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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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von der Romfahrt bis zu den preußischen Landtagswahlen.

Karl V. hatte. Deshalb mag wohl auch von gewisser Seite dafür gesorgt
worden sein, daß der Kaiser, als er beim deutschen Gesandten am Vatikan das
Wohl des Papstes ausbrachte, das Glas erhalten hatte, das einst Karl V.
benutzt hatte. Das nennt man "mit der Faust gewunken"; es wird aber nicht
viel helfen. Rom bleibt doch die Hauptstadt Italiens, und Bismarck thut dem
Papste nicht zum zweiten Mal den Gefallen eines Kulturkampfs, nachdem er
die Bravour des Fortschritts auch auf kirchenpolitischen Gebiete kennen gelernt
hat. Der blöde Hödur mag für das Ausspritzen seines giftigen Hasses sich ein
andres Feld aussuchen!

Aus der Romfart selbst wollen wir nur der Rede des Kaisers gedenken,
die er an demselben Tage, wo der Papstbesuch stattfand, als Erwiederung auf
den Toast des Königs Humbert hielt. Sie ist von der größten Tragweite
und zeigt, das die Italiener Recht hatten, wenn sie über Papst und Klerisei
samt dem ganzen wunderlichen Zeremoniell, das für den deutschen Kaiserbesuch
mit dem auswärtigen Amte verabredet worden war, sich lustig machten; denn
daß der Papst nichts von politischer Bedeutung erreicht hat, zeigt die Rede
Kaiser Wilhelms. Die von den Vätern überkommene Bundesgenossenschaft mit
dem italienischen Königshause findet in seinem Herzen ein lebhaftes Echo. Der
Kaiser erwähnte, daß beide Länder ihre Einheit unter der Führung ihrer, großen
Herrscher mit dem Schwerte erkämpft Hütten; "unsre Völker werden fest zu¬
sammenstehen zur Aufrechthaltung dieser Einheit." Also Rom ist und bleibt
die Hauptstadt des italienischen Königs, und darein muß sich auch der heilige
Vater finden.

Hierbei wollen wir daran erinnern, daß der "arme Gefangene im Vatikan"
zu seinen andern die Welt aufklärenden Encykliken jüngst auch eine Freiheits-
enchklika erlassen hat, worin er als der von Gott begnadigte unfehlbare Lehr¬
meister der Welt eine Frage entschieden hat, die zu entscheiden die erleuchtetsten
Geister seit drei Jahrtausenden sich vergeblich bemüht haben. Die Welt weiß
nun, wie sie mit der "wahren Freiheit" dran ist, die nur im Papsttum wirklich
werden kann. "Die Kirche kann aber -- wie es in derselben weisen EnchMa
heißt -- den Zeitumständen nachgeben und sich den Einrichtungen anbequemen,
welche die Klugheit verlangt, wo die sichere Hoffnung eines großen Gutes sich
zeigt." Also die Kirche kann nachgeben, kann z. B. auch einen protestantischen
Ketzerkaiser mit Schmeicheleien empfangen, wenn ein großes Gut sich in Aus¬
sicht zeigt. Aber "wenn die Kirche bei der eigentümlichen Lage des Staates
die Duldung gewisser moderner Freiheiten für ersprießlich hält, wird sie, wenn
die Zeiten sich zum bessern gewandt haben werden, von ihrer Freiheit Ge¬
brauch machen, das ihr von Gott anvertraute Amt zu erfüllen." Schönen
Dank für die offene Sprache! Die Herren Jesuiten glauben wahrscheinlich einem
großen Diplomaten unsrer Zeit nachahmen zu müssen. Daß sie nicht "von
ihrer Freiheit Gebrauch machen," dafür wird ja gesorgt werden.


von der Romfahrt bis zu den preußischen Landtagswahlen.

Karl V. hatte. Deshalb mag wohl auch von gewisser Seite dafür gesorgt
worden sein, daß der Kaiser, als er beim deutschen Gesandten am Vatikan das
Wohl des Papstes ausbrachte, das Glas erhalten hatte, das einst Karl V.
benutzt hatte. Das nennt man „mit der Faust gewunken"; es wird aber nicht
viel helfen. Rom bleibt doch die Hauptstadt Italiens, und Bismarck thut dem
Papste nicht zum zweiten Mal den Gefallen eines Kulturkampfs, nachdem er
die Bravour des Fortschritts auch auf kirchenpolitischen Gebiete kennen gelernt
hat. Der blöde Hödur mag für das Ausspritzen seines giftigen Hasses sich ein
andres Feld aussuchen!

Aus der Romfart selbst wollen wir nur der Rede des Kaisers gedenken,
die er an demselben Tage, wo der Papstbesuch stattfand, als Erwiederung auf
den Toast des Königs Humbert hielt. Sie ist von der größten Tragweite
und zeigt, das die Italiener Recht hatten, wenn sie über Papst und Klerisei
samt dem ganzen wunderlichen Zeremoniell, das für den deutschen Kaiserbesuch
mit dem auswärtigen Amte verabredet worden war, sich lustig machten; denn
daß der Papst nichts von politischer Bedeutung erreicht hat, zeigt die Rede
Kaiser Wilhelms. Die von den Vätern überkommene Bundesgenossenschaft mit
dem italienischen Königshause findet in seinem Herzen ein lebhaftes Echo. Der
Kaiser erwähnte, daß beide Länder ihre Einheit unter der Führung ihrer, großen
Herrscher mit dem Schwerte erkämpft Hütten; „unsre Völker werden fest zu¬
sammenstehen zur Aufrechthaltung dieser Einheit." Also Rom ist und bleibt
die Hauptstadt des italienischen Königs, und darein muß sich auch der heilige
Vater finden.

Hierbei wollen wir daran erinnern, daß der „arme Gefangene im Vatikan"
zu seinen andern die Welt aufklärenden Encykliken jüngst auch eine Freiheits-
enchklika erlassen hat, worin er als der von Gott begnadigte unfehlbare Lehr¬
meister der Welt eine Frage entschieden hat, die zu entscheiden die erleuchtetsten
Geister seit drei Jahrtausenden sich vergeblich bemüht haben. Die Welt weiß
nun, wie sie mit der „wahren Freiheit" dran ist, die nur im Papsttum wirklich
werden kann. „Die Kirche kann aber — wie es in derselben weisen EnchMa
heißt — den Zeitumständen nachgeben und sich den Einrichtungen anbequemen,
welche die Klugheit verlangt, wo die sichere Hoffnung eines großen Gutes sich
zeigt." Also die Kirche kann nachgeben, kann z. B. auch einen protestantischen
Ketzerkaiser mit Schmeicheleien empfangen, wenn ein großes Gut sich in Aus¬
sicht zeigt. Aber „wenn die Kirche bei der eigentümlichen Lage des Staates
die Duldung gewisser moderner Freiheiten für ersprießlich hält, wird sie, wenn
die Zeiten sich zum bessern gewandt haben werden, von ihrer Freiheit Ge¬
brauch machen, das ihr von Gott anvertraute Amt zu erfüllen." Schönen
Dank für die offene Sprache! Die Herren Jesuiten glauben wahrscheinlich einem
großen Diplomaten unsrer Zeit nachahmen zu müssen. Daß sie nicht „von
ihrer Freiheit Gebrauch machen," dafür wird ja gesorgt werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/444>, abgerufen am 04.07.2024.