Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.Ricks 5yhne. Glauben Sie das? Ich suche nach einem Namen für Ihre Anschauung -- Jeder wahre Atheismus -- begann Ricks, aber Hjerrild unterbrach ihn Zehntes Aapitel. Erst im Sommer kehrte Erik Nestrup nach einem zweijährigen Aufenthalte Daß ihm das Glück so, gleichsam auf den ersten Wink, zugeflogen war, Seine Bilder waren klein, im Vordergrunde eine einzelne Gestalt, thonblau Ricks 5yhne. Glauben Sie das? Ich suche nach einem Namen für Ihre Anschauung — Jeder wahre Atheismus — begann Ricks, aber Hjerrild unterbrach ihn Zehntes Aapitel. Erst im Sommer kehrte Erik Nestrup nach einem zweijährigen Aufenthalte Daß ihm das Glück so, gleichsam auf den ersten Wink, zugeflogen war, Seine Bilder waren klein, im Vordergrunde eine einzelne Gestalt, thonblau <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0101" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289224"/> <fw type="header" place="top"> Ricks 5yhne.</fw><lb/> <p xml:id="ID_376"> Glauben Sie das? Ich suche nach einem Namen für Ihre Anschauung —<lb/> könnte man ihn nicht den pietistischen Atheismus nennen?</p><lb/> <p xml:id="ID_377"> Jeder wahre Atheismus — begann Ricks, aber Hjerrild unterbrach ihn<lb/> schnell: Natürlich, sagte er, natürlich! Laß uns doch nur ein einziges Thor,<lb/> ein einziges Nadelöhr für alle die Kamele der Erde!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> Zehntes Aapitel.</head><lb/> <p xml:id="ID_378"> Erst im Sommer kehrte Erik Nestrup nach einem zweijährigen Aufenthalte<lb/> in Italien wieder heim. Er war als Bildhauer fort gereist, aber als Maler<lb/> kam er zurück, und er hatte schon Glück gehabt mit seinen Bildern, er hatte<lb/> mehrere verkauft und neue Bestellungen erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_379"> Daß ihm das Glück so, gleichsam auf den ersten Wink, zugeflogen war,<lb/> verdankte er der sichern Selbstbegrenzung, mit der er sein Talent um sich zu¬<lb/> sammengezogen hatte. Es war keines der großen, vielversprechenden Talente,<lb/> deren Hände überall hinanreichen, deren Erdenweg einem Bacchuszuge gleicht,<lb/> die alle Gefilde jubelnd durchziehen und goldigen Samen nach allen Seiten hin<lb/> ausstreuen. Er gehörte zu denjenigen Talenten,, in welchen ein Traum be¬<lb/> graben liegt, der Frieden und Heiligkeit über einen kleinen Fleck ihrer Seele<lb/> verbreitet, da wo sie am meisten sie selber und doch am wenigsten sie selber<lb/> sind. Und durch das, was sie in der Kunst schaffen, die sie besitzen, klingt stets<lb/> derselbe sehnsuchtsvolle Endreim hindurch, und jedes ihrer Werke trägt dasselbe<lb/> ängstlich begrenzte Gepräge von Verwandtschaft, als stamme das Bild aus dem¬<lb/> selben kleinen Heimatslande, aus demselben kleinen Schlupfwinkel mitten zwischen<lb/> den Bergen. So verhielt es sich mit Erik; wo er auch in den Schönheits¬<lb/> ozean niedertauchen mochte, stets brachte er dieselbe Perle ans Licht.</p><lb/> <p xml:id="ID_380" next="#ID_381"> Seine Bilder waren klein, im Vordergrunde eine einzelne Gestalt, thonblau<lb/> durch ihren eignen Schatten; dahinter erikabewachsene Erde, die Heide oder die<lb/> Campagna, am Horizont der rotgoldige Schein der sinkenden Sonne. Eine<lb/> dieser Gestalten war ein junges Mädchen, das sich nach Art der Italienerinnen<lb/> selber weissagt. Sie hat sich auf die Kniee niedergelassen, an einer Stelle,<lb/> wo die Erde bräunlich unter dem kurzen Grase hervorschimmert. Ein Herz,<lb/> ein Kreuz und einen Anker aus getriebenem Silber hat sie von ihrer Halskette<lb/> gelöst und auf die Erde gestreut; jetzt liegt sie auf den Knieen, ihre Augen<lb/> sind gläubig geschlossen, die eine Hand deckt die Augen, die andre hält sie<lb/> suchend ausgestreckt nach dein unsagbaren Liebesglück, nach dem bittern Schmerz,<lb/> den das Kreuz mildert, und nach der Hoffnung hoffenden Alltagsleben. Sie hat<lb/> es noch nicht gewagt, die Erde zu berühren; die Hand ist zaghaft in dem<lb/> kalten, geheimnisvollen Schatten; die Wangen glühen, und der Mund verzieht<lb/> sich halb zum Weinen, halb zum Gebet. Es liegt etwas Feierliches in der<lb/> Luft, das Abendrot da draußen droht so schaurig und so heiß, legt sich so</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0101]
Ricks 5yhne.
