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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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von der Romfahrt bis zu den preußischen Landtagswahlein

Wenn die Nationalzcitung beim Antritt der kaiserlichen Reisen den Wunsch
aussprach, daß der Abschluß, den die europäischen Staatsmänner im Herbste
über das Ergebnis des diplomatischen Feldzugs des Sommers ziehen würden,
die Hoffnungen der Völker auf Fortdauer des Friedens krönen möge, so haben
diesen Abschluß die zwei bedeutendsten Staatsmänner Europas damit gezogen,
daß Crispi dem Reichskanzler nach Friedrichsruh von dem Enthusiasmus
telegraphirte, mit dem Kaiser Wilhelm in der Hauptstadt Italiens empfangen
worden sei. "Ich wünsche, daß das Echo des Jubels, wovon Rom wiederhallt,
bis zu Ihnen gelange . . . Möge unser Bündnis stets ein so herzliches und
inniges bleiben zum Ruhme der beiden Völker und zum Besten des Friedens
von Europa." Der Reichskanzler aber gab diesen Wunsch eben so herzlich zurück
mit der Versicherung seines festen Willens, "diese Freundschaft aufrecht zu er¬
halten und immer inniger zu gestalten." So waren denn, als am 19. Oktober der
Kaiser von Rom abreiste und am 21. wieder in Potsdam eintraf, die Kaiser¬
tage von Wien, Rom und Neapel vor dem aufmerkenden Europa zwar wie
im Fluge vorüber gerauscht, aber die Bande des mitteleuropäischen Bündnisses
waren doppelt fest geworden, und- damit der Völkerfriede selbst. Unzufrieden
waren nur die Klerikalen in allen Ländern. Man hatte das Gefühl, daß der
Papst mit dem dreifachen Ansatz, das Thema seiner Unabhängigkeit zu besprechen,
sich in unbegreiflicher Weise bloßgestellt habe, und diesem Gefühle gab man
nun auf eine Art Ausdruck, die den Geist des Papsttumes kennzeichnet. Der
Nonitsur alö Roms erklärte, daß die Unabhängigkeit des Papsttums nur in
der Abwendung der Völker von der Tripelallianz liege, und setzte auf Frank¬
reich seine Hoffnung. Der OWörviitors KoniMo sah in der italienischen
Truppenentfaltung nur eine Veranstaltung der Negierung, papstfreundliche
Kundgebungen der römischen Bevölkerung unmöglich zu machen; kurze Zeit
darauf aber sah dasselbe Blatt in derselben Truppenentfaltung, die bekanntlich
auf dem Wege des Kaisers zum Vatikan entwickelt worden war, die unhaltbare
Lage des Papsttums, da nicht einmal ein protestantischer Fürst ohne Schutz
gegen die Beleidigungen des Pöbels den Papst in seiner eignen Stadt besuchen
könne. Die Beleidigungen des Pöbels bestanden nun darin, daß er dem deut¬
schen Kaiser sein HvviviZ, zurief, wo dieser sich blicken ließ. In der That, man
merkte, daß der Kaiser dem Papste "keine Illusionen gelassen hatte."

Wie die Ultramontanen wieder anfangen, auf Frankreich ihre Hoffnung
zu setzen in der Weise, daß sie keinen Augenblick zögern würden, die Welt in
Brand zu stecken, wenn sie nur darauf rechnen könnten, ihre Pläne einiger¬
maßen dabei durchzusetzen, so haben sie in Deutschland an den Deutschfrei¬
sinnigen allzeit willige Gehilfen. Was das für Brandstifter sind, sieht man
aus solchen Gedankenergüssen, wie sie die "Volkszeitung" z. B. in dem Artikel
Ur. 250: "Ein Jubiläum," zum Besten giebt: "Der heutige Tag (21. Oktober)
ist der traurigste Gedenktag, der bisher in den Jahrbüchern des deutschen


von der Romfahrt bis zu den preußischen Landtagswahlein

Wenn die Nationalzcitung beim Antritt der kaiserlichen Reisen den Wunsch
aussprach, daß der Abschluß, den die europäischen Staatsmänner im Herbste
über das Ergebnis des diplomatischen Feldzugs des Sommers ziehen würden,
die Hoffnungen der Völker auf Fortdauer des Friedens krönen möge, so haben
diesen Abschluß die zwei bedeutendsten Staatsmänner Europas damit gezogen,
daß Crispi dem Reichskanzler nach Friedrichsruh von dem Enthusiasmus
telegraphirte, mit dem Kaiser Wilhelm in der Hauptstadt Italiens empfangen
worden sei. „Ich wünsche, daß das Echo des Jubels, wovon Rom wiederhallt,
bis zu Ihnen gelange . . . Möge unser Bündnis stets ein so herzliches und
inniges bleiben zum Ruhme der beiden Völker und zum Besten des Friedens
von Europa." Der Reichskanzler aber gab diesen Wunsch eben so herzlich zurück
mit der Versicherung seines festen Willens, „diese Freundschaft aufrecht zu er¬
halten und immer inniger zu gestalten." So waren denn, als am 19. Oktober der
Kaiser von Rom abreiste und am 21. wieder in Potsdam eintraf, die Kaiser¬
tage von Wien, Rom und Neapel vor dem aufmerkenden Europa zwar wie
im Fluge vorüber gerauscht, aber die Bande des mitteleuropäischen Bündnisses
waren doppelt fest geworden, und- damit der Völkerfriede selbst. Unzufrieden
waren nur die Klerikalen in allen Ländern. Man hatte das Gefühl, daß der
Papst mit dem dreifachen Ansatz, das Thema seiner Unabhängigkeit zu besprechen,
sich in unbegreiflicher Weise bloßgestellt habe, und diesem Gefühle gab man
nun auf eine Art Ausdruck, die den Geist des Papsttumes kennzeichnet. Der
Nonitsur alö Roms erklärte, daß die Unabhängigkeit des Papsttums nur in
der Abwendung der Völker von der Tripelallianz liege, und setzte auf Frank¬
reich seine Hoffnung. Der OWörviitors KoniMo sah in der italienischen
Truppenentfaltung nur eine Veranstaltung der Negierung, papstfreundliche
Kundgebungen der römischen Bevölkerung unmöglich zu machen; kurze Zeit
darauf aber sah dasselbe Blatt in derselben Truppenentfaltung, die bekanntlich
auf dem Wege des Kaisers zum Vatikan entwickelt worden war, die unhaltbare
Lage des Papsttums, da nicht einmal ein protestantischer Fürst ohne Schutz
gegen die Beleidigungen des Pöbels den Papst in seiner eignen Stadt besuchen
könne. Die Beleidigungen des Pöbels bestanden nun darin, daß er dem deut¬
schen Kaiser sein HvviviZ, zurief, wo dieser sich blicken ließ. In der That, man
merkte, daß der Kaiser dem Papste „keine Illusionen gelassen hatte."

