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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Die Ariegsmacht des Friedensbundes und die seiner Gegner,

Über die Wehrkräfte unsrer österreichisch-ungarischen und italienischen Bundes¬
genossen müssen wir etwas ausführlicher berichten. Als Österreich-Ungarn nach
1866 daran ging, seine Heereseinrichtungen nach preußischem Muster umzu¬
bilden, übernahm es keine leichte Aufgabe; namentlich war es schwer, in dem
vielgegliederten und vielsprachigen Doppelstaate ein einheitliches, gut geschultes,
wohl bewaffnetes und von tüchtigen Offizieren befestigtes Heer zu schaffen.
Doch gelang dies in vergleichsweise kurzer Zeit. Die österreichischen Linien¬
truppen bestehen aus 408 Infanterie- und 42 Jägerbataillonen, 41 Kavallerie¬
regimentern mit 237 Schwadronen und 209 Batterien Artillerie mit 1529
Feldgeschützen, zu deren Ergänzung noch 102 Ersatzbataillone für die Infan¬
terie, 42 Ersatzkompagnien für die Jäger, 41 Ersatzschwadronen und 150 Ge¬
schütze bereit gehalten werden, und die zusammen etwa 780000 Manu stark
sind, wovon rund 500000 auf die Infanterie, 50000 auf die Jäger, 62000
auf die Kavallerie, ungefähr ebensoviele auf die Feldartillerie und die übrigen
auf die Festungsartillerie, die Genie- und Eisenbahntruppen, die Handwerker,
den Train und das Sanitätspersonal fallen. Die Dienstsprache des Heeres ist
das Deutsche, d. h. alle Befehle werden deutsch erteilt, wogegen die Unterweisung
der Mannschaften und der sonstige mündliche Verkehr derselben in den aus nicht
deutschen Bezirken rekrutirten Regimentern vorwiegend in der Sprache dieser
Bezirke stattfindet -- ein Übelstand, der sich nicht vermeiden läßt, obwohl er
die Gleichmäßigkeit und Einheitlichkeit der einzelnen Heeresglieder beeinträchtigt
und unter Umständen ihr rechtes Zusammenwirken hindern kann. Für die Aus¬
bildung der Offiziere ist, auch in Ungarn, während der letzten Jahrzehnte viel
geschehen, und wenn sie und ihre Leute in ihren gewöhnlichen Dienstblusen
nicht so schmuck und stramm aussehen wie ihre Kameraden im deutschen Reiche,
so ist die Tracht doch praktisch, weil bequem und gesund, und an Pflichttreue
und Schneidigkeit fehlt es denen, die sie tragen, ebenso wenig wie uns. Der
leidige Streit der Nationalitäten hat, wie es scheint, nicht auf das Offizierkorps
eingewirkt, es fühlt sich eins im Hinblick auf den obersten Kriegsherrn aller
seiner Glieder. Neben und unabhängig von dem Linienheere bestehen zwei
Landwehrkörper, einer für "die im Neichsrate vertretenen Länder," wie der
amtliche Ausdruck für Cisleithanien lautet, und einer für "die Länder der
ungarischen Krone," die Honvedarmee. Diese werden zum geringern Teile aus
den Mannschaften gebildet, die ihre zehnjährige Dienstzeit im stehenden Heere
(drei Jahre bei der Fahne, sieben in der Reserve) beendigt haben und nun noch
zwei Jahre in der Landwehr bleiben müssen, zum größern Teile aus den nicht
zum Dienst in der Linie herangezogenen Wehrpflichtigen, die zwölf Jahre der
Landwehr angehören, aber nur ziemlich gut geübt werden, wogegen die wissen¬
schaftliche Ausbildung der Offiziere namentlich bei der Honvedarmee mit Eifer
und in ungewöhnlicher Ausdehnung betrieben wird. Die cisleithanische Land¬
wehr zählt etwa 135000 Mann, die in 82 Jnfanteriebataillone, 10 Bataillone