Glauben Sie das? Ich suche nach einem Namen für Ihre Anschauung —
könnte man ihn nicht den pietistischen Atheismus nennen?
Jeder wahre Atheismus — begann Ricks, aber Hjerrild unterbrach ihn
schnell: Natürlich, sagte er, natürlich! Laß uns doch nur ein einziges Thor,
ein einziges Nadelöhr für alle die Kamele der Erde!
Zehntes Aapitel.
Erst im Sommer kehrte Erik Nestrup nach einem zweijährigen Aufenthalte
in Italien wieder heim. Er war als Bildhauer fort gereist, aber als Maler
kam er zurück, und er hatte schon Glück gehabt mit seinen Bildern, er hatte
mehrere verkauft und neue Bestellungen erhalten.
Daß ihm das Glück so, gleichsam auf den ersten Wink, zugeflogen war,
verdankte er der sichern Selbstbegrenzung, mit der er sein Talent um sich zu¬
sammengezogen hatte. Es war keines der großen, vielversprechenden Talente,
deren Hände überall hinanreichen, deren Erdenweg einem Bacchuszuge gleicht,
die alle Gefilde jubelnd durchziehen und goldigen Samen nach allen Seiten hin
ausstreuen. Er gehörte zu denjenigen Talenten,, in welchen ein Traum be¬
graben liegt, der Frieden und Heiligkeit über einen kleinen Fleck ihrer Seele
verbreitet, da wo sie am meisten sie selber und doch am wenigsten sie selber
sind. Und durch das, was sie in der Kunst schaffen, die sie besitzen, klingt stets
derselbe sehnsuchtsvolle Endreim hindurch, und jedes ihrer Werke trägt dasselbe
ängstlich begrenzte Gepräge von Verwandtschaft, als stamme das Bild aus dem¬
selben kleinen Heimatslande, aus demselben kleinen Schlupfwinkel mitten zwischen
den Bergen. So verhielt es sich mit Erik; wo er auch in den Schönheits¬
ozean niedertauchen mochte, stets brachte er dieselbe Perle ans Licht.
Seine Bilder waren klein, im Vordergrunde eine einzelne Gestalt, thonblau
durch ihren eignen Schatten; dahinter erikabewachsene Erde, die Heide oder die
Campagna, am Horizont der rotgoldige Schein der sinkenden Sonne. Eine
dieser Gestalten war ein junges Mädchen, das sich nach Art der Italienerinnen
selber weissagt. Sie hat sich auf die Kniee niedergelassen, an einer Stelle,
wo die Erde bräunlich unter dem kurzen Grase hervorschimmert. Ein Herz,
ein Kreuz und einen Anker aus getriebenem Silber hat sie von ihrer Halskette
gelöst und auf die Erde gestreut; jetzt liegt sie auf den Knieen, ihre Augen
sind gläubig geschlossen, die eine Hand deckt die Augen, die andre hält sie
suchend ausgestreckt nach dein unsagbaren Liebesglück, nach dem bittern Schmerz,
den das Kreuz mildert, und nach der Hoffnung hoffenden Alltagsleben. Sie hat
es noch nicht gewagt, die Erde zu berühren; die Hand ist zaghaft in dem
kalten, geheimnisvollen Schatten; die Wangen glühen, und der Mund verzieht
sich halb zum Weinen, halb zum Gebet. Es liegt etwas Feierliches in der
Luft, das Abendrot da draußen droht so schaurig und so heiß, legt sich so
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |