Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das tvahlkartell und die Areuzzeitnngspartei,

durch das Kartell gewonnenen zu demi alten Elende unter der Herrschaft des
Dreigestirns Richter-Windthorst-Grillenberger zu vermeiden. ... Fragt man,
wer diese Stellungnahme und Beurteilungsweise empfiehlt, so antworten wir:
Die konservative Parteileitung, die parlamentarischen Vertreter unsrer Partei
im deutschen Reichstage bis auf vielleicht verschwindende Ausnahmen, zumal
auch die außerpreußischen, unter denen man die sächsischen verdientermaßen
höchlichst lobt. . . . Dieser erprobten Leitung der konservativen Partei steht eine
Gruppe von Zeitungsredaktionen gegenüber, die Verdikte darüber abgeben, wer
die Bezeichnung konservativ verdient, ohne zu dieser Ausmusterungsthätigkeit
mehr als eine sich selbst erteilte Befugnis zu haben, und deren Versuche, ein
terroristisches Regiment einer Gruppe der Konservativen über die ganze Partei
aufzurichten, wir hiermit zurückweisen. . .. Die konservativen Wähler haben, als
es zur Verwirklichung des Kartellgedankens kam, den Widerstand dieser Blätter
dagegen beiseite geschoben, und wir dürfen hoffen, daß sie auch jetzt der Stimme
bewährter Ratgeber folgen werden, von denen ihnen, wenn die Entscheidungs¬
stunde schlägt, nichts empfohlen werden wird, als was dem wahren Interesse
des Vaterlandes und zugleich dem der konservativen Partei entspricht, und die
sie für jetzt nur bitten, Besonnenheit zu bewahren und jede voreilige feindselige
Stellungnahme zu unterlassen."

Herr von Rauchhaupt hat also nur im Sinne der kleinen Kreuzzeitungs¬
partei, nicht als Vertreter der ganzen Genossenschaft der Konservativen, gegen
das Kartell gesprochen. Und hat er sich hier einem Irrtum überlassen, so würde
das nicht minder der Fall sein, wenn er seine Rede in der Voraussetzung ge¬
halten hätte, von hoher und mächtiger Seite werde sie beifällig aufgenommen
werden und man wünsche und hoffe hier ein weiteres Anschwellen der Konser¬
vativen seiner Gattung auf Kosten der Nationalliberalen, denen übrigens bei¬
läufig auch empfohlen werden darf, im Falle einer starken Vermehrung ihrer
Mandate nicht in Übermut zu verfallen und sich von ihm zu den alten Über¬
schreitungen der Grenze verleiten zu lassen, die der erste Teil ihres Namens
dem zweiten steckt. Ganz bestimmt und unzweideutig wurde dem Redner nach
dem Herzen der Kreuzzeitung von der Stelle aus erklärt, welche die Meinung
des Reichskanzlers anzudeuten Pflegt, daß sein Vorgehen dem leitenden Staats¬
manne nicht nur durch nichts gerechtfertigt erscheine, sondern sogar den Verdacht
erwecke, er gehe damit um, sich mit seinem Parteigefolge wieder den Erzfeinden
im Windthorstschen Lager zum Bundesgenossen anzutragen, was ihm und
seinesgleichen in der That ähnlich sieht. Die norddeutsche Allgemeine Zeitung
leugnete zunächst, daß sein Auftreten im Interesse seiner Fraktion gelegen habe,
da bisher aus keinem Wahlkreise Nachricht eingelaufen sei, daß die National-
liberalen den Konservativen das Mandat bestritten hätten oder es bestreiten
wollten, und fuhr darauf fort: "Wir können daher die Stellung, die Herr
von Rauchhaupt eingenommen hat, nur auf die Haltung zurückführen, die er


