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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Die Kriegsmacht des Friedensbundes und die seiner Gegner.

weil sie auf friedlichen Wegen nicht dahin gelangen können, wohin sie wollen,
die Russen nicht nach Konstantinopel, die Franzosen nicht wieder in den Besitz
Elsaß-Lothringens. Diese Abneigung der revolutionären Mächte nötigt die drei
konservativen Mächte ebenfalls in Waffen zu starren, und da dies auf lange
Zeit aus finanziellen Gründen kaum zu ertragen ist, so wird der Friedensbund,
um seine Kräfte nicht zu erschöpfen, in einem der nächsten Jahre wohl zunächst
in Nußland anfragen müssen, welchen Zweck es mit der Anhäufung von Truppen¬
massen und andern Kriegsvorbereitungen an der Grenze Dentschlands und
Österreich-Ungarns, von denen doch offenkundig kein Angriff drohe, verfolge.
Eine solche Frage aber pflegt man nur zu stellen, wenn man entschlossen ist,
eine unbefriedigende, weil nicht ganz deutliche und rückhaltlose Beantwortung
derselben als oasus dslli anzusehen und zu behandeln. Darin liegt der Haupt¬
grund zu der Beängstigung, welche die Friedensfreunde erfüllt. Daneben steht
aber als Trost die an Gewißheit grenzende Wahrscheinlichkeit, daß ein Krieg
mit einer Niederlage unsrer Feinde endigen und sie zur Einwilligung in eine
Abrüstung zwingen würde, die uns für die Zukunft den Frieden verbürgte.

Überlegen wird sich eine Kriegsmacht immer dann erweisen, wenn sie über
eine größere Zahl von Truppen verfügt als die des Gegners; doch ist dies nicht
allein das Entscheidende, da auch die gründlichere Übung, die bessere Bewaffnung,
die größere Kriegsbereitschaft, der schnellere Aufmarsch und die genialere
Führung als wichtige Umstände bei dem Vergleich in Betracht kommen. Was
die Zahl der Truppen angeht, so beträgt die des deutschen Heeres, welches, wie
wir uns von vornherein gegenwärtig halten wollen, die Hauptarbeit zu thun
haben würde, nach der neuesten Gestaltung der Wehrverfasfung mit Einschluß
des Landsturmes ungefähr drittehalb Millionen Soldaten, von denen die bei
weitem größere Hälfte vollkommen genügend geschult und in kriegstüchtigem
Alter ist. Die Kriegsstärke des deutschen Heeres ohne Landsturm beträgt
1456677 Mann mit 312731 Pferden und 2808 Geschützen, wovon 744031
Mann mit 242415 Pferden und 2040 Geschützen auf die Feldarmee, 296614
Mann mit 31373 Pferden und 444 Geschützen auf die Ersatztruppen und
416032 Mann mit 38943 Pferden und 324 Geschützen auf die Besatzungs¬
truppen kommen. Die Linieninfanterie zählt 161 Regimenter zu 3 Bataillonen,
die leichte 20 Jäger- und Schützenbataillone, die Kavallerie 93 Regimenter zu
5 Schwadronen, die Feldartillerie 37 Regimenter, die Fußartillerie 31 Ba¬
taillone, die Pioniere 19 Bataillone, wozu noch ein Eisenbahnregiment und
18 Trainbataillone kommen. Die weitern Einzelheiten sind in Schriften
und Zeitungsnachrichten so oft dargestellt worden, daß wir auf sie nicht
einzugehen brauchen, zumal da sich von selbst versteht, daß die verschiednen
Waffengattungen in richtigem Verhältnisse vorhanden sind, und daß es den
Mannschaften nicht an der erforderlichen Zahl von Offizieren und Unteroffi¬
zieren fehlt.


Grenzboten III, Is83. 15
Die Kriegsmacht des Friedensbundes und die seiner Gegner.

weil sie auf friedlichen Wegen nicht dahin gelangen können, wohin sie wollen,
die Russen nicht nach Konstantinopel, die Franzosen nicht wieder in den Besitz
Elsaß-Lothringens. Diese Abneigung der revolutionären Mächte nötigt die drei
konservativen Mächte ebenfalls in Waffen zu starren, und da dies auf lange
Zeit aus finanziellen Gründen kaum zu ertragen ist, so wird der Friedensbund,
um seine Kräfte nicht zu erschöpfen, in einem der nächsten Jahre wohl zunächst
in Nußland anfragen müssen, welchen Zweck es mit der Anhäufung von Truppen¬
massen und andern Kriegsvorbereitungen an der Grenze Dentschlands und
Österreich-Ungarns, von denen doch offenkundig kein Angriff drohe, verfolge.
Eine solche Frage aber pflegt man nur zu stellen, wenn man entschlossen ist,
eine unbefriedigende, weil nicht ganz deutliche und rückhaltlose Beantwortung
derselben als oasus dslli anzusehen und zu behandeln. Darin liegt der Haupt¬
grund zu der Beängstigung, welche die Friedensfreunde erfüllt. Daneben steht
aber als Trost die an Gewißheit grenzende Wahrscheinlichkeit, daß ein Krieg
mit einer Niederlage unsrer Feinde endigen und sie zur Einwilligung in eine
Abrüstung zwingen würde, die uns für die Zukunft den Frieden verbürgte.

