Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.Von der Romfahrt bis zu den preußischen Landwgswahlen. Humbug der Faschingswahlen von 1887 hergegeben hat (d. h. wer nicht deutsch¬ Neben Schmähartikeln auf die Negierung und die nationalen Parteien lau¬ Dagegen wird den ultramontanen Bestrebungen die freundschaftlichste Unter¬ Von der Romfahrt bis zu den preußischen Landwgswahlen. Humbug der Faschingswahlen von 1887 hergegeben hat (d. h. wer nicht deutsch¬ Neben Schmähartikeln auf die Negierung und die nationalen Parteien lau¬ Dagegen wird den ultramontanen Bestrebungen die freundschaftlichste Unter¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0447" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203882"/> <fw type="header" place="top"> Von der Romfahrt bis zu den preußischen Landwgswahlen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1139" prev="#ID_1138"> Humbug der Faschingswahlen von 1887 hergegeben hat (d. h. wer nicht deutsch¬<lb/> freisinnig gewählt hat), der hat ein sür allemal den Anspruch auf liberale Ge¬<lb/> sinnung eingebüßt." Wie traurig! Die Nationalliberalcn sind nur noch eine<lb/> von den beiden edlen Doggen, „die beide mit Peitsche und Zuckerbrod bearbeitet<lb/> wurden, um sie an möglichst gleiche Gangart zu gewöhnen, und siehe da, bei<lb/> den Faschingswahlen von 1887 bewährte sich glänzend das Ergebnis dieser<lb/> Erziehung." So steht zu lesen in dem Organ für jedermann Ur. 253.</p><lb/> <p xml:id="ID_1140"> Neben Schmähartikeln auf die Negierung und die nationalen Parteien lau¬<lb/> fen dann zur Abwechslung auch wieder Hetzarktikel einher, die den Kaiser gegen<lb/> den Kanzler einnehmen sollen. Da schreibt z. B. die „Vossische Zeitung":<lb/> „Es ist neuerdings Sitte geworden, Ansichten und Handlungen der Regierung,<lb/> welche im Volke vielfach verstimmen konnten, auf den Kaiser persönlich zurück¬<lb/> zuführen, während man Beschlüsse, welche Zustimmung ernten müssen, nicht dem<lb/> Kaiser, sondern dem Fürsten Bismarck in Rechnung stellt. . . . Man will ge¬<lb/> flissentlich das Odium dem Kanzler abnehmen und dem Kaiser zuschieben. . .<lb/> Man will die Verantwortlichkeit für die Veröffentlichung jener seltsamen Äuße¬<lb/> rung des Kanzlers s.von den befürchteten Indiskretionen an den englischen Hofl<lb/> einfach auf den Kaiser abwälzen." Diese Hetzartikel, die mit ihrem „Man" recht<lb/> schlau angelegt sein sollten, wurden vom Kaiser einfach damit beiseite ge¬<lb/> schoben, daß er unter dem gastlichen Dache von Friedrichsruh bei seinem Kanz¬<lb/> ler Einkehr hielt. Und was sich dieser böse Kanzler sonst noch alles zu Schul¬<lb/> den kommen läßt! Wenn er z. B. in der „Norddeutschen Allgemeinen" schreiben<lb/> läßt, daß sich Frankreich selbst aus dem Kreise der gebildeten Nationen damit<lb/> ausschließt, daß in ihm die Mörder deutscher Soldaten freigesprochen werden,<lb/> wehrlos Gemißhandelte wie die Freiburger Studenten in Belfort keinen Advo¬<lb/> katen, in ihrem Vermögen benachteiligte, wie es in Nancy vorkam, keine Rechts¬<lb/> hilfe finden können, weil sie Deutsche sind, wenn das das Kanzlerblatt rügt,<lb/> fo ist das ein gegen das vortreffliche französische Volk erlassener „Bannspruch"<lb/> des Kanzlers.</p><lb/> <p xml:id="ID_1141" next="#ID_1142"> Dagegen wird den ultramontanen Bestrebungen die freundschaftlichste Unter¬<lb/> stützung von den fortschrittlichen Brüdern zu teil. Von Zeit zu Zeit zeigen sie<lb/> sich immer wieder als die echten päpstlichen Schlüsselsoldaten. Als die „Germania"<lb/> die Nachricht brachte, daß die französische Regierung die von Crispi den italie¬<lb/> nischen Missionen im Orient entzogenen Unterstützungen zahlen würde, und<lb/> diesen Entschluß sehr ehrenvoll für Frankreich fand, bemerkte die „norddeutsche<lb/> Allgemeine Zeitung", dieser Entschluß habe eine reichsfeindliche Tragweite, wie<lb/> schon daraus hervorgehe, daß die „Germania" die Nachricht bringe. Diese Be¬<lb/> merkung war ganz richtig; denn jener Entschluß war ein beredtes Zeugnis da¬<lb/> für, daß in Frankreich der Gedanke einer Annäherung an den Vatikan Boden<lb/> gefaßt hat. Jedermann, der den Haß Frankreichs gegen Italien und gegen<lb/> Deutschland kennt, muß also die Bemerkung der „Norddeutschen" sachgemäß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0447]
Von der Romfahrt bis zu den preußischen Landwgswahlen.