Die Ariegsmacht des Friedensbundes und die seiner Gegner,

Über die Wehrkräfte unsrer österreichisch-ungarischen und italienischen Bundes¬
genossen müssen wir etwas ausführlicher berichten. Als Österreich-Ungarn nach
1866 daran ging, seine Heereseinrichtungen nach preußischem Muster umzu¬
bilden, übernahm es keine leichte Aufgabe; namentlich war es schwer, in dem
vielgegliederten und vielsprachigen Doppelstaate ein einheitliches, gut geschultes,
wohl bewaffnetes und von tüchtigen Offizieren befestigtes Heer zu schaffen.
Doch gelang dies in vergleichsweise kurzer Zeit. Die österreichischen Linien¬
truppen bestehen aus 408 Infanterie- und 42 Jägerbataillonen, 41 Kavallerie¬
regimentern mit 237 Schwadronen und 209 Batterien Artillerie mit 1529
Feldgeschützen, zu deren Ergänzung noch 102 Ersatzbataillone für die Infan¬
terie, 42 Ersatzkompagnien für die Jäger, 41 Ersatzschwadronen und 150 Ge¬
schütze bereit gehalten werden, und die zusammen etwa 780000 Manu stark
sind, wovon rund 500000 auf die Infanterie, 50000 auf die Jäger, 62000
auf die Kavallerie, ungefähr ebensoviele auf die Feldartillerie und die übrigen
auf die Festungsartillerie, die Genie- und Eisenbahntruppen, die Handwerker,
den Train und das Sanitätspersonal fallen. Die Dienstsprache des Heeres ist
das Deutsche, d. h. alle Befehle werden deutsch erteilt, wogegen die Unterweisung
der Mannschaften und der sonstige mündliche Verkehr derselben in den aus nicht
deutschen Bezirken rekrutirten Regimentern vorwiegend in der Sprache dieser
Bezirke stattfindet — ein Übelstand, der sich nicht vermeiden läßt, obwohl er
die Gleichmäßigkeit und Einheitlichkeit der einzelnen Heeresglieder beeinträchtigt
und unter Umständen ihr rechtes Zusammenwirken hindern kann. Für die Aus¬
bildung der Offiziere ist, auch in Ungarn, während der letzten Jahrzehnte viel
geschehen, und wenn sie und ihre Leute in ihren gewöhnlichen Dienstblusen
nicht so schmuck und stramm aussehen wie ihre Kameraden im deutschen Reiche,
so ist die Tracht doch praktisch, weil bequem und gesund, und an Pflichttreue
und Schneidigkeit fehlt es denen, die sie tragen, ebenso wenig wie uns. Der
leidige Streit der Nationalitäten hat, wie es scheint, nicht auf das Offizierkorps
eingewirkt, es fühlt sich eins im Hinblick auf den obersten Kriegsherrn aller
seiner Glieder. Neben und unabhängig von dem Linienheere bestehen zwei
Landwehrkörper, einer für „die im Neichsrate vertretenen Länder," wie der
amtliche Ausdruck für Cisleithanien lautet, und einer für „die Länder der
ungarischen Krone," die Honvedarmee. Diese werden zum geringern Teile aus
den Mannschaften gebildet, die ihre zehnjährige Dienstzeit im stehenden Heere
(drei Jahre bei der Fahne, sieben in der Reserve) beendigt haben und nun noch
zwei Jahre in der Landwehr bleiben müssen, zum größern Teile aus den nicht
zum Dienst in der Linie herangezogenen Wehrpflichtigen, die zwölf Jahre der
Landwehr angehören, aber nur ziemlich gut geübt werden, wogegen die wissen¬
schaftliche Ausbildung der Offiziere namentlich bei der Honvedarmee mit Eifer
und in ungewöhnlicher Ausdehnung betrieben wird. Die cisleithanische Land¬
wehr zählt etwa 135000 Mann, die in 82 Jnfanteriebataillone, 10 Bataillone


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/122>, abgerufen am 22.07.2024.