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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Hermann von Gilm,

Ich nahte nicht mit Waffen in den Händen,
Den freien Baum als Sklaven zu verkaufen,
Des Waldes Sünger, um sein Licht zu blenden
Und schöne Blumcnheidinncn zu taufen.
Sie sahen mich gezeichnet von der Nehme
Und hörten laut die Welt mein Lied verhöhnen;
Da wanden mir die Eichen Diademe,
Da fingen mich die Rosen an zu krönen.

Der Haß Gnus gegen die Klerikalen hatte sowohl persönliche als all¬
gemein politische Quellen. Gilm hatte auch nach der Jugendzeit allerlei von den
Frommen zu leiden gehabt. Er stand deswegen mit seinem Vater nicht be¬
sonders gut. Seine leidenschaftlich geliebte Theodolinde wurde von sehr frommen
Tante" gegen ihn gestimmt; als bekannter Freigeist hatte er im Staatsdienste
keine Aussichten, vorwärts zu kommen; zu seinem Schmerze ließ sich sogar
seine Stiefschwester als Nonne einkleiden; sein ganzer Mensch litt unter der
Pfaffenherrschaft des damaligen Tirols, die er fortwährend erstarken sah. Denn
im Bunde mit dem Absolutismus, mit dem Polizeiregimcnt und der dumm-
brutaleu Zensur wollten die Klerikalen Tirol hermetisch von Europa absperren.
Noch mehr. Im Jahre 1843 wurden die Jesuiten geradezu ins Land berufen,
trotz der großen Bewegung, die dagegen bestand. Der Tiroler Landtag stand
nun im Banne des klerikalen Heißsporns Giovanelli, dem die Sorge für das
Seelenheil seiner Landsleute über alle weltliche" Bedürfnisse ging. Am 8. März
1844 hielt der hochangesehene österreichische Historiker Albert Jäger, Professor
der Innsbrucker und später der Wiener Universität, Mitglied des Benediktiner¬
ordens, im Ferdinandeum zu Innsbruck eine berühmt gewordene Rede gegen
die Jesuiten. Sie hatte aber nur die Folge, daß sie die liberale Opposition
ermutigte und Gilm zu einem schönen Gedichte begeisterte. Die Jesuiten konnten
dennoch mit Pomp die Grundsteinlegung ihres Ordenshauses feiern, das noch
vor wenigen Jahren durch einen Zuban erweitert worden ist.

In diesem Kampfe gegen die Feinde aller Duldsamkeit, aller noch so be¬
scheidenen Geistesfreiheit, aller modernen Wissenschaft und Kultur, sofern sie
nicht der römischen Kirche dienstbar ist, hat Gilm die merkwürdigsten Gedichte
geschaffen. Nirgends kamen seine glühende Vaterlandsliebe, seine wahrhaft
lautere evangelische Gesinnung, sein Witz, seine Satire, seine Leidenschaft so
zum Ausdruck, als in seinen gegen die Jesuiten gerichteten Versen. Am po¬
pulärsten zu seinen Lebzeiten, um dann freilich wieder durch die Zensur unter¬
drückt zu werdeu, ist sein wie ein Kriegslied anmutendes Gedicht "Der Jesuit"
geworden.


[Beginn Spaltensatz] Es geht ein finstres Wesen um,
Das nennt sich Jesuit;
Es redet nicht, ist still und stumm
Und schleichend ist sein Tritt. [Spaltenumbruch] Es trägt ein langes Trau'rgewand
Und kurzgeschorues Haar
Und bringt die Nacht zurück ins Land,
Wo schon die Dämmrung war. [Ende Spaltensatz]

Hermann von Gilm,

Ich nahte nicht mit Waffen in den Händen,
Den freien Baum als Sklaven zu verkaufen,
Des Waldes Sünger, um sein Licht zu blenden
Und schöne Blumcnheidinncn zu taufen.
Sie sahen mich gezeichnet von der Nehme
Und hörten laut die Welt mein Lied verhöhnen;
Da wanden mir die Eichen Diademe,
Da fingen mich die Rosen an zu krönen.

Der Haß Gnus gegen die Klerikalen hatte sowohl persönliche als all¬
gemein politische Quellen. Gilm hatte auch nach der Jugendzeit allerlei von den
Frommen zu leiden gehabt. Er stand deswegen mit seinem Vater nicht be¬
sonders gut. Seine leidenschaftlich geliebte Theodolinde wurde von sehr frommen
Tante» gegen ihn gestimmt; als bekannter Freigeist hatte er im Staatsdienste
keine Aussichten, vorwärts zu kommen; zu seinem Schmerze ließ sich sogar
seine Stiefschwester als Nonne einkleiden; sein ganzer Mensch litt unter der
Pfaffenherrschaft des damaligen Tirols, die er fortwährend erstarken sah. Denn
im Bunde mit dem Absolutismus, mit dem Polizeiregimcnt und der dumm-
brutaleu Zensur wollten die Klerikalen Tirol hermetisch von Europa absperren.
Noch mehr. Im Jahre 1843 wurden die Jesuiten geradezu ins Land berufen,
trotz der großen Bewegung, die dagegen bestand. Der Tiroler Landtag stand
nun im Banne des klerikalen Heißsporns Giovanelli, dem die Sorge für das
Seelenheil seiner Landsleute über alle weltliche» Bedürfnisse ging. Am 8. März
1844 hielt der hochangesehene österreichische Historiker Albert Jäger, Professor
der Innsbrucker und später der Wiener Universität, Mitglied des Benediktiner¬
ordens, im Ferdinandeum zu Innsbruck eine berühmt gewordene Rede gegen
die Jesuiten. Sie hatte aber nur die Folge, daß sie die liberale Opposition
ermutigte und Gilm zu einem schönen Gedichte begeisterte. Die Jesuiten konnten
dennoch mit Pomp die Grundsteinlegung ihres Ordenshauses feiern, das noch
vor wenigen Jahren durch einen Zuban erweitert worden ist.

