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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.

Schlusse zu widersprechen, und der Vertrag wurde nur zu dem Zwecke an eine
Kommission verwiesen, um den Versuch zu machen, einige Bestimmungen zu
mildern. Als der Reichstag über den Antrag des Hamburger Senats auf
Eintritt in den Zollverein verhandelte, waren die großen grundsätzlichen Fragen
eingehend erörtert worden. Als der Bundesrat im Januar 1885 dem Reichs¬
tage eine Vorlage über den Anschluß Bremens zugehen ließ, vermochten selbst
die ausgesprochensten Freihändler nichts dagegen einzuwenden, daß Bremen das
Schicksal Hamburgs teilen müsse.

Die von Hamburg so verschiedenen örtlichen Verhältnisse Bremens bedingten
es, daß, wenn die Wohnstadt gleichzeitig mit Hamburg dem Zollgebiet an¬
geschlossen wurde, zwei verschiedene Gebiete den Aufgaben des internationalen
Zwischenhandels vorbehalten blieben. Die Neichsregierung willigte sofort ein,
die Hafenanlagen von Bremerhaven und die damit verbundenen Petroleumlager¬
plätze durch ein Zollgitter als Ausschlußgebiet von der Wohnstadt Bremerhaven
zu trennen. Die Bremischen Kommissarien verlangten aber außerdem die Be¬
nutzung eines Freihafeus in der Stadt Bremen selbst, in welchem, wie in dem
Hamburger Freihafenbezirk, die Bewegung der Schiffe und Waren von jeder
Zollkontrolle befreit und die Anlegung von industriellen Großbetrieben gestattet
sein sollte. Auf solche Forderungen glaubten die Kommissarien der Reichs¬
regierung nicht eingehen zu können. Die Bremer mußten sich mit dem Zu¬
geständnis begnügen, daß, während sämtliche bisherigen Hafenanlagen, Waren¬
häuser und Löschanstciltcn in das Zollgebiet eingeschlossen wurden, unterhalb
der Stadt auf dem rechten Weserufer ein neuer stadtbremischer Freibezirk mit
einem Umfange von 87 Hektaren geschaffen wurde. Sie mußten sich weiter da¬
mit zufrieden geben, daß für dieses Entrepot die Gründung einer der Hambur¬
gischen entsprechenden Exportindustrie versagt blieb. Im übrigen zeigte das
Reich dieselbe entgegenkommende und wohlwollende Haltung, wie beim Zoll¬
anschluß Hamburgs. Obwohl mit dem Anschluß Bremens auch die Unterweser
in das Zollgebiet eingeschlossen wird, sollen dennoch den die Unterweser von
und nach Bremen passirenden Seeschiffen, bei Erfüllung der nämlichen Zoll¬
formalitäten, dieselben Erleichterungen zu Teil werden, wie man sie Hamburg in
Bezug auf seineu Verkehr durch die Unterelbe gewährt hatte. Für die zwischen
Bremen und Bremerhaven fahrenden Leichterschiffe, die den Verkehr zwischen
den in Bremerhaven löschenden und ladenden Seeschiffen und Bremen selbst, wo
in der Hauptsache die Lagerung der Waren stattfindet, zu vermitteln haben,
wurde ein erleichtertes Abfertigungsverfahren versprochen. Den in Bremen be¬
stehenden, im Vergleich zu Hamburg allerdings geringfügigen Industriebetrieben,
die auf die zollfreie Verarbeitung ausländischer Rohstoffe angewiesen waren,
wurde jede mögliche Rücksicht in Aussicht gestellt. Genau, wie sie es gegen¬
über Hamburg gethan hatte, willigte die Reichsregiernng in eine Abänderung
der Zvllregulntive mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Bremischen Handels,


Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.

Schlusse zu widersprechen, und der Vertrag wurde nur zu dem Zwecke an eine
Kommission verwiesen, um den Versuch zu machen, einige Bestimmungen zu
mildern. Als der Reichstag über den Antrag des Hamburger Senats auf
Eintritt in den Zollverein verhandelte, waren die großen grundsätzlichen Fragen
eingehend erörtert worden. Als der Bundesrat im Januar 1885 dem Reichs¬
tage eine Vorlage über den Anschluß Bremens zugehen ließ, vermochten selbst
die ausgesprochensten Freihändler nichts dagegen einzuwenden, daß Bremen das
Schicksal Hamburgs teilen müsse.

