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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Marskarten.

Marskarte zu entwerfen. Die Hauptkarte, welche so entstand, ist wie unsre
allgemeinen Erdkarten in Merkators Projektion entworfen. Das Festland ist
weiß, das Meer blau dargestellt. Eine weitere Spezialkarte stellt die Gegend
des Südpols des Mars dar, eine Partie, die wegen des Entstehens und Weg-
schmclzens großer Eis- und Schneemassen in den verschiedenen Jahreszeiten,
welches man dort beobachten kann, besondres Interesse bietet. Diese große Eis-
und Schneeregion auf dem Mars ist auch schon in frühern Zeiten beobachtet
worden, so in den Jahren 1830 und 1862, nur zeigt sie die Merkwürdigkeit,
daß sie dem Einfluß der Jahreszeit viel mehr unterworfen ist, als dies auf
der Erde mit dem Polareis der Fall ist. Diese Erscheinung findet jedoch ihre
genügende Erklärung darin, daß die Sonne auf dem Mars im Sommer viel
höher steigt als auf der Erde, und daß die Jahreszeiten beträchtlich länger
dauern, als bei uns. Die verschiednen dauernden Gebilde auf dem Mars, die
Festländer, Vorgebirge, Inseln, Meere, Flüsse und Kanäle, sind von Schia-
parelli mit Namen bezeichnet worden, die meist der alten Geographie entlehnt
sind. Obwohl nun diese Karte schon unvergleichlich viel reicher ist als alle
frühern, namentlich bezüglich der kleinern Bildungen, der Kanäle, so durfte
man doch noch größere Hoffnungen an die nächste Wiederkehr des Mars zur
Erdnähe knüpfen. In der That brachten die folgenden Annäherungen des
Mars -- sie finden ungefähr aller zwei Jahre statt -- überraschende Er¬
scheinungen. Zunächst fand Schiaparelli 1879 bis 1880 alle 1877 gesehenen
Gebilde wieder. Damit war wieder dargethan, daß man es mit festen Ober¬
flächenbildungen zu thun hatte. Zwei kleinere Gebilde, ein See am Delarue-
Ozean und ein Kanal, der 1877 nördlich von der Gabelbai gelegen war, waren
1879 unsichtbar, dagegen 1881 auf 1882 wieder sichtbar. Während der Sicht¬
barkeitsdauer 1879 auf 1880 hat Schiaparelli 114 Gegenstände gemessen und
auf der Marskarte verzeichnet. Das Aussehen des Mars in diesen beiden
Erscheinungen bot noch eine besondre Merkwürdigkeit, die früher nicht gesehen
worden war. Gewisse Regionen leuchteten in besondern: Glänze, und die Be¬
grenzungen der Ländermassen waren bald scharf gezeichnet, bald mehr ver¬
schwommen. Auch die Farbe der Äquatorialzone des Mars erschien geändert.
1877 erschien sie rot mit weiß untermischt, 1882 war sie von Schatten bedeckt,
in deren Nähe gelbe Flecken sichtbar waren. Diese Schatten zogen sich später
zu dunkeln Linien zusammen, die gelbe Färbung verschwand, und eine große
Fläche (Ozean und Golf Alcyonius), die früher nur verschwommen erschien,
löste sich in Bilder scharfer dunkler Linien auf.

Die merkwürdigste Erscheinung aber, welche in den letzten Jahren auf der
Marsoberfläche beobachtet worden ist, bildet unzweifelhaft die Verdoppelung der
Verbindungsadern zwischen den Meeren, der Kanäle. Gerade diese Thatsache,
daß scheinbar zweckmäßig angelegte Wasserstraßen, die zur Verbindung getrennter
Meere die Länder durchziehen und früher als einfache Kanäle gesehen wurden,


Marskarten.

Marskarte zu entwerfen. Die Hauptkarte, welche so entstand, ist wie unsre
allgemeinen Erdkarten in Merkators Projektion entworfen. Das Festland ist
weiß, das Meer blau dargestellt. Eine weitere Spezialkarte stellt die Gegend
des Südpols des Mars dar, eine Partie, die wegen des Entstehens und Weg-
schmclzens großer Eis- und Schneemassen in den verschiedenen Jahreszeiten,
welches man dort beobachten kann, besondres Interesse bietet. Diese große Eis-
und Schneeregion auf dem Mars ist auch schon in frühern Zeiten beobachtet
worden, so in den Jahren 1830 und 1862, nur zeigt sie die Merkwürdigkeit,
daß sie dem Einfluß der Jahreszeit viel mehr unterworfen ist, als dies auf
der Erde mit dem Polareis der Fall ist. Diese Erscheinung findet jedoch ihre
genügende Erklärung darin, daß die Sonne auf dem Mars im Sommer viel
höher steigt als auf der Erde, und daß die Jahreszeiten beträchtlich länger
dauern, als bei uns. Die verschiednen dauernden Gebilde auf dem Mars, die
Festländer, Vorgebirge, Inseln, Meere, Flüsse und Kanäle, sind von Schia-
parelli mit Namen bezeichnet worden, die meist der alten Geographie entlehnt
sind. Obwohl nun diese Karte schon unvergleichlich viel reicher ist als alle
frühern, namentlich bezüglich der kleinern Bildungen, der Kanäle, so durfte
man doch noch größere Hoffnungen an die nächste Wiederkehr des Mars zur
Erdnähe knüpfen. In der That brachten die folgenden Annäherungen des
Mars — sie finden ungefähr aller zwei Jahre statt — überraschende Er¬
scheinungen. Zunächst fand Schiaparelli 1879 bis 1880 alle 1877 gesehenen
Gebilde wieder. Damit war wieder dargethan, daß man es mit festen Ober¬
flächenbildungen zu thun hatte. Zwei kleinere Gebilde, ein See am Delarue-
Ozean und ein Kanal, der 1877 nördlich von der Gabelbai gelegen war, waren
1879 unsichtbar, dagegen 1881 auf 1882 wieder sichtbar. Während der Sicht¬
barkeitsdauer 1879 auf 1880 hat Schiaparelli 114 Gegenstände gemessen und
auf der Marskarte verzeichnet. Das Aussehen des Mars in diesen beiden
Erscheinungen bot noch eine besondre Merkwürdigkeit, die früher nicht gesehen
worden war. Gewisse Regionen leuchteten in besondern: Glänze, und die Be¬
grenzungen der Ländermassen waren bald scharf gezeichnet, bald mehr ver¬
schwommen. Auch die Farbe der Äquatorialzone des Mars erschien geändert.
1877 erschien sie rot mit weiß untermischt, 1882 war sie von Schatten bedeckt,
in deren Nähe gelbe Flecken sichtbar waren. Diese Schatten zogen sich später
zu dunkeln Linien zusammen, die gelbe Färbung verschwand, und eine große
Fläche (Ozean und Golf Alcyonius), die früher nur verschwommen erschien,
löste sich in Bilder scharfer dunkler Linien auf.

Die merkwürdigste Erscheinung aber, welche in den letzten Jahren auf der
Marsoberfläche beobachtet worden ist, bildet unzweifelhaft die Verdoppelung der
Verbindungsadern zwischen den Meeren, der Kanäle. Gerade diese Thatsache,
daß scheinbar zweckmäßig angelegte Wasserstraßen, die zur Verbindung getrennter
Meere die Länder durchziehen und früher als einfache Kanäle gesehen wurden,


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[0131] Marskarten. Marskarte zu entwerfen. Die Hauptkarte, welche so entstand, ist wie unsre allgemeinen Erdkarten in Merkators Projektion entworfen. Das Festland ist weiß, das Meer blau dargestellt. Eine weitere Spezialkarte stellt die Gegend des Südpols des Mars dar, eine Partie, die wegen des Entstehens und Weg- schmclzens großer Eis- und Schneemassen in den verschiedenen Jahreszeiten, welches man dort beobachten kann, besondres Interesse bietet. Diese große Eis- und Schneeregion auf dem Mars ist auch schon in frühern Zeiten beobachtet worden, so in den Jahren 1830 und 1862, nur zeigt sie die Merkwürdigkeit, daß sie dem Einfluß der Jahreszeit viel mehr unterworfen ist, als dies auf der Erde mit dem Polareis der Fall ist. Diese Erscheinung findet jedoch ihre genügende Erklärung darin, daß die Sonne auf dem Mars im Sommer viel höher steigt als auf der Erde, und daß die Jahreszeiten beträchtlich länger dauern, als bei uns. Die verschiednen dauernden Gebilde auf dem Mars, die Festländer, Vorgebirge, Inseln, Meere, Flüsse und Kanäle, sind von Schia- parelli mit Namen bezeichnet worden, die meist der alten Geographie entlehnt sind. Obwohl nun diese Karte schon unvergleichlich viel reicher ist als alle frühern, namentlich bezüglich der kleinern Bildungen, der Kanäle, so durfte man doch noch größere Hoffnungen an die nächste Wiederkehr des Mars zur Erdnähe knüpfen. In der That brachten die folgenden Annäherungen des Mars — sie finden ungefähr aller zwei Jahre statt — überraschende Er¬ scheinungen. Zunächst fand Schiaparelli 1879 bis 1880 alle 1877 gesehenen Gebilde wieder. Damit war wieder dargethan, daß man es mit festen Ober¬ flächenbildungen zu thun hatte. Zwei kleinere Gebilde, ein See am Delarue- Ozean und ein Kanal, der 1877 nördlich von der Gabelbai gelegen war, waren 1879 unsichtbar, dagegen 1881 auf 1882 wieder sichtbar. Während der Sicht¬ barkeitsdauer 1879 auf 1880 hat Schiaparelli 114 Gegenstände gemessen und auf der Marskarte verzeichnet. Das Aussehen des Mars in diesen beiden Erscheinungen bot noch eine besondre Merkwürdigkeit, die früher nicht gesehen worden war. Gewisse Regionen leuchteten in besondern: Glänze, und die Be¬ grenzungen der Ländermassen waren bald scharf gezeichnet, bald mehr ver¬ schwommen. Auch die Farbe der Äquatorialzone des Mars erschien geändert. 1877 erschien sie rot mit weiß untermischt, 1882 war sie von Schatten bedeckt, in deren Nähe gelbe Flecken sichtbar waren. Diese Schatten zogen sich später zu dunkeln Linien zusammen, die gelbe Färbung verschwand, und eine große Fläche (Ozean und Golf Alcyonius), die früher nur verschwommen erschien, löste sich in Bilder scharfer dunkler Linien auf. Die merkwürdigste Erscheinung aber, welche in den letzten Jahren auf der Marsoberfläche beobachtet worden ist, bildet unzweifelhaft die Verdoppelung der Verbindungsadern zwischen den Meeren, der Kanäle. Gerade diese Thatsache, daß scheinbar zweckmäßig angelegte Wasserstraßen, die zur Verbindung getrennter Meere die Länder durchziehen und früher als einfache Kanäle gesehen wurden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/131>, abgerufen am 22.07.2024.