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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Hermann von Gilm.

[Beginn Spaltensatz]
Es hat nicht Rast und hat nicht Ruh
Und hat ein fahl Gesicht
Und drückt bei Tag die Augen zu,
Als beiße es das Licht.
Es wohnt in einem öden Haus
Und sinnt auf neuen Zwang,
Und schaut es in die Welt hinaus,
So wird der Menschheit bang.
Und Jesus trug ein farbig Kleid,
Und seine Brust war bloß.
Und was er sprach, war Seligkeit,
Und was er that, war groß.
[Spaltenumbruch]
Und Jesus trug ein wallend Haar
Und seine Wang' war rot,
Und Jesu offnes Auge war
So frei wie sein Gebot.
Am dattelreichen Palmenbaum
Da lehrt er sein Gebet
Und träumte seiner Liebe Traum
AmWee Genesarcth. --
Drum seh' ich solch 'nen Finsterling,
So fällt mir immer ein:
Wie kann man doch so wüstem Ding
So schönen Namen leihn?
[Ende Spaltensatz]

Dieses Gedicht ist aber nicht das einzige, auch nicht das beste geblieben,
was Gilm gegen die Jesuiten geschrieben hat. In den "Zeitsvnetten aus dem
Pusterthal" (vom 10. Dezember 1342 bis zum 2. Oktober 1845 lebte Gilm
in Brunneck), in den "Landtagssonetten," in den "Sonetten an eine schöne
Noveredoranerin" und in vielen andern Gedichten sührt er diesen Kampf fort.
Die Angriffe, die er gegen die Jesuiten schleudert, sind von einer Leidenschaft
und Kraft im Ausdruck, die in deutscher Sprache wenig ihresgleichen hat.


[Beginn Spaltensatz]
Nicht lange ist es her, daß wir vertrieben
Die eignen Brüder haben, die uns lieben,
Und sollen die behalten, die uns hassen?
[Spaltenumbruch]
Ihr Jesuiten müßt das Land verlassen,
Die Zeit ist um, und Bölkerthaten lassen
Sich nicht gleich einer Hochzeitnacht verschieben --
[Ende Spaltensatz]

so schließt mit bitterer Anspielung auf persönliches Leid -- er durfte die geliebte
Sophie, seine Brumiecker Braut, nicht heiraten, weil er noch immer, bald acht
Jahre, unbesoldeter Gerichtspraktikant war -- eines der Zeitsvnette. Das
folgende schließt:


Dem wahren Haß genügt nicht das Verachten:
Der Liebe gleich muß er mit Händen greifen
Nach seiner Sehnsucht, soll er nicht verschmachten.

In wahrhaft poetische Bildlichkeit kleidet er in dem folgenden Sonett den
Gedanken, daß die Fortschritte der Kultur sich nicht mit dem Treiben der
Jesuiten vertragen, und giebt ihnen den Rat:


Drum schifft auf einem Dampfer nach den Tropen,
Da giebt's noch blinde Heiden zu bekehren.

Nichts drastischeres kann man sich denken, als folgendes Bild: Die Leute laufen
scharenweise zur Kirche, den neuen, pikanten Prediger zu hören, es ist ein
Jesuit; vor der Kirche im Gedränge steht ein magerer Karrengaul, den sein
Herr mit dem Peitschenstiel erbarmungslos antreibt, obgleich er nicht vom Fleck
kann. Gilm schließt:


Das ist der Gottesdienst in diesem Ort:
Im Tempel drinnen sein entstelltes Wort,
Und draußen sein geschundener Gedanke.

Hermann von Gilm.

[Beginn Spaltensatz]
Es hat nicht Rast und hat nicht Ruh
Und hat ein fahl Gesicht
Und drückt bei Tag die Augen zu,
Als beiße es das Licht.
Es wohnt in einem öden Haus
Und sinnt auf neuen Zwang,
Und schaut es in die Welt hinaus,
So wird der Menschheit bang.
Und Jesus trug ein farbig Kleid,
Und seine Brust war bloß.
Und was er sprach, war Seligkeit,
Und was er that, war groß.
[Spaltenumbruch]
Und Jesus trug ein wallend Haar
Und seine Wang' war rot,
Und Jesu offnes Auge war
So frei wie sein Gebot.
Am dattelreichen Palmenbaum
Da lehrt er sein Gebet
Und träumte seiner Liebe Traum
AmWee Genesarcth. —
Drum seh' ich solch 'nen Finsterling,
So fällt mir immer ein:
Wie kann man doch so wüstem Ding
So schönen Namen leihn?
[Ende Spaltensatz]

Dieses Gedicht ist aber nicht das einzige, auch nicht das beste geblieben,
was Gilm gegen die Jesuiten geschrieben hat. In den „Zeitsvnetten aus dem
Pusterthal" (vom 10. Dezember 1342 bis zum 2. Oktober 1845 lebte Gilm
in Brunneck), in den „Landtagssonetten," in den „Sonetten an eine schöne
Noveredoranerin" und in vielen andern Gedichten sührt er diesen Kampf fort.
Die Angriffe, die er gegen die Jesuiten schleudert, sind von einer Leidenschaft
und Kraft im Ausdruck, die in deutscher Sprache wenig ihresgleichen hat.