Wie die Ultramontanen wieder anfangen, auf Frankreich ihre Hoffnung
zu setzen in der Weise, daß sie keinen Augenblick zögern würden, die Welt in
Brand zu stecken, wenn sie nur darauf rechnen könnten, ihre Pläne einiger¬
maßen dabei durchzusetzen, so haben sie in Deutschland an den Deutschfrei¬
sinnigen allzeit willige Gehilfen. Was das für Brandstifter sind, sieht man
aus solchen Gedankenergüssen, wie sie die „Volkszeitung" z. B. in dem Artikel
Ur. 250: „Ein Jubiläum," zum Besten giebt: „Der heutige Tag (21. Oktober)
ist der traurigste Gedenktag, der bisher in den Jahrbüchern des deutschen


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[0445] von der Romfahrt bis zu den preußischen Landtagswahlein Wenn die Nationalzcitung beim Antritt der kaiserlichen Reisen den Wunsch aussprach, daß der Abschluß, den die europäischen Staatsmänner im Herbste über das Ergebnis des diplomatischen Feldzugs des Sommers ziehen würden, die Hoffnungen der Völker auf Fortdauer des Friedens krönen möge, so haben diesen Abschluß die zwei bedeutendsten Staatsmänner Europas damit gezogen, daß Crispi dem Reichskanzler nach Friedrichsruh von dem Enthusiasmus telegraphirte, mit dem Kaiser Wilhelm in der Hauptstadt Italiens empfangen worden sei. „Ich wünsche, daß das Echo des Jubels, wovon Rom wiederhallt, bis zu Ihnen gelange . . . Möge unser Bündnis stets ein so herzliches und inniges bleiben zum Ruhme der beiden Völker und zum Besten des Friedens von Europa." Der Reichskanzler aber gab diesen Wunsch eben so herzlich zurück mit der Versicherung seines festen Willens, „diese Freundschaft aufrecht zu er¬ halten und immer inniger zu gestalten." So waren denn, als am 19. Oktober der Kaiser von Rom abreiste und am 21. wieder in Potsdam eintraf, die Kaiser¬ tage von Wien, Rom und Neapel vor dem aufmerkenden Europa zwar wie im Fluge vorüber gerauscht, aber die Bande des mitteleuropäischen Bündnisses waren doppelt fest geworden, und- damit der Völkerfriede selbst. Unzufrieden waren nur die Klerikalen in allen Ländern. Man hatte das Gefühl, daß der Papst mit dem dreifachen Ansatz, das Thema seiner Unabhängigkeit zu besprechen, sich in unbegreiflicher Weise bloßgestellt habe, und diesem Gefühle gab man nun auf eine Art Ausdruck, die den Geist des Papsttumes kennzeichnet. Der Nonitsur alö Roms erklärte, daß die Unabhängigkeit des Papsttums nur in der Abwendung der Völker von der Tripelallianz liege, und setzte auf Frank¬ reich seine Hoffnung. Der OWörviitors KoniMo sah in der italienischen Truppenentfaltung nur eine Veranstaltung der Negierung, papstfreundliche Kundgebungen der römischen Bevölkerung unmöglich zu machen; kurze Zeit darauf aber sah dasselbe Blatt in derselben Truppenentfaltung, die bekanntlich auf dem Wege des Kaisers zum Vatikan entwickelt worden war, die unhaltbare Lage des Papsttums, da nicht einmal ein protestantischer Fürst ohne Schutz gegen die Beleidigungen des Pöbels den Papst in seiner eignen Stadt besuchen könne. Die Beleidigungen des Pöbels bestanden nun darin, daß er dem deut¬ schen Kaiser sein HvviviZ, zurief, wo dieser sich blicken ließ. In der That, man merkte, daß der Kaiser dem Papste „keine Illusionen gelassen hatte." Wie die Ultramontanen wieder anfangen, auf Frankreich ihre Hoffnung zu setzen in der Weise, daß sie keinen Augenblick zögern würden, die Welt in Brand zu stecken, wenn sie nur darauf rechnen könnten, ihre Pläne einiger¬ maßen dabei durchzusetzen, so haben sie in Deutschland an den Deutschfrei¬ sinnigen allzeit willige Gehilfen. Was das für Brandstifter sind, sieht man aus solchen Gedankenergüssen, wie sie die „Volkszeitung" z. B. in dem Artikel Ur. 250: „Ein Jubiläum," zum Besten giebt: „Der heutige Tag (21. Oktober) ist der traurigste Gedenktag, der bisher in den Jahrbüchern des deutschen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/445>, abgerufen am 04.07.2024.