Das tvahlkartell und die Areuzzeitnngspartei,

durch das Kartell gewonnenen zu demi alten Elende unter der Herrschaft des
Dreigestirns Richter-Windthorst-Grillenberger zu vermeiden. ... Fragt man,
wer diese Stellungnahme und Beurteilungsweise empfiehlt, so antworten wir:
Die konservative Parteileitung, die parlamentarischen Vertreter unsrer Partei
im deutschen Reichstage bis auf vielleicht verschwindende Ausnahmen, zumal
auch die außerpreußischen, unter denen man die sächsischen verdientermaßen
höchlichst lobt. . . . Dieser erprobten Leitung der konservativen Partei steht eine
Gruppe von Zeitungsredaktionen gegenüber, die Verdikte darüber abgeben, wer
die Bezeichnung konservativ verdient, ohne zu dieser Ausmusterungsthätigkeit
mehr als eine sich selbst erteilte Befugnis zu haben, und deren Versuche, ein
terroristisches Regiment einer Gruppe der Konservativen über die ganze Partei
aufzurichten, wir hiermit zurückweisen. . .. Die konservativen Wähler haben, als
es zur Verwirklichung des Kartellgedankens kam, den Widerstand dieser Blätter
dagegen beiseite geschoben, und wir dürfen hoffen, daß sie auch jetzt der Stimme
bewährter Ratgeber folgen werden, von denen ihnen, wenn die Entscheidungs¬
stunde schlägt, nichts empfohlen werden wird, als was dem wahren Interesse
des Vaterlandes und zugleich dem der konservativen Partei entspricht, und die
sie für jetzt nur bitten, Besonnenheit zu bewahren und jede voreilige feindselige
Stellungnahme zu unterlassen."

Herr von Rauchhaupt hat also nur im Sinne der kleinen Kreuzzeitungs¬
partei, nicht als Vertreter der ganzen Genossenschaft der Konservativen, gegen
das Kartell gesprochen. Und hat er sich hier einem Irrtum überlassen, so würde
das nicht minder der Fall sein, wenn er seine Rede in der Voraussetzung ge¬
halten hätte, von hoher und mächtiger Seite werde sie beifällig aufgenommen
werden und man wünsche und hoffe hier ein weiteres Anschwellen der Konser¬
vativen seiner Gattung auf Kosten der Nationalliberalen, denen übrigens bei¬
läufig auch empfohlen werden darf, im Falle einer starken Vermehrung ihrer
Mandate nicht in Übermut zu verfallen und sich von ihm zu den alten Über¬
schreitungen der Grenze verleiten zu lassen, die der erste Teil ihres Namens
dem zweiten steckt. Ganz bestimmt und unzweideutig wurde dem Redner nach
dem Herzen der Kreuzzeitung von der Stelle aus erklärt, welche die Meinung
des Reichskanzlers anzudeuten Pflegt, daß sein Vorgehen dem leitenden Staats¬
manne nicht nur durch nichts gerechtfertigt erscheine, sondern sogar den Verdacht
erwecke, er gehe damit um, sich mit seinem Parteigefolge wieder den Erzfeinden
im Windthorstschen Lager zum Bundesgenossen anzutragen, was ihm und
seinesgleichen in der That ähnlich sieht. Die norddeutsche Allgemeine Zeitung
leugnete zunächst, daß sein Auftreten im Interesse seiner Fraktion gelegen habe,
da bisher aus keinem Wahlkreise Nachricht eingelaufen sei, daß die National-
liberalen den Konservativen das Mandat bestritten hätten oder es bestreiten
wollten, und fuhr darauf fort: „Wir können daher die Stellung, die Herr
von Rauchhaupt eingenommen hat, nur auf die Haltung zurückführen, die er


