Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Gebietsentwicklllng der Linzelstaaten Deutschlands.

Augsburg, der östliche Teil des Bistums Passau, die freien Reichsstädte
Augsburg und Lindau, die bisher österreichische Markgrafschaft Burgau, die
Grafschaften Hohenembs und Königsegg nebst Weiler, Tettnang und Laugen-
argen und endlich, last, not Isast, die gefürstete Grafschaft Tirol mit Vorarl¬
berg und den Bistümern Brixen und Trient. Dafür konnte es wohl Würzburg
und Schweinfurt an Napoleon zurückgeben.

Im Jahre 1806, noch vor der Stiftung des Rheinbundes, erhielt es das
gegen Hannover von Preußen an Napoleon abgetretene Ansbach. mußte aber
dafür auf das Herzogtum Berg verzichten. Für die Bereitwilligkeit, mit der
Baiern bald darauf dem Rheinbünde beitrat, durch dessen Stiftung das arme,
verratene deutsche Reich den Todesstoß empfing, wurde es durch den erhabenen
Protektor jenes Bundes in freigebigster Weise belohnt: die freie Reichsstadt
Nürnberg nebst ihrem Gebiete, die Deutsch-Ordens-Kommenden Rohr und
Waldstellen, die Grafschaften und Herrschaften Pappenheim, Schmarzenberg,
Speckfeld, Castell, Wieseutheid, Hohenlohe-Schillingsfürst und Hohenlohe-Kirch-
heim, Sternstein, Öttingcn und das Gebiet der Grafen von Fugger fielen ihm zu.
Daß in dem bald darauf ausbrechenden Kriege mit Preußen die bairischen
Krieger ihr Blut für den fremden Imperator vergossen, war gewiß das wenigste,
was dieser großmütige Gönner des Landes als Zoll der Dankbarkeit ver¬
langen konnte.

Das Jahr 1809 brachte einen neuen Krieg gegen Österreich und zugleich
den Aufstand der Tiroler unter Andreas Hofer. Der Friede zu Wien, genauer
der zu Schönbrunn, brachte neue Gebietsveränderungen, die wiederum eine
erhebliche Vergrößerung bedeuteten. Diese kamen allerdings erst im folgenden
Jahre, 1810, zur Ausführung. Baiern trat ab: an Frankreich das südliche
Tirol, an Württemberg die früheren Reichsstädte Buchhorn (jetzt Friedrichs-
hafcn), Wangen, Ravensburg, Leutkirch, Ulm, Bopfingen, und einige kleine
Bezirke an das Grvßherzogtum Würzburg. Dagegen erhielt es das Fürstentum
Baireuth, das Herzogtum (seitherige Erzstift) Salzburg nebst der gefürsteten
Propstei Berchtesgcideu, das Bistum Regensburg, das Innviertel und einen
Teil des oberösterreichischen Hausruckviertels. Daß es für diese großen Er¬
werbungen eine erhebliche Geldsumme bezahlen mußte, die Napoleon mit auf
die Kosten für den russischen Feldzug verwandte, konnte gar nicht ins Gewicht
fallen. Von den dreißigtausend bairischen Landeskindern, die dem großen
Schlachtenkaiser nach Rußland folgen mußten, sah kaum einer seine Heimat
wieder. Aber was wollte das sagen, wenn nur das bairische Großmachts¬
bedürfnis befriedigt wurde! Der bekannte Ausspruch Napoleons, er wolle
Baiern so mächtig machen, daß es allein Österreich gewachsen sei. war beinahe
verwirklicht worden. Der Friede zu Presburg hatte das Land um 520 Quadrat-
meilen mit 700 000 Einwohnern vergrößert; dazu kamen im Jahres 1306 noch
206 Quadratmeilen mit 600 000 Einwohnern, und nach der Abtretung von


Die Gebietsentwicklllng der Linzelstaaten Deutschlands.