Humbug der Faschingswahlen von 1887 hergegeben hat (d. h. wer nicht deutsch¬
freisinnig gewählt hat), der hat ein sür allemal den Anspruch auf liberale Ge¬
sinnung eingebüßt." Wie traurig! Die Nationalliberalcn sind nur noch eine
von den beiden edlen Doggen, „die beide mit Peitsche und Zuckerbrod bearbeitet
wurden, um sie an möglichst gleiche Gangart zu gewöhnen, und siehe da, bei
den Faschingswahlen von 1887 bewährte sich glänzend das Ergebnis dieser
Erziehung." So steht zu lesen in dem Organ für jedermann Ur. 253.
Neben Schmähartikeln auf die Negierung und die nationalen Parteien lau¬
fen dann zur Abwechslung auch wieder Hetzarktikel einher, die den Kaiser gegen
den Kanzler einnehmen sollen. Da schreibt z. B. die „Vossische Zeitung":
„Es ist neuerdings Sitte geworden, Ansichten und Handlungen der Regierung,
welche im Volke vielfach verstimmen konnten, auf den Kaiser persönlich zurück¬
zuführen, während man Beschlüsse, welche Zustimmung ernten müssen, nicht dem
Kaiser, sondern dem Fürsten Bismarck in Rechnung stellt. . . . Man will ge¬
flissentlich das Odium dem Kanzler abnehmen und dem Kaiser zuschieben. . .
Man will die Verantwortlichkeit für die Veröffentlichung jener seltsamen Äuße¬
rung des Kanzlers s.von den befürchteten Indiskretionen an den englischen Hofl
einfach auf den Kaiser abwälzen." Diese Hetzartikel, die mit ihrem „Man" recht
schlau angelegt sein sollten, wurden vom Kaiser einfach damit beiseite ge¬
schoben, daß er unter dem gastlichen Dache von Friedrichsruh bei seinem Kanz¬
ler Einkehr hielt. Und was sich dieser böse Kanzler sonst noch alles zu Schul¬
den kommen läßt! Wenn er z. B. in der „Norddeutschen Allgemeinen" schreiben
läßt, daß sich Frankreich selbst aus dem Kreise der gebildeten Nationen damit
ausschließt, daß in ihm die Mörder deutscher Soldaten freigesprochen werden,
wehrlos Gemißhandelte wie die Freiburger Studenten in Belfort keinen Advo¬
katen, in ihrem Vermögen benachteiligte, wie es in Nancy vorkam, keine Rechts¬
hilfe finden können, weil sie Deutsche sind, wenn das das Kanzlerblatt rügt,
fo ist das ein gegen das vortreffliche französische Volk erlassener „Bannspruch"
des Kanzlers.
Dagegen wird den ultramontanen Bestrebungen die freundschaftlichste Unter¬
stützung von den fortschrittlichen Brüdern zu teil. Von Zeit zu Zeit zeigen sie
sich immer wieder als die echten päpstlichen Schlüsselsoldaten. Als die „Germania"
die Nachricht brachte, daß die französische Regierung die von Crispi den italie¬
nischen Missionen im Orient entzogenen Unterstützungen zahlen würde, und
diesen Entschluß sehr ehrenvoll für Frankreich fand, bemerkte die „norddeutsche
Allgemeine Zeitung", dieser Entschluß habe eine reichsfeindliche Tragweite, wie
schon daraus hervorgehe, daß die „Germania" die Nachricht bringe. Diese Be¬
merkung war ganz richtig; denn jener Entschluß war ein beredtes Zeugnis da¬
für, daß in Frankreich der Gedanke einer Annäherung an den Vatikan Boden
gefaßt hat. Jedermann, der den Haß Frankreichs gegen Italien und gegen
Deutschland kennt, muß also die Bemerkung der „Norddeutschen" sachgemäß
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |