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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.

aufgehört hätten, aus russischem Sprit "echten" Maraschino, Benediktiner,
Jamaika-Rum und Bordeauxweine herzustellen. Nach dem Maivertrage ist die
Rektisizirung von russischem Sprit im Hamburgischen Zollgebiet bis zum Ende
dieses Jahrhunderts, im Freihafengebiet für alle Zeiten gestattet. Die Hamburger
hatten das größte Hindernis für eine Verständigung darin gesehen, daß das
büreaukratische preußische Zollsystem sowohl in Bezug auf das Formelle der
Zollabfertigung, als auch mit seinem Jnstcmzenwesen bis zum Finanzminister
hinauf dem großen Verkehr der Hafenstadt nicht entspreche. Die Neichsregierung
versprach nicht allein eine Abänderung ihrer Regulative vorzunehmen, sondern
gab auch, indem sie der Stadt Hamburg die Verwaltung der Zölle durch ihre
eignen Beamten und in zweiter Instanz durch ihre eignen Behörden überließ,
den Hamburgern die sichersten Bürgschaften, daß die veränderten Zollgesetze auch
den Interessen des Handels entsprechend gehandhabt würden. Es war selbst¬
verständlich, daß die in der Wohnstadt angehäuften fremdländischen Waren nach
dem Wegfall der Zollschranken nicht ohne Zoll in den bestehenden Zollverein
eingeführt werden konnten. Die Neichsregierung war sofort damit einverstanden,
daß der gesamte Nachsteuerertrag der Hamburgischen Staatskasse anheimfallen
sollte. Das Reich versprach endlich von den durch den Zollanschluß Hamburg
erwachsenen Kosten die Hälfte, jedoch höchstens in der Höhe von 40 Millionen
Mark zu zahlen.

Man kann zweifeln, ob Bremen klug gehandelt hatte, sich jeder selbständigen
Politik zu enthalten und einfach mit Hamburg stehen und fallen zu wollen, da ein
solches Verhalten weder auf der einen, noch auf der andern Seite Freunde er¬
warb. Jedenfalls blieb, nachdem man die Aufstellung eines eignen Programms
zur rechten Zeit versäumt hatte, den Bremern nichts andres übrig, als in dem
Augenblicke, wo der Hamburger Senat einlenkte, auch ihrerseits den Frieden
mit dem Reiche zu suchen. Genau wie der Hamburger Senat, hatte daher auch
der Bremer Senat schon im Jahre 1880 gewisse Untersuchungen über alle für
den Fall des Zollanschlusfes in Betracht kommende Punkte veranstaltet. Wie
der Hamburger Senat, hatte dann ebenso der Bremer im April 1881 an den
preußische" Finanzminister das Ersuchen um vertrauliche Vorbesprechungen über
die Grundlagen des Anschlusses gerichtet. Und wie der Hamburger Senat, wäre
auch der Bremer damals schon bereit gewesen, abzuschließen, wenn nicht die
Reichsregierung bestimmt erklärt hätte, daß sie bei den unsäglichen Schwierig¬
keiten der Hamburger Frage erst nach dem Abschlüsse mit Hamburg mit Bremen
weiter verhandeln könne. So wurde erst 3 Jahre später am 4. Juli 1884
die vorläufige Vereinbarung zwischen der Reichsregierung und Bremen unter¬
zeichnet. Am 29. August teilte sie der Senat der Bürgerschaft mit. In Ham¬
burg war in jener denkwürdigen Sitzung der Bürgerschaft ein erbitterter Streit
darüber ausgefochten worden, ob man Frieden schließen oder den Kampf fort¬
setzen solle. In der Bremer Bürgerschaft wagte kaum jemand, dem Friedens-


Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.

aufgehört hätten, aus russischem Sprit „echten" Maraschino, Benediktiner,
Jamaika-Rum und Bordeauxweine herzustellen. Nach dem Maivertrage ist die
Rektisizirung von russischem Sprit im Hamburgischen Zollgebiet bis zum Ende
dieses Jahrhunderts, im Freihafengebiet für alle Zeiten gestattet. Die Hamburger
hatten das größte Hindernis für eine Verständigung darin gesehen, daß das
büreaukratische preußische Zollsystem sowohl in Bezug auf das Formelle der
Zollabfertigung, als auch mit seinem Jnstcmzenwesen bis zum Finanzminister
hinauf dem großen Verkehr der Hafenstadt nicht entspreche. Die Neichsregierung
versprach nicht allein eine Abänderung ihrer Regulative vorzunehmen, sondern
gab auch, indem sie der Stadt Hamburg die Verwaltung der Zölle durch ihre
eignen Beamten und in zweiter Instanz durch ihre eignen Behörden überließ,
den Hamburgern die sichersten Bürgschaften, daß die veränderten Zollgesetze auch
den Interessen des Handels entsprechend gehandhabt würden. Es war selbst¬
verständlich, daß die in der Wohnstadt angehäuften fremdländischen Waren nach
dem Wegfall der Zollschranken nicht ohne Zoll in den bestehenden Zollverein
eingeführt werden konnten. Die Neichsregierung war sofort damit einverstanden,
daß der gesamte Nachsteuerertrag der Hamburgischen Staatskasse anheimfallen
sollte. Das Reich versprach endlich von den durch den Zollanschluß Hamburg
erwachsenen Kosten die Hälfte, jedoch höchstens in der Höhe von 40 Millionen
Mark zu zahlen.

Man kann zweifeln, ob Bremen klug gehandelt hatte, sich jeder selbständigen
Politik zu enthalten und einfach mit Hamburg stehen und fallen zu wollen, da ein
solches Verhalten weder auf der einen, noch auf der andern Seite Freunde er¬
warb. Jedenfalls blieb, nachdem man die Aufstellung eines eignen Programms
zur rechten Zeit versäumt hatte, den Bremern nichts andres übrig, als in dem
Augenblicke, wo der Hamburger Senat einlenkte, auch ihrerseits den Frieden
mit dem Reiche zu suchen. Genau wie der Hamburger Senat, hatte daher auch
der Bremer Senat schon im Jahre 1880 gewisse Untersuchungen über alle für
den Fall des Zollanschlusfes in Betracht kommende Punkte veranstaltet. Wie
der Hamburger Senat, hatte dann ebenso der Bremer im April 1881 an den
preußische» Finanzminister das Ersuchen um vertrauliche Vorbesprechungen über
die Grundlagen des Anschlusses gerichtet. Und wie der Hamburger Senat, wäre
auch der Bremer damals schon bereit gewesen, abzuschließen, wenn nicht die
Reichsregierung bestimmt erklärt hätte, daß sie bei den unsäglichen Schwierig¬
keiten der Hamburger Frage erst nach dem Abschlüsse mit Hamburg mit Bremen
weiter verhandeln könne. So wurde erst 3 Jahre später am 4. Juli 1884
die vorläufige Vereinbarung zwischen der Reichsregierung und Bremen unter¬
zeichnet. Am 29. August teilte sie der Senat der Bürgerschaft mit. In Ham¬
burg war in jener denkwürdigen Sitzung der Bürgerschaft ein erbitterter Streit
darüber ausgefochten worden, ob man Frieden schließen oder den Kampf fort¬
setzen solle. In der Bremer Bürgerschaft wagte kaum jemand, dem Friedens-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/620>, abgerufen am 23.07.2024.