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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Gebietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands.

lich "kurwürdig" war, so wurde es noch in demselben Jahre (1803) ein Kur¬
fürstentum.

Zwei Jahre später nahm der neue Kurfürst, gleich Baiern, an dem Kriege
gegen Österreich teil; allerdings wurde er halb und halb durch den Marschall
Ney zum Abschlüsse des Bündnisses mit Frankreich gezwungen. Die Belohnungen,
die er dafür empfing, waren verhältnismäßig, d. h. wenn man die bisherigen
Gebiete der beiden Staaten mit einander vergleicht, noch viel bedeutender, als
die, welche Baiern damals erhielt. Im Frieden zu Preßburg kamen an
Württemberg: die seither österreichische obere und niedere Grafschaft Hohenberg,
die Landgrafschaft Nellenburg, die Grafschaft Bondorf, die Lcmdvogtei Altdorf
(ohne Konstanz), die sogenannten Donaustädte Waldsee, Munderdingen, Ried-
lingen, Mengen, Saulgau, Edinger, der Teil des Breisgaus, der vou Württem¬
berg umgeben war, mit der Herrschaft Triberg (später größtenteils wieder an
Baden abgetreten), die früher bairische Herrschaft Wiesensteig, die seit 1803
badische Stadt Viberach, die Grafschaft Scheltringen, die Deutschordeus-Kommen-
den Kiipfenberg und Alshausen, die Abtei Wiblingen; dazu kamen viele, ehemals
teils geistliche, teils weltliche Gebiete, die im Neichsdeputationshauptschlusse zur
Entschädigung reichsgräflicher und freiherrlicher Häuser gedient hatten, nämlich:
Ochsenhausen, Noth, Schussenried, Weißenau, Baindt, Egloff, Gutenzell, Hagbach,
Iburg, Königsegg-Aubendorf, Neu-Ravensburg, Mietingeu, Weingart, die süd¬
lichen Besitzungen des Fürsten von Thurn und Taxis, die Grafschaft Limpurg,
Lande der Fürsten von Löwenstein, von Hohenlohe (ohne Schillingsfürst und
Kirchberg) und von Neifferscheid-Bedburg. Dazu erlangte Württemberg endlich
noch die Oberherrlichkeit über sehr zahlreiche Besitzungen der Neichsritterschaft,
die nicht einzeln aufgezählt werden können. Das waren im ganzen 189 Quadrat¬
meilen, so daß der Staat, der bis dahin 153 Quadratmeilen umfaßt hatte,
mit einem Schlage sich auf mehr als das doppelte vergrößert hatte. Bei
einem Besitze von 342 Quadratmeilen, die damals von annähernd 1200000
Menschen bewohnt wurden, konnte dem Landesherrn natürlich die Kurfürsten¬
würde nicht genügen. Am 1. Januar 1806 ließ er sich zum Könige ausrufen
und nannte sich fortan Friedrich I.

Gleich Vaiern trat auch Württemberg noch in demselben Jahre dem Rhein¬
bunde bei; kleinere Gebietsaustauschungen mit jenem Königreiche und mit Baden
waren nicht von wesentlicher Bedeutung. Im Kriege gegen Preußen 1806 und
1807 kämpfte" und bluteten die Krieger Württembergs für den fremden Unter¬
drücker. Für seine Teilnahme am Kriege gegen Österreich 1809 erhielt es zu¬
nächst vorweg, gleichsam als Handgeld, wie es ehemals bei den gewordenen
Landsknechten hieß, Mergentheim, den bisherigen Besitz des Hoch- und Deutsch¬
meisters, nebst seinem Gebiete. Etwas erheblicher waren die Belohnungen, die
der Friede zu Wien und die nachfolgenden Verträge dem Könige brachten. Es
waren besonders Gebiete, die früher Baiern zuerteilt worden waren, welche jetzt


Die Gebietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands.

lich „kurwürdig" war, so wurde es noch in demselben Jahre (1803) ein Kur¬
fürstentum.

Zwei Jahre später nahm der neue Kurfürst, gleich Baiern, an dem Kriege
gegen Österreich teil; allerdings wurde er halb und halb durch den Marschall
Ney zum Abschlüsse des Bündnisses mit Frankreich gezwungen. Die Belohnungen,
die er dafür empfing, waren verhältnismäßig, d. h. wenn man die bisherigen
Gebiete der beiden Staaten mit einander vergleicht, noch viel bedeutender, als
die, welche Baiern damals erhielt. Im Frieden zu Preßburg kamen an
Württemberg: die seither österreichische obere und niedere Grafschaft Hohenberg,
die Landgrafschaft Nellenburg, die Grafschaft Bondorf, die Lcmdvogtei Altdorf
(ohne Konstanz), die sogenannten Donaustädte Waldsee, Munderdingen, Ried-
lingen, Mengen, Saulgau, Edinger, der Teil des Breisgaus, der vou Württem¬
berg umgeben war, mit der Herrschaft Triberg (später größtenteils wieder an
Baden abgetreten), die früher bairische Herrschaft Wiesensteig, die seit 1803
badische Stadt Viberach, die Grafschaft Scheltringen, die Deutschordeus-Kommen-
den Kiipfenberg und Alshausen, die Abtei Wiblingen; dazu kamen viele, ehemals
teils geistliche, teils weltliche Gebiete, die im Neichsdeputationshauptschlusse zur
Entschädigung reichsgräflicher und freiherrlicher Häuser gedient hatten, nämlich:
Ochsenhausen, Noth, Schussenried, Weißenau, Baindt, Egloff, Gutenzell, Hagbach,
Iburg, Königsegg-Aubendorf, Neu-Ravensburg, Mietingeu, Weingart, die süd¬
lichen Besitzungen des Fürsten von Thurn und Taxis, die Grafschaft Limpurg,
Lande der Fürsten von Löwenstein, von Hohenlohe (ohne Schillingsfürst und
Kirchberg) und von Neifferscheid-Bedburg. Dazu erlangte Württemberg endlich
noch die Oberherrlichkeit über sehr zahlreiche Besitzungen der Neichsritterschaft,
die nicht einzeln aufgezählt werden können. Das waren im ganzen 189 Quadrat¬
meilen, so daß der Staat, der bis dahin 153 Quadratmeilen umfaßt hatte,
mit einem Schlage sich auf mehr als das doppelte vergrößert hatte. Bei
einem Besitze von 342 Quadratmeilen, die damals von annähernd 1200000
Menschen bewohnt wurden, konnte dem Landesherrn natürlich die Kurfürsten¬
würde nicht genügen. Am 1. Januar 1806 ließ er sich zum Könige ausrufen
und nannte sich fortan Friedrich I.

Gleich Vaiern trat auch Württemberg noch in demselben Jahre dem Rhein¬
bunde bei; kleinere Gebietsaustauschungen mit jenem Königreiche und mit Baden
waren nicht von wesentlicher Bedeutung. Im Kriege gegen Preußen 1806 und
1807 kämpfte» und bluteten die Krieger Württembergs für den fremden Unter¬
drücker. Für seine Teilnahme am Kriege gegen Österreich 1809 erhielt es zu¬
nächst vorweg, gleichsam als Handgeld, wie es ehemals bei den gewordenen
Landsknechten hieß, Mergentheim, den bisherigen Besitz des Hoch- und Deutsch¬
meisters, nebst seinem Gebiete. Etwas erheblicher waren die Belohnungen, die
der Friede zu Wien und die nachfolgenden Verträge dem Könige brachten. Es
waren besonders Gebiete, die früher Baiern zuerteilt worden waren, welche jetzt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/412>, abgerufen am 25.07.2024.