgenossenschaft zu ihrem Rechte
kommen. Ich schließe diese Zeilen mit dem herzlichen Wunsche, daß es dem


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[0307] Zur Alters- und Jnvalidenversorgung. Die Feststellung der Rcntcnbeträge erfolgt nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen durch die Berufsgenossenschaft, der der Berechtigte zuletzt angehört hat, unter Mitwirkung der für die Unfallversicherung geschaffenen berufsgenossen¬ schaftlichen Schiedsgerichte und Berufung an das Reichsversichernngsamt in Streitfällen. Die Bezahlung der Rentcnbeträge besorgt die Post in monatlichen Raten wie die Bezahlung der Unfallentschädigungen. Die Mittel für die Rentenbeträge haben zu einem Drittel das Reich, zu zwei Dritteln die Berufsgenossenschaften aufzubringen, in deren Betrieben der betreffende Rentenberechtigte während seines Lebens gearbeitet hat, und zwar im Verhältnis zu der Zeit, während deren er laut den Eintragen in seinem Arbeitsbuche diesen Berufsgenossenschaften angehört hat. Die Deckung der hierdurch für die Berufsgenossenschaften entstehenden Kosten geschieht wie folgt. Alljährlich ist von sämtlichen Arbeitgebern ein Namcnsverzeichnis der im letzten Rechnungsjahre beschäftigt gewesenen Arbeiter bei der Berufsgenossenschaft ein¬ zureichen, bei jedem Arbeiter anzugeben, wie viele Wochen er in dem Betriebe beschäftigt gewesen ist, und sodann die Summe der Arbeitswochen zusammen¬ zuzählen. Diese Summe bildet die Grundlage für das Verhältnis, nach welchem die einzelnen Betriebe an der von der Berufsgenossenschaft an das Reichs¬ versicherungsamt zu zahlenden Summe teilnehmen, während die Arbeitgeber ihrerseits das Recht haben, die Hälfte der von ihnen zu Zwecken der Alters¬ und Juvalidenversorgung an die Genossenschaft bezahlten Summe von den Arbeitern sich durch regelmüßige Lohnabzüge ersetzen zu lassen. Für die Zeit des Überganges wird sich vielleicht empfehlen, den Berufsgenossenschaften die Bildung eines Reservefonds ähnlich wie bei der Unfallversicherung vorzuschreiben. Dies ist in möglichst gedrängten Zügen der Vorschlag, den ich zu machen habe. Man sieht, er ist bestrebt, überall, soviel als nur möglich, an Bestehendes anzuknüpfen. Die Schaffung neuer Verbände fällt weg, und die ganze Ein¬ richtung schließt sich eng der Unfallversicherung an. Durch Einführung des reinen Umlageverfahrens wird die ganze Einrichtung so einfach als möglich, insbesondre fällt das geplante, bereits so vielfach angegriffene Markenbuch voll¬ ständig weg. Aber auch ein weiterer Wunsch mancher Kreise, namentlich Schäffles, könnte bei der angegebenen Art der Einrichtung, wenn auch nicht gleich, so doch vielleicht mit der Zeit, mit leichter Mühe Berücksichtigung finden, es wäre die Einführung einer gewissen Verhältnismäßigkeit zwischen Lohn- und Rentenbetrag. Die Rente müßte durchaus nicht für alle Arbeiter gleich fest¬ gesetzt sein. Jede Berufsgenossenschaft könnte mit der Zeit ihre Rentensätze anders festsetzen, ohne daß hierdurch eine Änderung der Organisation erforderlich würde. 0n rsvisut touMrs ü, öff xromiors amour8. Möge das alte Sprichwort auch hier wieder Geltung haben und die Berufsgenossenschaft zu ihrem Rechte kommen. Ich schließe diese Zeilen mit dem herzlichen Wunsche, daß es dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/307>, abgerufen am 22.07.2024.