[Beginn Spaltensatz]
Nicht lange ist es her, daß wir vertrieben
Die eignen Brüder haben, die uns lieben,
Und sollen die behalten, die uns hassen?
[Spaltenumbruch]
Ihr Jesuiten müßt das Land verlassen,
Die Zeit ist um, und Bölkerthaten lassen
Sich nicht gleich einer Hochzeitnacht verschieben —
[Ende Spaltensatz]

so schließt mit bitterer Anspielung auf persönliches Leid — er durfte die geliebte
Sophie, seine Brumiecker Braut, nicht heiraten, weil er noch immer, bald acht
Jahre, unbesoldeter Gerichtspraktikant war — eines der Zeitsvnette. Das
folgende schließt:


Dem wahren Haß genügt nicht das Verachten:
Der Liebe gleich muß er mit Händen greifen
Nach seiner Sehnsucht, soll er nicht verschmachten.

In wahrhaft poetische Bildlichkeit kleidet er in dem folgenden Sonett den
Gedanken, daß die Fortschritte der Kultur sich nicht mit dem Treiben der
Jesuiten vertragen, und giebt ihnen den Rat:


Drum schifft auf einem Dampfer nach den Tropen,
Da giebt's noch blinde Heiden zu bekehren.

Nichts drastischeres kann man sich denken, als folgendes Bild: Die Leute laufen
scharenweise zur Kirche, den neuen, pikanten Prediger zu hören, es ist ein
Jesuit; vor der Kirche im Gedränge steht ein magerer Karrengaul, den sein
Herr mit dem Peitschenstiel erbarmungslos antreibt, obgleich er nicht vom Fleck
kann. Gilm schließt:


Das ist der Gottesdienst in diesem Ort:
Im Tempel drinnen sein entstelltes Wort,
Und draußen sein geschundener Gedanke.

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[0604] Hermann von Gilm. Es hat nicht Rast und hat nicht Ruh Und hat ein fahl Gesicht Und drückt bei Tag die Augen zu, Als beiße es das Licht. Es wohnt in einem öden Haus Und sinnt auf neuen Zwang, Und schaut es in die Welt hinaus, So wird der Menschheit bang. Und Jesus trug ein farbig Kleid, Und seine Brust war bloß. Und was er sprach, war Seligkeit, Und was er that, war groß. Und Jesus trug ein wallend Haar Und seine Wang' war rot, Und Jesu offnes Auge war So frei wie sein Gebot. Am dattelreichen Palmenbaum Da lehrt er sein Gebet Und träumte seiner Liebe Traum AmWee Genesarcth. — Drum seh' ich solch 'nen Finsterling, So fällt mir immer ein: Wie kann man doch so wüstem Ding So schönen Namen leihn? Dieses Gedicht ist aber nicht das einzige, auch nicht das beste geblieben, was Gilm gegen die Jesuiten geschrieben hat. In den „Zeitsvnetten aus dem Pusterthal" (vom 10. Dezember 1342 bis zum 2. Oktober 1845 lebte Gilm in Brunneck), in den „Landtagssonetten," in den „Sonetten an eine schöne Noveredoranerin" und in vielen andern Gedichten sührt er diesen Kampf fort. Die Angriffe, die er gegen die Jesuiten schleudert, sind von einer Leidenschaft und Kraft im Ausdruck, die in deutscher Sprache wenig ihresgleichen hat. Nicht lange ist es her, daß wir vertrieben Die eignen Brüder haben, die uns lieben, Und sollen die behalten, die uns hassen? Ihr Jesuiten müßt das Land verlassen, Die Zeit ist um, und Bölkerthaten lassen Sich nicht gleich einer Hochzeitnacht verschieben — so schließt mit bitterer Anspielung auf persönliches Leid — er durfte die geliebte Sophie, seine Brumiecker Braut, nicht heiraten, weil er noch immer, bald acht Jahre, unbesoldeter Gerichtspraktikant war — eines der Zeitsvnette. Das folgende schließt: Dem wahren Haß genügt nicht das Verachten: Der Liebe gleich muß er mit Händen greifen Nach seiner Sehnsucht, soll er nicht verschmachten. In wahrhaft poetische Bildlichkeit kleidet er in dem folgenden Sonett den Gedanken, daß die Fortschritte der Kultur sich nicht mit dem Treiben der Jesuiten vertragen, und giebt ihnen den Rat: Drum schifft auf einem Dampfer nach den Tropen, Da giebt's noch blinde Heiden zu bekehren. Nichts drastischeres kann man sich denken, als folgendes Bild: Die Leute laufen scharenweise zur Kirche, den neuen, pikanten Prediger zu hören, es ist ein Jesuit; vor der Kirche im Gedränge steht ein magerer Karrengaul, den sein Herr mit dem Peitschenstiel erbarmungslos antreibt, obgleich er nicht vom Fleck kann. Gilm schließt: Das ist der Gottesdienst in diesem Ort: Im Tempel drinnen sein entstelltes Wort, Und draußen sein geschundener Gedanke.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/604>, abgerufen am 26.07.2024.