Überlegen wird sich eine Kriegsmacht immer dann erweisen, wenn sie über
eine größere Zahl von Truppen verfügt als die des Gegners; doch ist dies nicht
allein das Entscheidende, da auch die gründlichere Übung, die bessere Bewaffnung,
die größere Kriegsbereitschaft, der schnellere Aufmarsch und die genialere
Führung als wichtige Umstände bei dem Vergleich in Betracht kommen. Was
die Zahl der Truppen angeht, so beträgt die des deutschen Heeres, welches, wie
wir uns von vornherein gegenwärtig halten wollen, die Hauptarbeit zu thun
haben würde, nach der neuesten Gestaltung der Wehrverfasfung mit Einschluß
des Landsturmes ungefähr drittehalb Millionen Soldaten, von denen die bei
weitem größere Hälfte vollkommen genügend geschult und in kriegstüchtigem
Alter ist. Die Kriegsstärke des deutschen Heeres ohne Landsturm beträgt
1456677 Mann mit 312731 Pferden und 2808 Geschützen, wovon 744031
Mann mit 242415 Pferden und 2040 Geschützen auf die Feldarmee, 296614
Mann mit 31373 Pferden und 444 Geschützen auf die Ersatztruppen und
416032 Mann mit 38943 Pferden und 324 Geschützen auf die Besatzungs¬
truppen kommen. Die Linieninfanterie zählt 161 Regimenter zu 3 Bataillonen,
die leichte 20 Jäger- und Schützenbataillone, die Kavallerie 93 Regimenter zu
5 Schwadronen, die Feldartillerie 37 Regimenter, die Fußartillerie 31 Ba¬
taillone, die Pioniere 19 Bataillone, wozu noch ein Eisenbahnregiment und
18 Trainbataillone kommen. Die weitern Einzelheiten sind in Schriften
und Zeitungsnachrichten so oft dargestellt worden, daß wir auf sie nicht
einzugehen brauchen, zumal da sich von selbst versteht, daß die verschiednen
Waffengattungen in richtigem Verhältnisse vorhanden sind, und daß es den
Mannschaften nicht an der erforderlichen Zahl von Offizieren und Unteroffi¬
zieren fehlt.


Grenzboten III, Is83. 15
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[0121] Die Kriegsmacht des Friedensbundes und die seiner Gegner. weil sie auf friedlichen Wegen nicht dahin gelangen können, wohin sie wollen, die Russen nicht nach Konstantinopel, die Franzosen nicht wieder in den Besitz Elsaß-Lothringens. Diese Abneigung der revolutionären Mächte nötigt die drei konservativen Mächte ebenfalls in Waffen zu starren, und da dies auf lange Zeit aus finanziellen Gründen kaum zu ertragen ist, so wird der Friedensbund, um seine Kräfte nicht zu erschöpfen, in einem der nächsten Jahre wohl zunächst in Nußland anfragen müssen, welchen Zweck es mit der Anhäufung von Truppen¬ massen und andern Kriegsvorbereitungen an der Grenze Dentschlands und Österreich-Ungarns, von denen doch offenkundig kein Angriff drohe, verfolge. Eine solche Frage aber pflegt man nur zu stellen, wenn man entschlossen ist, eine unbefriedigende, weil nicht ganz deutliche und rückhaltlose Beantwortung derselben als oasus dslli anzusehen und zu behandeln. Darin liegt der Haupt¬ grund zu der Beängstigung, welche die Friedensfreunde erfüllt. Daneben steht aber als Trost die an Gewißheit grenzende Wahrscheinlichkeit, daß ein Krieg mit einer Niederlage unsrer Feinde endigen und sie zur Einwilligung in eine Abrüstung zwingen würde, die uns für die Zukunft den Frieden verbürgte. Überlegen wird sich eine Kriegsmacht immer dann erweisen, wenn sie über eine größere Zahl von Truppen verfügt als die des Gegners; doch ist dies nicht allein das Entscheidende, da auch die gründlichere Übung, die bessere Bewaffnung, die größere Kriegsbereitschaft, der schnellere Aufmarsch und die genialere Führung als wichtige Umstände bei dem Vergleich in Betracht kommen. Was die Zahl der Truppen angeht, so beträgt die des deutschen Heeres, welches, wie wir uns von vornherein gegenwärtig halten wollen, die Hauptarbeit zu thun haben würde, nach der neuesten Gestaltung der Wehrverfasfung mit Einschluß des Landsturmes ungefähr drittehalb Millionen Soldaten, von denen die bei weitem größere Hälfte vollkommen genügend geschult und in kriegstüchtigem Alter ist. Die Kriegsstärke des deutschen Heeres ohne Landsturm beträgt 1456677 Mann mit 312731 Pferden und 2808 Geschützen, wovon 744031 Mann mit 242415 Pferden und 2040 Geschützen auf die Feldarmee, 296614 Mann mit 31373 Pferden und 444 Geschützen auf die Ersatztruppen und 416032 Mann mit 38943 Pferden und 324 Geschützen auf die Besatzungs¬ truppen kommen. Die Linieninfanterie zählt 161 Regimenter zu 3 Bataillonen, die leichte 20 Jäger- und Schützenbataillone, die Kavallerie 93 Regimenter zu 5 Schwadronen, die Feldartillerie 37 Regimenter, die Fußartillerie 31 Ba¬ taillone, die Pioniere 19 Bataillone, wozu noch ein Eisenbahnregiment und 18 Trainbataillone kommen. Die weitern Einzelheiten sind in Schriften und Zeitungsnachrichten so oft dargestellt worden, daß wir auf sie nicht einzugehen brauchen, zumal da sich von selbst versteht, daß die verschiednen Waffengattungen in richtigem Verhältnisse vorhanden sind, und daß es den Mannschaften nicht an der erforderlichen Zahl von Offizieren und Unteroffi¬ zieren fehlt. Grenzboten III, Is83. 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/121>, abgerufen am 22.07.2024.