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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.

in die Überlassung der gesamten Zoll- und Steuerverwaltung an Bremen und
in die Überweisung der gesamten Nachsteuer an die Bremer Staatskasse. Sie
bewilligte endlich der Stadt Bremen für die durch den Zollanschluß notwendige
Herstellung neuer Hafenanlagen und Warenschuppen einen Neichszuschuß bis zur
Hälfte der von Bremen aufzuwendenden Gesamtkosten, oder wenigstens bis zu
12 Millionen Mark.

Wenn das Interesse des großen Publikums an den hanseatischen An¬
gelegenheiten schon in dein Augenblicke erlahmt war, wo Hamburg gegen aller
Erwartung so plötzlich seine Waffen gesenkt hatte, so mußte dies natürlich noch
mehr der Fall sein, als Bremen dem Beispiele der großen Schwesterstadt
folgte. Nur eine einzige Frage blieb unvergessen und lebte immer von neuem
auf, so oft die Zeitungen von den neuen Riesenbauten an der Elbe und an
der Weser berichteten, und versicherten, daß, von der Berliner Stadtbahn ab¬
gesehen, niemals in Deutschland so viel Ziegelsteine für einen Bauzweck ver¬
wandt worden seien. Als die Hamburger und Bremer Kommissarien zuerst mit
den Vertreter" der Buudesregierungen verhandelten, waren sie der Meinung
gewesen, daß die gesamten Kosten der Zollanschlußbauteu für Hamburg einige
80, für Bremen 24 Millionen Mark betragen würden. Daraufhin hatten der
Bundesrat und der Reichstag einen Neichszuschuß bis zur Höhe von 40 und
12 Millionen Mark bewilligt. Aber schon zur Zeit der Neichstagsverhand-
lungen über den Zollanschlnß Hamburgs war es gewiß, daß Hamburg, jene
40 Millionen mit eingerechnet, 150 Millionen würde ausgeben müssen, und
ebenso kam mau spater zu der Überzeugung, daß Bremen statt der anfänglich
berechneten 24 Millionen deren 35 ^ aufzuwenden habe. Indem man zu dieser
Summe die sich auf mindestens 16 Millionen belaufende Ausgabe hinzurechnete,
die Preußen werde machen müssen, um dem Altonaer Handel und Gewerbe
einigermaßen für die Nachteile Ersatz zu leisten, die ihm die zukünftige Doppel--
Stellung Hamburgs zufügen müsse, war es unzweifelhaft, daß der Anschluß der
Städte Hamburg und Bremen und die damit zusammenhängenden Maßregeln
mindestens eine Gesamtsumme von 200 Millionen Mark erfordern würden.
In der jüngsten Zeit ist sogar die Anschauung verbreitet worden, daß für alle
jene Zwecke selbst eine Summe von 250 Millionen Mark nicht zu hoch ge¬
griffen sei. Wenn dem so ist, so würde allerdings damit auf den Kopf der
Hamburgischen und Bremischen Bevölkerung, den Neichszuschuß selbstverständlich
abgerechnet, eine finanzielle Belastung fallen, die diejenige weit übersteigen würde,
welche durch die Zahlung der 5 Milliarden auf den einzelnen Franzosen gelegt
wurde. Mit Recht konnte daher von berufenen und unberufenen Sprechern
immer wieder die Frage aufgeworfen werden, welchen Nutzen die Hansestädte und
das Reich von dem vereinbarten Zollauschluß haben würden, und ob dieser so groß
sein würde, daß, ganz abgesehen von den Nachteilen, die einzelnen Privaten ent¬
stehen müßten, solche Aufopferung von Nationalvermögen gerechtfertigt erscheine.


Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.

in die Überlassung der gesamten Zoll- und Steuerverwaltung an Bremen und
in die Überweisung der gesamten Nachsteuer an die Bremer Staatskasse. Sie
bewilligte endlich der Stadt Bremen für die durch den Zollanschluß notwendige
Herstellung neuer Hafenanlagen und Warenschuppen einen Neichszuschuß bis zur
Hälfte der von Bremen aufzuwendenden Gesamtkosten, oder wenigstens bis zu
12 Millionen Mark.

