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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Frauenfrage des vierten Standes.

mädchen in einem bessern Haushalte Gelegenheit finden wird, sich den Sinn für
Ordnung und Reinlichkeit anzueignen; dagegen erscheint es doch sehr fraglich,
ob die gerade für Ärmere so wichtige Kunst des Sparens und die richtige Ver¬
wendung des Einkommens, kurz Wirtschaftlichkeit selbst in einem solchen Haus¬
halte erlernt wird, dessen Vorsteherin überdies in vielen Fällen keine Neigung
verspürt oder vielleicht unfähig ist, das Mädchen für ihren künftigen Haus¬
frauenberuf vorzubereiten. Meist liegt die Sache so, daß das den untern Stünden
angehörende dienende junge Mädchen in Verhältnisse tritt, die ihm fremd sind,
in dem Hauswesen einer bemittelten Familie nach mancher Richtung hin ver¬
wöhnt wird und niemals die Kenntnisse erwirbt, die zur Führung des einfachen
Haushaltes einer Arbeiterfamilie notwendig sind. Es sei nur darauf verwiesen,
daß das Dienstmädchen eines wohlhabenden Hauses von ihrer Dienstherrin in
den seltensten Fällen, vielleicht niemals mit dem Kochen einer einfachen, kräftigen
Hausmannskost, wie sie ein Angehöriger der arbeitenden Bevölkerung verlangt,
vertraut gemacht werden wird. Dadurch aber, daß die künftige Arbeiterfrau nicht mit
den Verhältnissen rechnen lernt, unter denen sie einst zu wirtschaften hat, bleibt
sie trotz ihrer Erziehung im Dienste einer Familie schließlich ohne die erforder¬
lichen häuslichen Kenntnisse.

Abgesehen von alledem verdient auch beachtet zu werden, daß trotz Dienstboten¬
mangels die Zahl der Familien, die weiblicher Dienstboten bedürfen, immerhin
beschränkt und infolgedessen die große Masse der Arbeiterinnen überhaupt an¬
gewiesen ist, die Ausbildung in wirtschaftlicher Beziehung in einer andern
Stellung als der eines Dienstmädchens sich anzueignen. In welcher Weise das
geschehen kann, darauf soll im folgenden kurz hingewiesen werden.

Da die junge Arbeiterin meist nicht Gelegenheit findet, Wohnung und Be¬
köstigung in einer Familie ihres Standes zu nehmen, in welcher sie gleichzeitig
in geeigneter Weise auf den Beruf der Hausfrau vorbereitet wird, so hat die
Fürsorge der Arbeitgeber und die Vereinsthätigkeit, insbesondre der Frauenvereine,
einzugreifen.

Am zweckmäßigsten würde jedenfalls die Ausbildung der jungen Mädchen
in den Logir- und Kosthäusern der Arbeitgeber erfolgen. Da in diesen ein
größeres Wirtschaftspersonal sowieso erforderlich ist, kann dieses in der Weise
beschafft werden, daß alle Arbeiterinnen unter Aufsicht einer geeigneten Per¬
sönlichkeit abwechselnd, etwa in regelmäßigem Wechsel von je vierzehn Tagen,
zu den Arbeiten herangezogen werden, welche (wie z. B. Kochen, Reinigen,
Flicken, Bügeln u. dergl.) für die Anstalt auszuführen sind. Auf diese Weise
leidet weder der Gewerbebetrieb der Unternehmer, noch der Betrieb des Logir-
und Kosthauses Schaden; der Vorteil für die, Arbeiterinnen dagegen wird,
wenn gleichzeitig deren allgemeine Bildung durch Unterricht in den verschie¬
densten wissenswerten Dingen (z. B. in den Elementen der Gesundheits- und
Krankenpflege) u. s. w. ergänzt wird, sehr bedeutend sein.


Die Frauenfrage des vierten Standes.

mädchen in einem bessern Haushalte Gelegenheit finden wird, sich den Sinn für
Ordnung und Reinlichkeit anzueignen; dagegen erscheint es doch sehr fraglich,
ob die gerade für Ärmere so wichtige Kunst des Sparens und die richtige Ver¬
wendung des Einkommens, kurz Wirtschaftlichkeit selbst in einem solchen Haus¬
halte erlernt wird, dessen Vorsteherin überdies in vielen Fällen keine Neigung
verspürt oder vielleicht unfähig ist, das Mädchen für ihren künftigen Haus¬
frauenberuf vorzubereiten. Meist liegt die Sache so, daß das den untern Stünden
angehörende dienende junge Mädchen in Verhältnisse tritt, die ihm fremd sind,
in dem Hauswesen einer bemittelten Familie nach mancher Richtung hin ver¬
wöhnt wird und niemals die Kenntnisse erwirbt, die zur Führung des einfachen
Haushaltes einer Arbeiterfamilie notwendig sind. Es sei nur darauf verwiesen,
daß das Dienstmädchen eines wohlhabenden Hauses von ihrer Dienstherrin in
den seltensten Fällen, vielleicht niemals mit dem Kochen einer einfachen, kräftigen
Hausmannskost, wie sie ein Angehöriger der arbeitenden Bevölkerung verlangt,
vertraut gemacht werden wird. Dadurch aber, daß die künftige Arbeiterfrau nicht mit
den Verhältnissen rechnen lernt, unter denen sie einst zu wirtschaften hat, bleibt
sie trotz ihrer Erziehung im Dienste einer Familie schließlich ohne die erforder¬
lichen häuslichen Kenntnisse.

Abgesehen von alledem verdient auch beachtet zu werden, daß trotz Dienstboten¬
mangels die Zahl der Familien, die weiblicher Dienstboten bedürfen, immerhin
beschränkt und infolgedessen die große Masse der Arbeiterinnen überhaupt an¬
gewiesen ist, die Ausbildung in wirtschaftlicher Beziehung in einer andern
Stellung als der eines Dienstmädchens sich anzueignen. In welcher Weise das
geschehen kann, darauf soll im folgenden kurz hingewiesen werden.

Da die junge Arbeiterin meist nicht Gelegenheit findet, Wohnung und Be¬
köstigung in einer Familie ihres Standes zu nehmen, in welcher sie gleichzeitig
in geeigneter Weise auf den Beruf der Hausfrau vorbereitet wird, so hat die
Fürsorge der Arbeitgeber und die Vereinsthätigkeit, insbesondre der Frauenvereine,
einzugreifen.

Am zweckmäßigsten würde jedenfalls die Ausbildung der jungen Mädchen
in den Logir- und Kosthäusern der Arbeitgeber erfolgen. Da in diesen ein
größeres Wirtschaftspersonal sowieso erforderlich ist, kann dieses in der Weise
beschafft werden, daß alle Arbeiterinnen unter Aufsicht einer geeigneten Per¬
sönlichkeit abwechselnd, etwa in regelmäßigem Wechsel von je vierzehn Tagen,
zu den Arbeiten herangezogen werden, welche (wie z. B. Kochen, Reinigen,
Flicken, Bügeln u. dergl.) für die Anstalt auszuführen sind. Auf diese Weise
leidet weder der Gewerbebetrieb der Unternehmer, noch der Betrieb des Logir-
und Kosthauses Schaden; der Vorteil für die, Arbeiterinnen dagegen wird,
wenn gleichzeitig deren allgemeine Bildung durch Unterricht in den verschie¬
densten wissenswerten Dingen (z. B. in den Elementen der Gesundheits- und
Krankenpflege) u. s. w. ergänzt wird, sehr bedeutend sein.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/93>, abgerufen am 24.08.2024.