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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Sind die heutigen Arbciterunierfintzungsverbände Versicherungsgesellschaften?

als sähen wir das Heer der Republik, nachdem der Pariser Dünkel und Taumel
wieder einmal Z. Lsrlin! geschrieen, in noch längern Zügen als 1870 in die
deutsche Gefangenschaft wandern. Dann aber müßte dem gallischen Hahne sein
böses Blut gründlich abgezapft und er, soweit Menschenaugen reichen, für immer
unfähig gemacht werden, uns ein gefährlicher Nachbar zu sein.




Sind die heutigen Arbeiterunterstützungsverbände
Versicherungsgesellschaften?

le Frage, ob die berufsgenossenschaftlichen Arbeiterverbände mit
ihren neuern Unterstützungseinrichtungen Versicherungszwecke ver¬
folgen und darnach unter die versichernngsgesetzlichen Bestim¬
mungen fallen, d. h. einer besondern staatlichen Genehmigung be¬
dürfen, ist mehrfach Gegenstand der öffentlichen Besprechung
gewesen, seitdem die Behörden auf Grund jener Gesetzesbestimmungen von den
Mitgliedschaften solcher Verbände den Nachweis der staatlichen Zulassung ver¬
langen und ihre Schließung verfügen, sobald sie der gestellten Anforderung nicht
nachkommen.

Der sozialdemokratischen Presse im Bunde mit der deutschfreisinnigen war
es vorbehalten, in diesem Vorgehen, welches lediglich der bestehenden Gesetz¬
gebung Rechnung trägt, eine willkürliche und reaktionäre Maßregel der Regie¬
rung zu entdecken, wonach jeder Rest von selbständiger Arbeiterorganisation ver¬
nichtet werden soll. Als aber u. a. dem ältesten und größten Arbeiterverbande,
dem in Stuttgart seßhaften "Unterstützungsverein deutscher Buchdrucker," auf
sein Gesuch um staatliche Zulassung in Preußen diese gegen Erfüllung der ge¬
setzlichen Vorbedingungen in Aussicht gestellt wurde, richteten sich die giftigen
Ausfälle dieser Presse gegen den Verein selbst; er wurde der Arbeiterschaft unter
dem Titel "Königlich Preußischer Gewerkverein" als "ein trauriges Beispiel
von Selbstentlmnnung" vorgeführt. Damit zeigte sich wieder einmal die wahre
Absicht dieser Presse; sie arbeitet stets darauf hin. das Vertrauen der Arbeiter
zur Staatsregierung mit allen Mitteln zu untergrabe" und eine Verständigung
um jeden Preis zu hintertreiben. Daß mit dem Ratschläge an die übrigen
Verbände, es lieber darauf ankommen zu lasten, als den gestellten Anforde¬
rungen nachzukommen, lediglich zum Ungehorsam gegen bestehende Gesetze auf¬
gefordert wurde, und die Folgen davon die wirklichen Arbeiterinteressen schwer
schädigen mußten, war den ehrenwerten Ratgebern natürlich gleichgiltig.


Grenzboten III. 1888. 2V
Sind die heutigen Arbciterunierfintzungsverbände Versicherungsgesellschaften?

als sähen wir das Heer der Republik, nachdem der Pariser Dünkel und Taumel
wieder einmal Z. Lsrlin! geschrieen, in noch längern Zügen als 1870 in die
deutsche Gefangenschaft wandern. Dann aber müßte dem gallischen Hahne sein
böses Blut gründlich abgezapft und er, soweit Menschenaugen reichen, für immer
unfähig gemacht werden, uns ein gefährlicher Nachbar zu sein.




Sind die heutigen Arbeiterunterstützungsverbände
Versicherungsgesellschaften?

le Frage, ob die berufsgenossenschaftlichen Arbeiterverbände mit
ihren neuern Unterstützungseinrichtungen Versicherungszwecke ver¬
folgen und darnach unter die versichernngsgesetzlichen Bestim¬
mungen fallen, d. h. einer besondern staatlichen Genehmigung be¬
dürfen, ist mehrfach Gegenstand der öffentlichen Besprechung
gewesen, seitdem die Behörden auf Grund jener Gesetzesbestimmungen von den
Mitgliedschaften solcher Verbände den Nachweis der staatlichen Zulassung ver¬
langen und ihre Schließung verfügen, sobald sie der gestellten Anforderung nicht
nachkommen.

Der sozialdemokratischen Presse im Bunde mit der deutschfreisinnigen war
es vorbehalten, in diesem Vorgehen, welches lediglich der bestehenden Gesetz¬
gebung Rechnung trägt, eine willkürliche und reaktionäre Maßregel der Regie¬
rung zu entdecken, wonach jeder Rest von selbständiger Arbeiterorganisation ver¬
nichtet werden soll. Als aber u. a. dem ältesten und größten Arbeiterverbande,
dem in Stuttgart seßhaften „Unterstützungsverein deutscher Buchdrucker," auf
sein Gesuch um staatliche Zulassung in Preußen diese gegen Erfüllung der ge¬
setzlichen Vorbedingungen in Aussicht gestellt wurde, richteten sich die giftigen
Ausfälle dieser Presse gegen den Verein selbst; er wurde der Arbeiterschaft unter
dem Titel „Königlich Preußischer Gewerkverein" als „ein trauriges Beispiel
von Selbstentlmnnung" vorgeführt. Damit zeigte sich wieder einmal die wahre
Absicht dieser Presse; sie arbeitet stets darauf hin. das Vertrauen der Arbeiter
zur Staatsregierung mit allen Mitteln zu untergrabe» und eine Verständigung
um jeden Preis zu hintertreiben. Daß mit dem Ratschläge an die übrigen
Verbände, es lieber darauf ankommen zu lasten, als den gestellten Anforde¬
rungen nachzukommen, lediglich zum Ungehorsam gegen bestehende Gesetze auf¬
gefordert wurde, und die Folgen davon die wirklichen Arbeiterinteressen schwer
schädigen mußten, war den ehrenwerten Ratgebern natürlich gleichgiltig.


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[0161] Sind die heutigen Arbciterunierfintzungsverbände Versicherungsgesellschaften? als sähen wir das Heer der Republik, nachdem der Pariser Dünkel und Taumel wieder einmal Z. Lsrlin! geschrieen, in noch längern Zügen als 1870 in die deutsche Gefangenschaft wandern. Dann aber müßte dem gallischen Hahne sein böses Blut gründlich abgezapft und er, soweit Menschenaugen reichen, für immer unfähig gemacht werden, uns ein gefährlicher Nachbar zu sein. Sind die heutigen Arbeiterunterstützungsverbände Versicherungsgesellschaften? le Frage, ob die berufsgenossenschaftlichen Arbeiterverbände mit ihren neuern Unterstützungseinrichtungen Versicherungszwecke ver¬ folgen und darnach unter die versichernngsgesetzlichen Bestim¬ mungen fallen, d. h. einer besondern staatlichen Genehmigung be¬ dürfen, ist mehrfach Gegenstand der öffentlichen Besprechung gewesen, seitdem die Behörden auf Grund jener Gesetzesbestimmungen von den Mitgliedschaften solcher Verbände den Nachweis der staatlichen Zulassung ver¬ langen und ihre Schließung verfügen, sobald sie der gestellten Anforderung nicht nachkommen. Der sozialdemokratischen Presse im Bunde mit der deutschfreisinnigen war es vorbehalten, in diesem Vorgehen, welches lediglich der bestehenden Gesetz¬ gebung Rechnung trägt, eine willkürliche und reaktionäre Maßregel der Regie¬ rung zu entdecken, wonach jeder Rest von selbständiger Arbeiterorganisation ver¬ nichtet werden soll. Als aber u. a. dem ältesten und größten Arbeiterverbande, dem in Stuttgart seßhaften „Unterstützungsverein deutscher Buchdrucker," auf sein Gesuch um staatliche Zulassung in Preußen diese gegen Erfüllung der ge¬ setzlichen Vorbedingungen in Aussicht gestellt wurde, richteten sich die giftigen Ausfälle dieser Presse gegen den Verein selbst; er wurde der Arbeiterschaft unter dem Titel „Königlich Preußischer Gewerkverein" als „ein trauriges Beispiel von Selbstentlmnnung" vorgeführt. Damit zeigte sich wieder einmal die wahre Absicht dieser Presse; sie arbeitet stets darauf hin. das Vertrauen der Arbeiter zur Staatsregierung mit allen Mitteln zu untergrabe» und eine Verständigung um jeden Preis zu hintertreiben. Daß mit dem Ratschläge an die übrigen Verbände, es lieber darauf ankommen zu lasten, als den gestellten Anforde¬ rungen nachzukommen, lediglich zum Ungehorsam gegen bestehende Gesetze auf¬ gefordert wurde, und die Folgen davon die wirklichen Arbeiterinteressen schwer schädigen mußten, war den ehrenwerten Ratgebern natürlich gleichgiltig. Grenzboten III. 1888. 2V

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/161>, abgerufen am 22.07.2024.