Wenn das Interesse des großen Publikums an den hanseatischen An¬
gelegenheiten schon in dein Augenblicke erlahmt war, wo Hamburg gegen aller
Erwartung so plötzlich seine Waffen gesenkt hatte, so mußte dies natürlich noch
mehr der Fall sein, als Bremen dem Beispiele der großen Schwesterstadt
folgte. Nur eine einzige Frage blieb unvergessen und lebte immer von neuem
auf, so oft die Zeitungen von den neuen Riesenbauten an der Elbe und an
der Weser berichteten, und versicherten, daß, von der Berliner Stadtbahn ab¬
gesehen, niemals in Deutschland so viel Ziegelsteine für einen Bauzweck ver¬
wandt worden seien. Als die Hamburger und Bremer Kommissarien zuerst mit
den Vertreter« der Buudesregierungen verhandelten, waren sie der Meinung
gewesen, daß die gesamten Kosten der Zollanschlußbauteu für Hamburg einige
80, für Bremen 24 Millionen Mark betragen würden. Daraufhin hatten der
Bundesrat und der Reichstag einen Neichszuschuß bis zur Höhe von 40 und
12 Millionen Mark bewilligt. Aber schon zur Zeit der Neichstagsverhand-
lungen über den Zollanschlnß Hamburgs war es gewiß, daß Hamburg, jene
40 Millionen mit eingerechnet, 150 Millionen würde ausgeben müssen, und
ebenso kam mau spater zu der Überzeugung, daß Bremen statt der anfänglich
berechneten 24 Millionen deren 35 ^ aufzuwenden habe. Indem man zu dieser
Summe die sich auf mindestens 16 Millionen belaufende Ausgabe hinzurechnete,
die Preußen werde machen müssen, um dem Altonaer Handel und Gewerbe
einigermaßen für die Nachteile Ersatz zu leisten, die ihm die zukünftige Doppel--
Stellung Hamburgs zufügen müsse, war es unzweifelhaft, daß der Anschluß der
Städte Hamburg und Bremen und die damit zusammenhängenden Maßregeln
mindestens eine Gesamtsumme von 200 Millionen Mark erfordern würden.
In der jüngsten Zeit ist sogar die Anschauung verbreitet worden, daß für alle
jene Zwecke selbst eine Summe von 250 Millionen Mark nicht zu hoch ge¬
griffen sei. Wenn dem so ist, so würde allerdings damit auf den Kopf der
Hamburgischen und Bremischen Bevölkerung, den Neichszuschuß selbstverständlich
abgerechnet, eine finanzielle Belastung fallen, die diejenige weit übersteigen würde,
welche durch die Zahlung der 5 Milliarden auf den einzelnen Franzosen gelegt
wurde. Mit Recht konnte daher von berufenen und unberufenen Sprechern
immer wieder die Frage aufgeworfen werden, welchen Nutzen die Hansestädte und
das Reich von dem vereinbarten Zollauschluß haben würden, und ob dieser so groß
sein würde, daß, ganz abgesehen von den Nachteilen, die einzelnen Privaten ent¬
stehen müßten, solche Aufopferung von Nationalvermögen gerechtfertigt erscheine.


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[0622] Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens. in die Überlassung der gesamten Zoll- und Steuerverwaltung an Bremen und in die Überweisung der gesamten Nachsteuer an die Bremer Staatskasse. Sie bewilligte endlich der Stadt Bremen für die durch den Zollanschluß notwendige Herstellung neuer Hafenanlagen und Warenschuppen einen Neichszuschuß bis zur Hälfte der von Bremen aufzuwendenden Gesamtkosten, oder wenigstens bis zu 12 Millionen Mark. Wenn das Interesse des großen Publikums an den hanseatischen An¬ gelegenheiten schon in dein Augenblicke erlahmt war, wo Hamburg gegen aller Erwartung so plötzlich seine Waffen gesenkt hatte, so mußte dies natürlich noch mehr der Fall sein, als Bremen dem Beispiele der großen Schwesterstadt folgte. Nur eine einzige Frage blieb unvergessen und lebte immer von neuem auf, so oft die Zeitungen von den neuen Riesenbauten an der Elbe und an der Weser berichteten, und versicherten, daß, von der Berliner Stadtbahn ab¬ gesehen, niemals in Deutschland so viel Ziegelsteine für einen Bauzweck ver¬ wandt worden seien. Als die Hamburger und Bremer Kommissarien zuerst mit den Vertreter« der Buudesregierungen verhandelten, waren sie der Meinung gewesen, daß die gesamten Kosten der Zollanschlußbauteu für Hamburg einige 80, für Bremen 24 Millionen Mark betragen würden. Daraufhin hatten der Bundesrat und der Reichstag einen Neichszuschuß bis zur Höhe von 40 und 12 Millionen Mark bewilligt. Aber schon zur Zeit der Neichstagsverhand- lungen über den Zollanschlnß Hamburgs war es gewiß, daß Hamburg, jene 40 Millionen mit eingerechnet, 150 Millionen würde ausgeben müssen, und ebenso kam mau spater zu der Überzeugung, daß Bremen statt der anfänglich berechneten 24 Millionen deren 35 ^ aufzuwenden habe. Indem man zu dieser Summe die sich auf mindestens 16 Millionen belaufende Ausgabe hinzurechnete, die Preußen werde machen müssen, um dem Altonaer Handel und Gewerbe einigermaßen für die Nachteile Ersatz zu leisten, die ihm die zukünftige Doppel-- Stellung Hamburgs zufügen müsse, war es unzweifelhaft, daß der Anschluß der Städte Hamburg und Bremen und die damit zusammenhängenden Maßregeln mindestens eine Gesamtsumme von 200 Millionen Mark erfordern würden. In der jüngsten Zeit ist sogar die Anschauung verbreitet worden, daß für alle jene Zwecke selbst eine Summe von 250 Millionen Mark nicht zu hoch ge¬ griffen sei. Wenn dem so ist, so würde allerdings damit auf den Kopf der Hamburgischen und Bremischen Bevölkerung, den Neichszuschuß selbstverständlich abgerechnet, eine finanzielle Belastung fallen, die diejenige weit übersteigen würde, welche durch die Zahlung der 5 Milliarden auf den einzelnen Franzosen gelegt wurde. Mit Recht konnte daher von berufenen und unberufenen Sprechern immer wieder die Frage aufgeworfen werden, welchen Nutzen die Hansestädte und das Reich von dem vereinbarten Zollauschluß haben würden, und ob dieser so groß sein würde, daß, ganz abgesehen von den Nachteilen, die einzelnen Privaten ent¬ stehen müßten, solche Aufopferung von Nationalvermögen gerechtfertigt erscheine.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/622>, abgerufen am 02.10.2024.