Augsburg, der östliche Teil des Bistums Passau, die freien Reichsstädte
Augsburg und Lindau, die bisher österreichische Markgrafschaft Burgau, die
Grafschaften Hohenembs und Königsegg nebst Weiler, Tettnang und Laugen-
argen und endlich, last, not Isast, die gefürstete Grafschaft Tirol mit Vorarl¬
berg und den Bistümern Brixen und Trient. Dafür konnte es wohl Würzburg
und Schweinfurt an Napoleon zurückgeben.

Im Jahre 1806, noch vor der Stiftung des Rheinbundes, erhielt es das
gegen Hannover von Preußen an Napoleon abgetretene Ansbach. mußte aber
dafür auf das Herzogtum Berg verzichten. Für die Bereitwilligkeit, mit der
Baiern bald darauf dem Rheinbünde beitrat, durch dessen Stiftung das arme,
verratene deutsche Reich den Todesstoß empfing, wurde es durch den erhabenen
Protektor jenes Bundes in freigebigster Weise belohnt: die freie Reichsstadt
Nürnberg nebst ihrem Gebiete, die Deutsch-Ordens-Kommenden Rohr und
Waldstellen, die Grafschaften und Herrschaften Pappenheim, Schmarzenberg,
Speckfeld, Castell, Wieseutheid, Hohenlohe-Schillingsfürst und Hohenlohe-Kirch-
heim, Sternstein, Öttingcn und das Gebiet der Grafen von Fugger fielen ihm zu.
Daß in dem bald darauf ausbrechenden Kriege mit Preußen die bairischen
Krieger ihr Blut für den fremden Imperator vergossen, war gewiß das wenigste,
was dieser großmütige Gönner des Landes als Zoll der Dankbarkeit ver¬
langen konnte.

