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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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von der Romfahrt bis zu den preußischen Landtagswahlen.

finden. Die "Volkszeitung" fand aber die Bemerkung der "Norddeutschen"
kindisch. Natürlich! Wie kann man auch die gute "Germania" noch reichs¬
feindlich finden und den Franzosen solche Thorheiten zutrauen, daß sie über
ihren Nevanchegelüsten selbst die feindliche Gesinnung gegen die Kirche auf¬
geben könnten! Das ist ja "kindisch," wie es von Herbert Bismarck abscheu¬
lich war, dem "wehrlosen Greis" im Vatikan alle Hoffnung zu nehmen. In¬
zwischen hat der "wehrlose Greis," wie der römische Korrespondent des van^
T^leZraxli berichtete, mit Rücksicht auf den kaiserlichen Besuch in Rom die
Aeußerung gethan, er habe zwar von der deutschen Negierung einige wertvolle
Zugeständnisse erlangt, könne aber als Kirchenoberhaupt uicht einverstanden sein,
daß die deutsche Regierung den Unterricht der katholischen Kinder in Deutsch¬
land allein beaufsichtigen wolle. Also Seine Heiligkeit unterstützt den Windt-
horstschen Antrag auf Klerisirung der Schule und macht das Zentrum mobil.
Und das nennt der deutsche Freisinn "wehrlos."

Über den Empfang der städtischen Deputation durch den Kaiser im Berliner
Schloß können wir kurz hinweg gehen. Was die Deputation thun konnte, um
die kaiserlichen Worte dunkel zu machen, das hatte sie gethan. Sie hatte gerade
diejenige Stelle in der kaiserlichen Anrede unterdrückt, die den Unwillen des
Kaisers begründete, die Worte, in denen der Kaiser sich beschwerte, daß die
Berliner Presse fortwährend seinen Vater zitire und gegen seine Person aus¬
spiele; das verletze ihn als Sohn aufs tiefste, und er verbitte sich das. Kann
sich die Verlogenheit dieser Partei stärker kundgeben, als in dieser Unterdrückung
der Worte des Kaisers? Und welche dumme Miene nahmen sie an, als hätten
sie die Worte nicht verstanden! Verbreiteter sie doch die Mähr, daß es die
nationalliberalcn Blätter seien, die von -den kaiserlichen Worten hätten getroffen
werden sollen. Allerdings meinte die "Volkszeitung", die Deputation hätte sich
etwas mehr auf der Höhe der Situation befinden sollen. Sie deutete an, es habe
ein Cato Johann Jacoby gefehlt. Die Antwort auf ihren Wunsch nach Catonen
hat sie durch die Wahlen zum Abgeordnetenhause erhalten. Trotz der jüdischen
Überwucherung in der ersten und zweiten Wahlklasse ist Cato Hamel in Mona,
Cato Träger in Hamm-Soest, Cato Alexander Meyer in Breslciu durchgefallen.
Das sind freilich traurige Aussichten. "Die Verkürzung der Volksrechte, schreibt
das Organ für Jedermann am 2. November, die Vermehrung der Volkslaster,
welche das Cartell seit den Faschingswcchlcn von 87 vollbracht hat, sind doch
im hohen Grade geeignet, die freisinnige Sache zu fördern; weshalb macht sich
die Wirkung eines so reaktionären Treibens denn so gar nicht im Ausfalle der
Wahlen geltend?" I nun, die Welt ist eben so elend beschaffen, daß nicht
allen "die Demokratie der schöne Ehrenname" ist, wie den politischen Mumien,
die sich "deutschfrcisinnig" nennen. Einen Trost haben aber die Mumien doch,
und der sitzt im Berliner Rathause. Da finden sich noch Catone die Menge,
und die werden sicherlich jetzt endlich auftreten, nachdem der Kaiser hat erklären


von der Romfahrt bis zu den preußischen Landtagswahlen.

finden. Die „Volkszeitung" fand aber die Bemerkung der „Norddeutschen"
kindisch. Natürlich! Wie kann man auch die gute „Germania" noch reichs¬
feindlich finden und den Franzosen solche Thorheiten zutrauen, daß sie über
ihren Nevanchegelüsten selbst die feindliche Gesinnung gegen die Kirche auf¬
geben könnten! Das ist ja „kindisch," wie es von Herbert Bismarck abscheu¬
lich war, dem „wehrlosen Greis" im Vatikan alle Hoffnung zu nehmen. In¬
zwischen hat der „wehrlose Greis," wie der römische Korrespondent des van^
T^leZraxli berichtete, mit Rücksicht auf den kaiserlichen Besuch in Rom die
Aeußerung gethan, er habe zwar von der deutschen Negierung einige wertvolle
Zugeständnisse erlangt, könne aber als Kirchenoberhaupt uicht einverstanden sein,
daß die deutsche Regierung den Unterricht der katholischen Kinder in Deutsch¬
land allein beaufsichtigen wolle. Also Seine Heiligkeit unterstützt den Windt-
horstschen Antrag auf Klerisirung der Schule und macht das Zentrum mobil.
Und das nennt der deutsche Freisinn „wehrlos."

Über den Empfang der städtischen Deputation durch den Kaiser im Berliner
Schloß können wir kurz hinweg gehen. Was die Deputation thun konnte, um
die kaiserlichen Worte dunkel zu machen, das hatte sie gethan. Sie hatte gerade
diejenige Stelle in der kaiserlichen Anrede unterdrückt, die den Unwillen des
Kaisers begründete, die Worte, in denen der Kaiser sich beschwerte, daß die
Berliner Presse fortwährend seinen Vater zitire und gegen seine Person aus¬
spiele; das verletze ihn als Sohn aufs tiefste, und er verbitte sich das. Kann
sich die Verlogenheit dieser Partei stärker kundgeben, als in dieser Unterdrückung
der Worte des Kaisers? Und welche dumme Miene nahmen sie an, als hätten
sie die Worte nicht verstanden! Verbreiteter sie doch die Mähr, daß es die
nationalliberalcn Blätter seien, die von -den kaiserlichen Worten hätten getroffen
werden sollen. Allerdings meinte die „Volkszeitung", die Deputation hätte sich
etwas mehr auf der Höhe der Situation befinden sollen. Sie deutete an, es habe
ein Cato Johann Jacoby gefehlt. Die Antwort auf ihren Wunsch nach Catonen
hat sie durch die Wahlen zum Abgeordnetenhause erhalten. Trotz der jüdischen
Überwucherung in der ersten und zweiten Wahlklasse ist Cato Hamel in Mona,
Cato Träger in Hamm-Soest, Cato Alexander Meyer in Breslciu durchgefallen.
Das sind freilich traurige Aussichten. „Die Verkürzung der Volksrechte, schreibt
das Organ für Jedermann am 2. November, die Vermehrung der Volkslaster,
welche das Cartell seit den Faschingswcchlcn von 87 vollbracht hat, sind doch
im hohen Grade geeignet, die freisinnige Sache zu fördern; weshalb macht sich
die Wirkung eines so reaktionären Treibens denn so gar nicht im Ausfalle der
Wahlen geltend?" I nun, die Welt ist eben so elend beschaffen, daß nicht
allen „die Demokratie der schöne Ehrenname" ist, wie den politischen Mumien,
die sich „deutschfrcisinnig" nennen. Einen Trost haben aber die Mumien doch,
und der sitzt im Berliner Rathause. Da finden sich noch Catone die Menge,
und die werden sicherlich jetzt endlich auftreten, nachdem der Kaiser hat erklären


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/448>, abgerufen am 25.07.2024.