Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.Art die heutigen Arbeiterunterstiitzungsverba'nde Versicherungsgesellschaften? Zu einer sachlichen Beantwortung der gestellten Frage müssen wir uns In ersterer Beziehung läßt sich nicht verkennen, daß die modernen Jn- Hinsichtlich der allgemeinen Entwicklungsgeschichte dieser Organisationen, In der Regel ist die Einteilung eine dreigliedrige: die unterste Stufe Art die heutigen Arbeiterunterstiitzungsverba'nde Versicherungsgesellschaften? Zu einer sachlichen Beantwortung der gestellten Frage müssen wir uns In ersterer Beziehung läßt sich nicht verkennen, daß die modernen Jn- Hinsichtlich der allgemeinen Entwicklungsgeschichte dieser Organisationen, In der Regel ist die Einteilung eine dreigliedrige: die unterste Stufe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0162" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289285"/> <fw type="header" place="top"> Art die heutigen Arbeiterunterstiitzungsverba'nde Versicherungsgesellschaften?</fw><lb/> <p xml:id="ID_529"> Zu einer sachlichen Beantwortung der gestellten Frage müssen wir uns<lb/> zweierlei vergegenwärtigen: einerseits die heutige Arbeiterorganisation in ihrem<lb/> neuern Entwicklungsgange, anderseits die einschlägige Gesetzgebung in ihrer An¬<lb/> wendung darauf.</p><lb/> <p xml:id="ID_530"> In ersterer Beziehung läßt sich nicht verkennen, daß die modernen Jn-<lb/> dustrieverhältnisse, die den gewerblichen Lohnarbeiterstand erzeugten und diesen<lb/> bei zunehmender Entwicklung in seiner wirtschaftlichen Lebenslage vielfach ge¬<lb/> fährdeten, in der Arbeiterschaft eine entsprechende Reaktion hervorriefen, die<lb/> sich anfänglich in schüchternen Organisationsversuchen mit örtlichen Zuschnitte<lb/> äußerte, allmählich aber immer festere Gestaltung annahm und schließlich zu<lb/> eigentümlich ausgebildeten Organisationen auf nationaler, zum Teil schon inter¬<lb/> nationaler Grundlage führte, wie sie in dem Buchdruckerverbande und den<lb/> gleichartigen „Unterstützungsvereinen der .... und verwandter Berufsgenossen<lb/> Deutschlands" gegenwärtig bestehen. Diese bezwecken der Hauptsache nach, die<lb/> Berufsgenossen in ihrer sozialen Lage gegen jene Fährnisse sicherzustellen, und<lb/> erscheinen ihrem ganzen Wesen nach als eigenartige Fortbildungen auf dem Ge¬<lb/> biete der gegenseitigen Versicherung mittels berufsgenosseuschaftlicher Selbsthilfe.</p><lb/> <p xml:id="ID_531"> Hinsichtlich der allgemeinen Entwicklungsgeschichte dieser Organisationen,<lb/> ihrer Beziehungen zur Sozialdemokratie und ihrer gegenwärtigen Ausbreitung<lb/> in Deutschland können wir uns auf unsern frühern Aufsatz über „Die moderne<lb/> Arbeiterbewegung" (in Ur. 41 und 42 des Jahrgangs 1886 dieser Zeitschrift)<lb/> beziehen und uns hier darauf beschränken, sie nnr nach der für die vorliegende<lb/> Frage interessirenden Seite zu behandeln, d. h. in ihrer Stellung zur Lohn-<lb/> »ut Uuterstützungsfrage, oder richtiger: zum Streik- und Versicherungswesen.<lb/> Obwohl hier anscheinend nur das letztere in Frage kommt, lassen sich doch beide<lb/> nicht gut von einander trennen, da sie ein geordnetes Kassenwesen zur gemein¬<lb/> samen Voraussetzung haben und nach Ansicht der beteiligten Kreise sich sogar<lb/> wechselseitig bedingen. Wenngleich die meisten Arbeiterverbände die „Förderung<lb/> der materiellen und geistigen Interessen" der Berufsgenossen an die Spitze ihrer<lb/> Satzungen stellen und sich in der Aufzählung der dazu geeigneten Mittel fast<lb/> erschöpfen, so geht doch unter den heutigen Verhältnissen durch die ganze Be¬<lb/> wegung unverkennbar das Bestreben, jene beiden Dinge als den Angelpunkt der<lb/> ganzen Arbeiterorganisation zu betrachten, d. h. den Verbands- und Berufs-<lb/> genossen in. erster Linie eine auskömmliche und gesicherte Existenz zu gewähr¬<lb/> leisten. Die Rücksichtnahme auf diese nächstliegenden Bedürfnisse läßt sich aus<lb/> der überraschenden Gleichförmigkeit aller dieser Organisationen sofort erkennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_532" next="#ID_533"> In der Regel ist die Einteilung eine dreigliedrige: die unterste Stufe<lb/> bilden die örtlichen Mitgliedschaften, das Mittelglied stellen die Gau- oder Be-<lb/> zirksvereiue dar, die sich aus den Mitgliedschaften größerer Bezirke zusammen¬<lb/> setzen, und den einheitlichen Abschluß nach oben erhält der nationale Gesamt¬<lb/> verband in dem leitenden Hauptvorstande. Die beschließende Gewalt steht den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0162]
Art die heutigen Arbeiterunterstiitzungsverba'nde Versicherungsgesellschaften?