Das Jahr 1809 brachte einen neuen Krieg gegen Österreich und zugleich
den Aufstand der Tiroler unter Andreas Hofer. Der Friede zu Wien, genauer
der zu Schönbrunn, brachte neue Gebietsveränderungen, die wiederum eine
erhebliche Vergrößerung bedeuteten. Diese kamen allerdings erst im folgenden
Jahre, 1810, zur Ausführung. Baiern trat ab: an Frankreich das südliche
Tirol, an Württemberg die früheren Reichsstädte Buchhorn (jetzt Friedrichs-
hafcn), Wangen, Ravensburg, Leutkirch, Ulm, Bopfingen, und einige kleine
Bezirke an das Grvßherzogtum Würzburg. Dagegen erhielt es das Fürstentum
Baireuth, das Herzogtum (seitherige Erzstift) Salzburg nebst der gefürsteten
Propstei Berchtesgcideu, das Bistum Regensburg, das Innviertel und einen
Teil des oberösterreichischen Hausruckviertels. Daß es für diese großen Er¬
werbungen eine erhebliche Geldsumme bezahlen mußte, die Napoleon mit auf
die Kosten für den russischen Feldzug verwandte, konnte gar nicht ins Gewicht
fallen. Von den dreißigtausend bairischen Landeskindern, die dem großen
Schlachtenkaiser nach Rußland folgen mußten, sah kaum einer seine Heimat
wieder. Aber was wollte das sagen, wenn nur das bairische Großmachts¬
bedürfnis befriedigt wurde! Der bekannte Ausspruch Napoleons, er wolle
Baiern so mächtig machen, daß es allein Österreich gewachsen sei. war beinahe
verwirklicht worden. Der Friede zu Presburg hatte das Land um 520 Quadrat-
meilen mit 700 000 Einwohnern vergrößert; dazu kamen im Jahres 1306 noch
206 Quadratmeilen mit 600 000 Einwohnern, und nach der Abtretung von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203751"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Gebietsentwicklllng der Linzelstaaten Deutschlands.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_774" prev="#ID_773"> Augsburg, der östliche Teil des Bistums Passau, die freien Reichsstädte<lb/>
Augsburg und Lindau, die bisher österreichische Markgrafschaft Burgau, die<lb/>
Grafschaften Hohenembs und Königsegg nebst Weiler, Tettnang und Laugen-<lb/>
argen und endlich, last, not Isast, die gefürstete Grafschaft Tirol mit Vorarl¬<lb/>
berg und den Bistümern Brixen und Trient. Dafür konnte es wohl Würzburg<lb/>
und Schweinfurt an Napoleon zurückgeben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_775"> Im Jahre 1806, noch vor der Stiftung des Rheinbundes, erhielt es das<lb/>
gegen Hannover von Preußen an Napoleon abgetretene Ansbach. mußte aber<lb/>
dafür auf das Herzogtum Berg verzichten. Für die Bereitwilligkeit, mit der<lb/>
Baiern bald darauf dem Rheinbünde beitrat, durch dessen Stiftung das arme,<lb/>
verratene deutsche Reich den Todesstoß empfing, wurde es durch den erhabenen<lb/>
Protektor jenes Bundes in freigebigster Weise belohnt: die freie Reichsstadt<lb/>
Nürnberg nebst ihrem Gebiete, die Deutsch-Ordens-Kommenden Rohr und<lb/>
Waldstellen, die Grafschaften und Herrschaften Pappenheim, Schmarzenberg,<lb/>
Speckfeld, Castell, Wieseutheid, Hohenlohe-Schillingsfürst und Hohenlohe-Kirch-<lb/>
heim, Sternstein, Öttingcn und das Gebiet der Grafen von Fugger fielen ihm zu.<lb/>
Daß in dem bald darauf ausbrechenden Kriege mit Preußen die bairischen<lb/>
Krieger ihr Blut für den fremden Imperator vergossen, war gewiß das wenigste,<lb/>
was dieser großmütige Gönner des Landes als Zoll der Dankbarkeit ver¬<lb/>
langen konnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_776" next="#ID_777"> Das Jahr 1809 brachte einen neuen Krieg gegen Österreich und zugleich<lb/>
den Aufstand der Tiroler unter Andreas Hofer. Der Friede zu Wien, genauer<lb/>
der zu Schönbrunn, brachte neue Gebietsveränderungen, die wiederum eine<lb/>
erhebliche Vergrößerung bedeuteten. Diese kamen allerdings erst im folgenden<lb/>
Jahre, 1810, zur Ausführung. Baiern trat ab: an Frankreich das südliche<lb/>
Tirol, an Württemberg die früheren Reichsstädte Buchhorn (jetzt Friedrichs-<lb/>
hafcn), Wangen, Ravensburg, Leutkirch, Ulm, Bopfingen, und einige kleine<lb/>
Bezirke an das Grvßherzogtum Würzburg. Dagegen erhielt es das Fürstentum<lb/>