In diesem Kampfe gegen die Feinde aller Duldsamkeit, aller noch so be¬
scheidenen Geistesfreiheit, aller modernen Wissenschaft und Kultur, sofern sie
nicht der römischen Kirche dienstbar ist, hat Gilm die merkwürdigsten Gedichte
geschaffen. Nirgends kamen seine glühende Vaterlandsliebe, seine wahrhaft
lautere evangelische Gesinnung, sein Witz, seine Satire, seine Leidenschaft so
zum Ausdruck, als in seinen gegen die Jesuiten gerichteten Versen. Am po¬
pulärsten zu seinen Lebzeiten, um dann freilich wieder durch die Zensur unter¬
drückt zu werdeu, ist sein wie ein Kriegslied anmutendes Gedicht „Der Jesuit"
geworden.


[Beginn Spaltensatz] Es geht ein finstres Wesen um,
Das nennt sich Jesuit;
Es redet nicht, ist still und stumm
Und schleichend ist sein Tritt. [Spaltenumbruch] Es trägt ein langes Trau'rgewand
Und kurzgeschorues Haar
Und bringt die Nacht zurück ins Land,
Wo schon die Dämmrung war. [Ende Spaltensatz]

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[0603] Hermann von Gilm, Ich nahte nicht mit Waffen in den Händen, Den freien Baum als Sklaven zu verkaufen, Des Waldes Sünger, um sein Licht zu blenden Und schöne Blumcnheidinncn zu taufen. Sie sahen mich gezeichnet von der Nehme Und hörten laut die Welt mein Lied verhöhnen; Da wanden mir die Eichen Diademe, Da fingen mich die Rosen an zu krönen. Der Haß Gnus gegen die Klerikalen hatte sowohl persönliche als all¬ gemein politische Quellen. Gilm hatte auch nach der Jugendzeit allerlei von den Frommen zu leiden gehabt. Er stand deswegen mit seinem Vater nicht be¬ sonders gut. Seine leidenschaftlich geliebte Theodolinde wurde von sehr frommen Tante» gegen ihn gestimmt; als bekannter Freigeist hatte er im Staatsdienste keine Aussichten, vorwärts zu kommen; zu seinem Schmerze ließ sich sogar seine Stiefschwester als Nonne einkleiden; sein ganzer Mensch litt unter der Pfaffenherrschaft des damaligen Tirols, die er fortwährend erstarken sah. Denn im Bunde mit dem Absolutismus, mit dem Polizeiregimcnt und der dumm- brutaleu Zensur wollten die Klerikalen Tirol hermetisch von Europa absperren. Noch mehr. Im Jahre 1843 wurden die Jesuiten geradezu ins Land berufen, trotz der großen Bewegung, die dagegen bestand. Der Tiroler Landtag stand nun im Banne des klerikalen Heißsporns Giovanelli, dem die Sorge für das Seelenheil seiner Landsleute über alle weltliche» Bedürfnisse ging. Am 8. März 1844 hielt der hochangesehene österreichische Historiker Albert Jäger, Professor der Innsbrucker und später der Wiener Universität, Mitglied des Benediktiner¬ ordens, im Ferdinandeum zu Innsbruck eine berühmt gewordene Rede gegen die Jesuiten. Sie hatte aber nur die Folge, daß sie die liberale Opposition ermutigte und Gilm zu einem schönen Gedichte begeisterte. Die Jesuiten konnten dennoch mit Pomp die Grundsteinlegung ihres Ordenshauses feiern, das noch vor wenigen Jahren durch einen Zuban erweitert worden ist. In diesem Kampfe gegen die Feinde aller Duldsamkeit, aller noch so be¬ scheidenen Geistesfreiheit, aller modernen Wissenschaft und Kultur, sofern sie nicht der römischen Kirche dienstbar ist, hat Gilm die merkwürdigsten Gedichte geschaffen. Nirgends kamen seine glühende Vaterlandsliebe, seine wahrhaft lautere evangelische Gesinnung, sein Witz, seine Satire, seine Leidenschaft so zum Ausdruck, als in seinen gegen die Jesuiten gerichteten Versen. Am po¬ pulärsten zu seinen Lebzeiten, um dann freilich wieder durch die Zensur unter¬ drückt zu werdeu, ist sein wie ein Kriegslied anmutendes Gedicht „Der Jesuit" geworden. Es geht ein finstres Wesen um, Das nennt sich Jesuit; Es redet nicht, ist still und stumm Und schleichend ist sein Tritt. Es trägt ein langes Trau'rgewand Und kurzgeschorues Haar Und bringt die Nacht zurück ins Land, Wo schon die Dämmrung war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/603>, abgerufen am 25.07.2024.