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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Staatsxhilosoxhie Friedrichs des Großen.

nicht selber annimmt und allen mit seinem Beispiel vorangeht, so ist es aus
mit uns (Wut "se lini)." (Osuvre-s IX, 186). Die Notwendigkeit für den
preußischen Adel, im Waffendienste seine Hingebung an König und Vaterland
zu erproben, wird in so derber Weise ausgesprochen, daß es schade wäre, durch
Übersetzung den klassischen Ausspruch irgendwie abzuschwächen. Er steht in
der dem Major Borcke für die Erziehung des Thronfolgers gegebenen In¬
struktion (IX, 39): 1out as naisLÄnoo <^ni n'ost soläg-t, n'ö8t
qu'rin in,i,8<5rM6.

Trotz alledem war sich Friedrich bewußt, daß der Fürst nicht im Soldaten
aufgehen dürfe, und daß die Armee wohl der starke Arm des Staates sei, die
dauernde Kraft desselben aber im Gedeihen und in der Vaterlandsliebe aller
Bevölkerungsklassen ruhe. "Ein gut regiertes Königreich," erklären die "Briefe
über Vaterlandsliebe", "muß einer Familie gleichen, deren Vater der Fürst ist,
die Unterthanen seine Kinder (also nichts von Gesellschaftsvertrag, sondern sitt¬
liches Verhältnis!); sie teilen gutes und böses, denn der Fürst kann nicht
glücklich sein, wenn sein Volk im Elend lebt. Ist diese Verbindung Wohl
gekittet, so erzeugt die Pflicht der Dankbarkeit gute Bürger, weil sie mit dem
Staate zu innig verbunden sind, um sich von ihm trennen zu können. Sie
hätten dabei alles zu verlieren und nichts zu gewinnen." (Osuvi'of IX, 216).
Besonders muß dem Herrscher das Wohl der ärmeren Klassen am Herzen
liegen. "Der Souverän muß oftmals der Lage des armen Volkes gedenken,
sich an die Stelle eines Bauern oder Handwerkers setzen und sich dann sagen:
Wenn ich in der Klasse dieser Bürger geboren wäre, deren Kapital ihre Arme
sind, was würde ich dann vom Herrscher verlangen? Was dann der gesunde
Menschenverstand dem Fürsten als zweckmäßig bezeichnet, das auszuführen wird
er sich zur Pflicht machen." (IX, 205).

Aus der pflichtmäßigen Fürsorge des Fürsten für sein Volk, aus der ver¬
trauensvollen Hingebung des Volkes an den Fürsten erwächst die wahre Vater¬
landsliebe, die Friedrich mit schönem Ausdruck (II, 6) die bürgerliche Religion
des Landes nennt. In echter Vaterlandsliebe geeint, werden Fürst und Volk
stark sein, ohne daran zu denken, die Macht des Staates zu mißbrauchen, um
Eroberungen zu machen, die nicht dem Ganzen frommen, sondern nur eitle
Ruhmsucht vergnügen würden. Da der Staat aber zur Erfüllung seiner Auf¬
gaben vor allem der Macht bedarf, so wird allerdings sein Oberhaupt darauf
bedacht sein müssen, mit weitschauendem Blick teils die Gelegenheit zu erspähen,
wo ohne Verletzung des Rechtes ein Machtzuwachs sich ermöglichen läßt,
namentlich aber Vorsorge zu treffen, daß man der eifersüchtigen Gegnerschaft
andrer Mächte womöglich niemals allein entgegenzutreten habe. Das schwierige
Kapitel der Bündnisse ist vom König öfter und eingehend behandelt
worden. Sein eignes Verhalten mit Bezug auf Vundestreue ist von
manchen bemängelt worden. Das Prinzip desselben hat er schon im


Die Staatsxhilosoxhie Friedrichs des Großen.

nicht selber annimmt und allen mit seinem Beispiel vorangeht, so ist es aus
mit uns (Wut «se lini)." (Osuvre-s IX, 186). Die Notwendigkeit für den
preußischen Adel, im Waffendienste seine Hingebung an König und Vaterland
zu erproben, wird in so derber Weise ausgesprochen, daß es schade wäre, durch
Übersetzung den klassischen Ausspruch irgendwie abzuschwächen. Er steht in
der dem Major Borcke für die Erziehung des Thronfolgers gegebenen In¬
struktion (IX, 39): 1out as naisLÄnoo <^ni n'ost soläg-t, n'ö8t
qu'rin in,i,8<5rM6.

Trotz alledem war sich Friedrich bewußt, daß der Fürst nicht im Soldaten
aufgehen dürfe, und daß die Armee wohl der starke Arm des Staates sei, die
dauernde Kraft desselben aber im Gedeihen und in der Vaterlandsliebe aller
Bevölkerungsklassen ruhe. „Ein gut regiertes Königreich," erklären die „Briefe
über Vaterlandsliebe", „muß einer Familie gleichen, deren Vater der Fürst ist,
die Unterthanen seine Kinder (also nichts von Gesellschaftsvertrag, sondern sitt¬
liches Verhältnis!); sie teilen gutes und böses, denn der Fürst kann nicht
glücklich sein, wenn sein Volk im Elend lebt. Ist diese Verbindung Wohl
gekittet, so erzeugt die Pflicht der Dankbarkeit gute Bürger, weil sie mit dem
Staate zu innig verbunden sind, um sich von ihm trennen zu können. Sie
hätten dabei alles zu verlieren und nichts zu gewinnen." (Osuvi'of IX, 216).
Besonders muß dem Herrscher das Wohl der ärmeren Klassen am Herzen
liegen. „Der Souverän muß oftmals der Lage des armen Volkes gedenken,
sich an die Stelle eines Bauern oder Handwerkers setzen und sich dann sagen:
Wenn ich in der Klasse dieser Bürger geboren wäre, deren Kapital ihre Arme
sind, was würde ich dann vom Herrscher verlangen? Was dann der gesunde
Menschenverstand dem Fürsten als zweckmäßig bezeichnet, das auszuführen wird
er sich zur Pflicht machen." (IX, 205).

Aus der pflichtmäßigen Fürsorge des Fürsten für sein Volk, aus der ver¬
trauensvollen Hingebung des Volkes an den Fürsten erwächst die wahre Vater¬
landsliebe, die Friedrich mit schönem Ausdruck (II, 6) die bürgerliche Religion
des Landes nennt. In echter Vaterlandsliebe geeint, werden Fürst und Volk
stark sein, ohne daran zu denken, die Macht des Staates zu mißbrauchen, um
Eroberungen zu machen, die nicht dem Ganzen frommen, sondern nur eitle
Ruhmsucht vergnügen würden. Da der Staat aber zur Erfüllung seiner Auf¬
gaben vor allem der Macht bedarf, so wird allerdings sein Oberhaupt darauf
bedacht sein müssen, mit weitschauendem Blick teils die Gelegenheit zu erspähen,
wo ohne Verletzung des Rechtes ein Machtzuwachs sich ermöglichen läßt,
namentlich aber Vorsorge zu treffen, daß man der eifersüchtigen Gegnerschaft
andrer Mächte womöglich niemals allein entgegenzutreten habe. Das schwierige
Kapitel der Bündnisse ist vom König öfter und eingehend behandelt
worden. Sein eignes Verhalten mit Bezug auf Vundestreue ist von
manchen bemängelt worden. Das Prinzip desselben hat er schon im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/66>, abgerufen am 24.08.2024.