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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Narskarten.

sehr sorgfältige Beschreibungen hervorragender Oberflächengebilde des Mars
lieferten, seine Umdrehungsdauer genauer bestimmten, und die UnVeränderlichkeit
im Aussehen einiger Gebilde während der Dauer mehrerer Jahre nachwiesen.
Den ersten Versuch, eine Weltkarte des Mars zu entwerfen, verdanken wir
aber dem Leidener Astronomen Kaiser, der in den sechziger Jahren sehr sorg¬
fältige Beobachtungen über die Marsoberfläche anstellte.

Die Hauptschwierigkeit, welche bei der Anfertigung der Marskarten zu
bewältigen war, bestand darin, daß man bei den früheren Marsbeobachtungen
die einzelnen Oberslächenteile nicht vollständig festhalten konnte: vermöge der
Umdrehung um seine Achse zeigte der Planet bald diese, bald jene Seite der
Oberfläche; diese Schwierigkeit wurde noch erhöht durch die Neigung der Um-
drehungsachse gegen unsre Gesichtslinie. Erst nachdem es gelungen war, die
Lage der Marspole und des Marsäquators, sowie seine genaue Umdrehungs¬
geschwindigkeit zu bestimmen, konnte man die einzelnen Oberflächenteile in ihrer
richtigen Lage auf der Marskugel bestimmen und somit an die Konstruktion
der Marskarte gehen. Diese wurde nun ganz ebenso ausgeführt, wie man es
bei der Anfertigung einer Erdkarte macht. Die Lage der Pole ist dadurch
bestimmt, daß sie an der täglichen Umdrehung nicht teilnehmen, der Äquator
liegt um einen Viertel Marsumfaug von ihnen entfernt, und wenn man dann
auf diesem Marsäquator einen Punkt ein für alle mal annimmt, von dem
aus man die Entfernungen zählt (auf der Erde der der Insel Ferro am nächsten
liegende Äquatorpunkt), so hat man das Netz für die Marskarte gefunden, in
welches dann die verschiedenen Gebilde der Oberfläche eingetragen werden. Nur
mit Hilfe einer solchen Karte ist es möglich, die einzelnen Gegenstände sicher
zu bestimmen, wiederaufzufinden und Verwechslungen vorzubeugen. Diese
Vorbedingungen sind nun bei den neuern und neuesten Marsforschungen mit
einem großen Maße von Genauigkeit erfüllt, und die ersten guten Marskartcn
von Kaiser, Schiaparelli und Lohse zeigen die Erscheinungen der Marsoberfläche
mit großer Zuverlässigkeit. Auf einer solchen Karte treten zunächst neben großen
hellen Gebieten eine Menge dunkler Flecken hervor. In den erster" hat man
die Verteilung des Festlandes, in den letztern die großen Meere zu erkennen.
Die Verteilung von Wasser und Land auf dem Mars ist insofern den ent¬
sprechenden Verhältnissen auf der Erde ähnlich, als auch dort das Meer viel
größere Oberflächenteile einnimmt als das Festland. Aber ein ganz verschiedenes
Aussehen gewinnt die Marskarte dadurch, daß sich auf ihr das Festland viel
mehr durch Wasserarme durchzogen zeigt, als bei uns.

Die ausführlicheren Marskarten, welche sehr merkwürdige Einzelheiten
auf dem Planeten zeigen, stammen aber erst aus den letzten Jahren. Der
Mailänder Astronom Schiaparelli war bei der Annäherung des Mars an
unsre Erde im Jahre 1877 von der Menge der Einzelheiten, die er auf dem
Mars sehen konnte, so überrascht, daß er sofort beschloß, eine ausführliche


Narskarten.

sehr sorgfältige Beschreibungen hervorragender Oberflächengebilde des Mars
lieferten, seine Umdrehungsdauer genauer bestimmten, und die UnVeränderlichkeit
im Aussehen einiger Gebilde während der Dauer mehrerer Jahre nachwiesen.
Den ersten Versuch, eine Weltkarte des Mars zu entwerfen, verdanken wir
aber dem Leidener Astronomen Kaiser, der in den sechziger Jahren sehr sorg¬
fältige Beobachtungen über die Marsoberfläche anstellte.

Die Hauptschwierigkeit, welche bei der Anfertigung der Marskarten zu
bewältigen war, bestand darin, daß man bei den früheren Marsbeobachtungen
die einzelnen Oberslächenteile nicht vollständig festhalten konnte: vermöge der
Umdrehung um seine Achse zeigte der Planet bald diese, bald jene Seite der
Oberfläche; diese Schwierigkeit wurde noch erhöht durch die Neigung der Um-
drehungsachse gegen unsre Gesichtslinie. Erst nachdem es gelungen war, die
Lage der Marspole und des Marsäquators, sowie seine genaue Umdrehungs¬
geschwindigkeit zu bestimmen, konnte man die einzelnen Oberflächenteile in ihrer
richtigen Lage auf der Marskugel bestimmen und somit an die Konstruktion
der Marskarte gehen. Diese wurde nun ganz ebenso ausgeführt, wie man es
bei der Anfertigung einer Erdkarte macht. Die Lage der Pole ist dadurch
bestimmt, daß sie an der täglichen Umdrehung nicht teilnehmen, der Äquator
liegt um einen Viertel Marsumfaug von ihnen entfernt, und wenn man dann
auf diesem Marsäquator einen Punkt ein für alle mal annimmt, von dem
aus man die Entfernungen zählt (auf der Erde der der Insel Ferro am nächsten
liegende Äquatorpunkt), so hat man das Netz für die Marskarte gefunden, in
welches dann die verschiedenen Gebilde der Oberfläche eingetragen werden. Nur
mit Hilfe einer solchen Karte ist es möglich, die einzelnen Gegenstände sicher
zu bestimmen, wiederaufzufinden und Verwechslungen vorzubeugen. Diese
Vorbedingungen sind nun bei den neuern und neuesten Marsforschungen mit
einem großen Maße von Genauigkeit erfüllt, und die ersten guten Marskartcn
von Kaiser, Schiaparelli und Lohse zeigen die Erscheinungen der Marsoberfläche
mit großer Zuverlässigkeit. Auf einer solchen Karte treten zunächst neben großen
hellen Gebieten eine Menge dunkler Flecken hervor. In den erster» hat man
die Verteilung des Festlandes, in den letztern die großen Meere zu erkennen.
Die Verteilung von Wasser und Land auf dem Mars ist insofern den ent¬
sprechenden Verhältnissen auf der Erde ähnlich, als auch dort das Meer viel
größere Oberflächenteile einnimmt als das Festland. Aber ein ganz verschiedenes
Aussehen gewinnt die Marskarte dadurch, daß sich auf ihr das Festland viel
mehr durch Wasserarme durchzogen zeigt, als bei uns.

Die ausführlicheren Marskarten, welche sehr merkwürdige Einzelheiten
auf dem Planeten zeigen, stammen aber erst aus den letzten Jahren. Der
Mailänder Astronom Schiaparelli war bei der Annäherung des Mars an
unsre Erde im Jahre 1877 von der Menge der Einzelheiten, die er auf dem
Mars sehen konnte, so überrascht, daß er sofort beschloß, eine ausführliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/130>, abgerufen am 22.07.2024.