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0300" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289423"/>
          <fw type="header" place="top"> Das tvahlkartell und die Areuzzeitnngspartei,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1001" prev="#ID_1000"> durch das Kartell gewonnenen zu demi alten Elende unter der Herrschaft des<lb/>
Dreigestirns Richter-Windthorst-Grillenberger zu vermeiden. ... Fragt man,<lb/>
wer diese Stellungnahme und Beurteilungsweise empfiehlt, so antworten wir:<lb/>
Die konservative Parteileitung, die parlamentarischen Vertreter unsrer Partei<lb/>
im deutschen Reichstage bis auf vielleicht verschwindende Ausnahmen, zumal<lb/>
auch die außerpreußischen, unter denen man die sächsischen verdientermaßen<lb/>
höchlichst lobt. . . . Dieser erprobten Leitung der konservativen Partei steht eine<lb/>
Gruppe von Zeitungsredaktionen gegenüber, die Verdikte darüber abgeben, wer<lb/>
die Bezeichnung konservativ verdient, ohne zu dieser Ausmusterungsthätigkeit<lb/>
mehr als eine sich selbst erteilte Befugnis zu haben, und deren Versuche, ein<lb/>
terroristisches Regiment einer Gruppe der Konservativen über die ganze Partei<lb/>
aufzurichten, wir hiermit zurückweisen. . .. Die konservativen Wähler haben, als<lb/>
es zur Verwirklichung des Kartellgedankens kam, den Widerstand dieser Blätter<lb/>
dagegen beiseite geschoben, und wir dürfen hoffen, daß sie auch jetzt der Stimme<lb/>
bewährter Ratgeber folgen werden, von denen ihnen, wenn die Entscheidungs¬<lb/>
stunde schlägt, nichts empfohlen werden wird, als was dem wahren Interesse<lb/>
des Vaterlandes und zugleich dem der konservativen Partei entspricht, und die<lb/>
sie für jetzt nur bitten, Besonnenheit zu bewahren und jede voreilige feindselige<lb/>
Stellungnahme zu unterlassen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1002" next="#ID_1003"> Herr von Rauchhaupt hat also nur im Sinne der kleinen Kreuzzeitungs¬<lb/>
partei, nicht als Vertreter der ganzen Genossenschaft der Konservativen, gegen<lb/>
das Kartell gesprochen. Und hat er sich hier einem Irrtum überlassen, so würde<lb/>
das nicht minder der Fall sein, wenn er seine Rede in der Voraussetzung ge¬<lb/>
halten hätte, von hoher und mächtiger Seite werde sie beifällig aufgenommen<lb/>
werden und man wünsche und hoffe hier ein weiteres Anschwellen der Konser¬<lb/>
vativen seiner Gattung auf Kosten der Nationalliberalen, denen übrigens bei¬<lb/>
läufig auch empfohlen werden darf, im Falle einer starken Vermehrung ihrer<lb/>
Mandate nicht in Übermut zu verfallen und sich von ihm zu den alten Über¬<lb/>
schreitungen der Grenze verleiten zu lassen, die der erste Teil ihres Namens<lb/>
dem zweiten steckt. Ganz bestimmt und unzweideutig wurde dem Redner nach<lb/>
dem Herzen der Kreuzzeitung von der Stelle aus erklärt, welche die Meinung<lb/>
des Reichskanzlers anzudeuten Pflegt, daß sein Vorgehen dem leitenden Staats¬<lb/>
manne nicht nur durch nichts gerechtfertigt erscheine, sondern sogar den Verdacht<lb/>
erwecke, er gehe damit um, sich mit seinem Parteigefolge wieder den Erzfeinden<lb/>
im Windthorstschen Lager zum Bundesgenossen anzutragen, was ihm und<lb/>
seinesgleichen in der That ähnlich sieht. Die norddeutsche Allgemeine Zeitung<lb/>
leugnete zunächst, daß sein Auftreten im Interesse seiner Fraktion gelegen habe,<lb/>
da bisher aus keinem Wahlkreise Nachricht eingelaufen sei, daß die National-<lb/>
liberalen den Konservativen das Mandat bestritten hätten oder es bestreiten<lb/>