Zu einer sachlichen Beantwortung der gestellten Frage müssen wir uns
zweierlei vergegenwärtigen: einerseits die heutige Arbeiterorganisation in ihrem
neuern Entwicklungsgange, anderseits die einschlägige Gesetzgebung in ihrer An¬
wendung darauf.
In ersterer Beziehung läßt sich nicht verkennen, daß die modernen Jn-
dustrieverhältnisse, die den gewerblichen Lohnarbeiterstand erzeugten und diesen
bei zunehmender Entwicklung in seiner wirtschaftlichen Lebenslage vielfach ge¬
fährdeten, in der Arbeiterschaft eine entsprechende Reaktion hervorriefen, die
sich anfänglich in schüchternen Organisationsversuchen mit örtlichen Zuschnitte
äußerte, allmählich aber immer festere Gestaltung annahm und schließlich zu
eigentümlich ausgebildeten Organisationen auf nationaler, zum Teil schon inter¬
nationaler Grundlage führte, wie sie in dem Buchdruckerverbande und den
gleichartigen „Unterstützungsvereinen der .... und verwandter Berufsgenossen
Deutschlands" gegenwärtig bestehen. Diese bezwecken der Hauptsache nach, die
Berufsgenossen in ihrer sozialen Lage gegen jene Fährnisse sicherzustellen, und
erscheinen ihrem ganzen Wesen nach als eigenartige Fortbildungen auf dem Ge¬
biete der gegenseitigen Versicherung mittels berufsgenosseuschaftlicher Selbsthilfe.
Hinsichtlich der allgemeinen Entwicklungsgeschichte dieser Organisationen,
ihrer Beziehungen zur Sozialdemokratie und ihrer gegenwärtigen Ausbreitung
in Deutschland können wir uns auf unsern frühern Aufsatz über „Die moderne
Arbeiterbewegung" (in Ur. 41 und 42 des Jahrgangs 1886 dieser Zeitschrift)
beziehen und uns hier darauf beschränken, sie nnr nach der für die vorliegende
Frage interessirenden Seite zu behandeln, d. h. in ihrer Stellung zur Lohn-
»ut Uuterstützungsfrage, oder richtiger: zum Streik- und Versicherungswesen.
Obwohl hier anscheinend nur das letztere in Frage kommt, lassen sich doch beide
nicht gut von einander trennen, da sie ein geordnetes Kassenwesen zur gemein¬
samen Voraussetzung haben und nach Ansicht der beteiligten Kreise sich sogar
wechselseitig bedingen. Wenngleich die meisten Arbeiterverbände die „Förderung
der materiellen und geistigen Interessen" der Berufsgenossen an die Spitze ihrer
Satzungen stellen und sich in der Aufzählung der dazu geeigneten Mittel fast
erschöpfen, so geht doch unter den heutigen Verhältnissen durch die ganze Be¬
wegung unverkennbar das Bestreben, jene beiden Dinge als den Angelpunkt der
ganzen Arbeiterorganisation zu betrachten, d. h. den Verbands- und Berufs-
genossen in. erster Linie eine auskömmliche und gesicherte Existenz zu gewähr¬
leisten. Die Rücksichtnahme auf diese nächstliegenden Bedürfnisse läßt sich aus
der überraschenden Gleichförmigkeit aller dieser Organisationen sofort erkennen.
In der Regel ist die Einteilung eine dreigliedrige: die unterste Stufe
bilden die örtlichen Mitgliedschaften, das Mittelglied stellen die Gau- oder Be-
zirksvereiue dar, die sich aus den Mitgliedschaften größerer Bezirke zusammen¬
setzen, und den einheitlichen Abschluß nach oben erhält der nationale Gesamt¬
verband in dem leitenden Hauptvorstande. Die beschließende Gewalt steht den
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