Die von Hamburg so verschiedenen örtlichen Verhältnisse Bremens bedingten
es, daß, wenn die Wohnstadt gleichzeitig mit Hamburg dem Zollgebiet an¬
geschlossen wurde, zwei verschiedene Gebiete den Aufgaben des internationalen
Zwischenhandels vorbehalten blieben. Die Neichsregierung willigte sofort ein,
die Hafenanlagen von Bremerhaven und die damit verbundenen Petroleumlager¬
plätze durch ein Zollgitter als Ausschlußgebiet von der Wohnstadt Bremerhaven
zu trennen. Die Bremischen Kommissarien verlangten aber außerdem die Be¬
nutzung eines Freihafeus in der Stadt Bremen selbst, in welchem, wie in dem
Hamburger Freihafenbezirk, die Bewegung der Schiffe und Waren von jeder
Zollkontrolle befreit und die Anlegung von industriellen Großbetrieben gestattet
sein sollte. Auf solche Forderungen glaubten die Kommissarien der Reichs¬
regierung nicht eingehen zu können. Die Bremer mußten sich mit dem Zu¬
geständnis begnügen, daß, während sämtliche bisherigen Hafenanlagen, Waren¬
häuser und Löschanstciltcn in das Zollgebiet eingeschlossen wurden, unterhalb
der Stadt auf dem rechten Weserufer ein neuer stadtbremischer Freibezirk mit
einem Umfange von 87 Hektaren geschaffen wurde. Sie mußten sich weiter da¬
mit zufrieden geben, daß für dieses Entrepot die Gründung einer der Hambur¬
gischen entsprechenden Exportindustrie versagt blieb. Im übrigen zeigte das
Reich dieselbe entgegenkommende und wohlwollende Haltung, wie beim Zoll¬
anschluß Hamburgs. Obwohl mit dem Anschluß Bremens auch die Unterweser
in das Zollgebiet eingeschlossen wird, sollen dennoch den die Unterweser von
und nach Bremen passirenden Seeschiffen, bei Erfüllung der nämlichen Zoll¬
formalitäten, dieselben Erleichterungen zu Teil werden, wie man sie Hamburg in
Bezug auf seineu Verkehr durch die Unterelbe gewährt hatte. Für die zwischen
Bremen und Bremerhaven fahrenden Leichterschiffe, die den Verkehr zwischen
den in Bremerhaven löschenden und ladenden Seeschiffen und Bremen selbst, wo
in der Hauptsache die Lagerung der Waren stattfindet, zu vermitteln haben,
wurde ein erleichtertes Abfertigungsverfahren versprochen. Den in Bremen be¬
stehenden, im Vergleich zu Hamburg allerdings geringfügigen Industriebetrieben,
die auf die zollfreie Verarbeitung ausländischer Rohstoffe angewiesen waren,
wurde jede mögliche Rücksicht in Aussicht gestellt. Genau, wie sie es gegen¬
über Hamburg gethan hatte, willigte die Reichsregiernng in eine Abänderung
der Zvllregulntive mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Bremischen Handels,


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[0621] Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens. Schlusse zu widersprechen, und der Vertrag wurde nur zu dem Zwecke an eine Kommission verwiesen, um den Versuch zu machen, einige Bestimmungen zu mildern. Als der Reichstag über den Antrag des Hamburger Senats auf Eintritt in den Zollverein verhandelte, waren die großen grundsätzlichen Fragen eingehend erörtert worden. Als der Bundesrat im Januar 1885 dem Reichs¬ tage eine Vorlage über den Anschluß Bremens zugehen ließ, vermochten selbst die ausgesprochensten Freihändler nichts dagegen einzuwenden, daß Bremen das Schicksal Hamburgs teilen müsse. Die von Hamburg so verschiedenen örtlichen Verhältnisse Bremens bedingten es, daß, wenn die Wohnstadt gleichzeitig mit Hamburg dem Zollgebiet an¬ geschlossen wurde, zwei verschiedene Gebiete den Aufgaben des internationalen Zwischenhandels vorbehalten blieben. Die Neichsregierung willigte sofort ein, die Hafenanlagen von Bremerhaven und die damit verbundenen Petroleumlager¬ plätze durch ein Zollgitter als Ausschlußgebiet von der Wohnstadt Bremerhaven zu trennen. Die Bremischen Kommissarien verlangten aber außerdem die Be¬ nutzung eines Freihafeus in der Stadt Bremen selbst, in welchem, wie in dem Hamburger Freihafenbezirk, die Bewegung der Schiffe und Waren von jeder Zollkontrolle befreit und die Anlegung von industriellen Großbetrieben gestattet sein sollte. Auf solche Forderungen glaubten die Kommissarien der Reichs¬ regierung nicht eingehen zu können. Die Bremer mußten sich mit dem Zu¬ geständnis begnügen, daß, während sämtliche bisherigen Hafenanlagen, Waren¬ häuser und Löschanstciltcn in das Zollgebiet eingeschlossen wurden, unterhalb der Stadt auf dem rechten Weserufer ein neuer stadtbremischer Freibezirk mit einem Umfange von 87 Hektaren geschaffen wurde. Sie mußten sich weiter da¬ mit zufrieden geben, daß für dieses Entrepot die Gründung einer der Hambur¬ gischen entsprechenden Exportindustrie versagt blieb. Im übrigen zeigte das Reich dieselbe entgegenkommende und wohlwollende Haltung, wie beim Zoll¬ anschluß Hamburgs. Obwohl mit dem Anschluß Bremens auch die Unterweser in das Zollgebiet eingeschlossen wird, sollen dennoch den die Unterweser von und nach Bremen passirenden Seeschiffen, bei Erfüllung der nämlichen Zoll¬ formalitäten, dieselben Erleichterungen zu Teil werden, wie man sie Hamburg in Bezug auf seineu Verkehr durch die Unterelbe gewährt hatte. Für die zwischen Bremen und Bremerhaven fahrenden Leichterschiffe, die den Verkehr zwischen den in Bremerhaven löschenden und ladenden Seeschiffen und Bremen selbst, wo in der Hauptsache die Lagerung der Waren stattfindet, zu vermitteln haben, wurde ein erleichtertes Abfertigungsverfahren versprochen. Den in Bremen be¬ stehenden, im Vergleich zu Hamburg allerdings geringfügigen Industriebetrieben, die auf die zollfreie Verarbeitung ausländischer Rohstoffe angewiesen waren, wurde jede mögliche Rücksicht in Aussicht gestellt. Genau, wie sie es gegen¬ über Hamburg gethan hatte, willigte die Reichsregiernng in eine Abänderung der Zvllregulntive mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Bremischen Handels,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/621>, abgerufen am 23.07.2024.