wollten, und fuhr darauf fort: &#x201E;Wir können daher die Stellung, die Herr<lb/>
von Rauchhaupt eingenommen hat, nur auf die Haltung zurückführen, die er</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0300] Das tvahlkartell und die Areuzzeitnngspartei, durch das Kartell gewonnenen zu demi alten Elende unter der Herrschaft des Dreigestirns Richter-Windthorst-Grillenberger zu vermeiden. ... Fragt man, wer diese Stellungnahme und Beurteilungsweise empfiehlt, so antworten wir: Die konservative Parteileitung, die parlamentarischen Vertreter unsrer Partei im deutschen Reichstage bis auf vielleicht verschwindende Ausnahmen, zumal auch die außerpreußischen, unter denen man die sächsischen verdientermaßen höchlichst lobt. . . . Dieser erprobten Leitung der konservativen Partei steht eine Gruppe von Zeitungsredaktionen gegenüber, die Verdikte darüber abgeben, wer die Bezeichnung konservativ verdient, ohne zu dieser Ausmusterungsthätigkeit mehr als eine sich selbst erteilte Befugnis zu haben, und deren Versuche, ein terroristisches Regiment einer Gruppe der Konservativen über die ganze Partei aufzurichten, wir hiermit zurückweisen. . .. Die konservativen Wähler haben, als es zur Verwirklichung des Kartellgedankens kam, den Widerstand dieser Blätter dagegen beiseite geschoben, und wir dürfen hoffen, daß sie auch jetzt der Stimme bewährter Ratgeber folgen werden, von denen ihnen, wenn die Entscheidungs¬ stunde schlägt, nichts empfohlen werden wird, als was dem wahren Interesse des Vaterlandes und zugleich dem der konservativen Partei entspricht, und die sie für jetzt nur bitten, Besonnenheit zu bewahren und jede voreilige feindselige Stellungnahme zu unterlassen." Herr von Rauchhaupt hat also nur im Sinne der kleinen Kreuzzeitungs¬ partei, nicht als Vertreter der ganzen Genossenschaft der Konservativen, gegen das Kartell gesprochen. Und hat er sich hier einem Irrtum überlassen, so würde das nicht minder der Fall sein, wenn er seine Rede in der Voraussetzung ge¬ halten hätte, von hoher und mächtiger Seite werde sie beifällig aufgenommen werden und man wünsche und hoffe hier ein weiteres Anschwellen der Konser¬ vativen seiner Gattung auf Kosten der Nationalliberalen, denen übrigens bei¬ läufig auch empfohlen werden darf, im Falle einer starken Vermehrung ihrer Mandate nicht in Übermut zu verfallen und sich von ihm zu den alten Über¬ schreitungen der Grenze verleiten zu lassen, die der erste Teil ihres Namens dem zweiten steckt. Ganz bestimmt und unzweideutig wurde dem Redner nach dem Herzen der Kreuzzeitung von der Stelle aus erklärt, welche die Meinung des Reichskanzlers anzudeuten Pflegt, daß sein Vorgehen dem leitenden Staats¬ manne nicht nur durch nichts gerechtfertigt erscheine, sondern sogar den Verdacht erwecke, er gehe damit um, sich mit seinem Parteigefolge wieder den Erzfeinden im Windthorstschen Lager zum Bundesgenossen anzutragen, was ihm und seinesgleichen in der That ähnlich sieht. Die norddeutsche Allgemeine Zeitung leugnete zunächst, daß sein Auftreten im Interesse seiner Fraktion gelegen habe, da bisher aus keinem Wahlkreise Nachricht eingelaufen sei, daß die National- liberalen den Konservativen das Mandat bestritten hätten oder es bestreiten wollten, und fuhr darauf fort: „Wir können daher die Stellung, die Herr von Rauchhaupt eingenommen hat, nur auf die Haltung zurückführen, die er

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/300
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/300>, abgerufen am 22.07.2024.