Baireuth, das Herzogtum (seitherige Erzstift) Salzburg nebst der gefürsteten<lb/>
Propstei Berchtesgcideu, das Bistum Regensburg, das Innviertel und einen<lb/>
Teil des oberösterreichischen Hausruckviertels. Daß es für diese großen Er¬<lb/>
werbungen eine erhebliche Geldsumme bezahlen mußte, die Napoleon mit auf<lb/>
die Kosten für den russischen Feldzug verwandte, konnte gar nicht ins Gewicht<lb/>
fallen. Von den dreißigtausend bairischen Landeskindern, die dem großen<lb/>
Schlachtenkaiser nach Rußland folgen mußten, sah kaum einer seine Heimat<lb/>
wieder. Aber was wollte das sagen, wenn nur das bairische Großmachts¬<lb/>
bedürfnis befriedigt wurde! Der bekannte Ausspruch Napoleons, er wolle<lb/>
Baiern so mächtig machen, daß es allein Österreich gewachsen sei. war beinahe<lb/>
verwirklicht worden. Der Friede zu Presburg hatte das Land um 520 Quadrat-<lb/>
meilen mit 700 000 Einwohnern vergrößert; dazu kamen im Jahres 1306 noch<lb/>
206 Quadratmeilen mit 600 000 Einwohnern, und nach der Abtretung von</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0316] Die Gebietsentwicklllng der Linzelstaaten Deutschlands. Augsburg, der östliche Teil des Bistums Passau, die freien Reichsstädte Augsburg und Lindau, die bisher österreichische Markgrafschaft Burgau, die Grafschaften Hohenembs und Königsegg nebst Weiler, Tettnang und Laugen- argen und endlich, last, not Isast, die gefürstete Grafschaft Tirol mit Vorarl¬ berg und den Bistümern Brixen und Trient. Dafür konnte es wohl Würzburg und Schweinfurt an Napoleon zurückgeben. Im Jahre 1806, noch vor der Stiftung des Rheinbundes, erhielt es das gegen Hannover von Preußen an Napoleon abgetretene Ansbach. mußte aber dafür auf das Herzogtum Berg verzichten. Für die Bereitwilligkeit, mit der Baiern bald darauf dem Rheinbünde beitrat, durch dessen Stiftung das arme, verratene deutsche Reich den Todesstoß empfing, wurde es durch den erhabenen Protektor jenes Bundes in freigebigster Weise belohnt: die freie Reichsstadt Nürnberg nebst ihrem Gebiete, die Deutsch-Ordens-Kommenden Rohr und Waldstellen, die Grafschaften und Herrschaften Pappenheim, Schmarzenberg, Speckfeld, Castell, Wieseutheid, Hohenlohe-Schillingsfürst und Hohenlohe-Kirch- heim, Sternstein, Öttingcn und das Gebiet der Grafen von Fugger fielen ihm zu. Daß in dem bald darauf ausbrechenden Kriege mit Preußen die bairischen Krieger ihr Blut für den fremden Imperator vergossen, war gewiß das wenigste, was dieser großmütige Gönner des Landes als Zoll der Dankbarkeit ver¬ langen konnte. Das Jahr 1809 brachte einen neuen Krieg gegen Österreich und zugleich den Aufstand der Tiroler unter Andreas Hofer. Der Friede zu Wien, genauer der zu Schönbrunn, brachte neue Gebietsveränderungen, die wiederum eine erhebliche Vergrößerung bedeuteten. Diese kamen allerdings erst im folgenden Jahre, 1810, zur Ausführung. Baiern trat ab: an Frankreich das südliche Tirol, an Württemberg die früheren Reichsstädte Buchhorn (jetzt Friedrichs- hafcn), Wangen, Ravensburg, Leutkirch, Ulm, Bopfingen, und einige kleine Bezirke an das Grvßherzogtum Würzburg. Dagegen erhielt es das Fürstentum Baireuth, das Herzogtum (seitherige Erzstift) Salzburg nebst der gefürsteten Propstei Berchtesgcideu, das Bistum Regensburg, das Innviertel und einen Teil des oberösterreichischen Hausruckviertels. Daß es für diese großen Er¬ werbungen eine erhebliche Geldsumme bezahlen mußte, die Napoleon mit auf die Kosten für den russischen Feldzug verwandte, konnte gar nicht ins Gewicht fallen. Von den dreißigtausend bairischen Landeskindern, die dem großen Schlachtenkaiser nach Rußland folgen mußten, sah kaum einer seine Heimat wieder. Aber was wollte das sagen, wenn nur das bairische Großmachts¬ bedürfnis befriedigt wurde! Der bekannte Ausspruch Napoleons, er wolle Baiern so mächtig machen, daß es allein Österreich gewachsen sei. war beinahe verwirklicht worden. Der Friede zu Presburg hatte das Land um 520 Quadrat- meilen mit 700 000 Einwohnern vergrößert; dazu kamen im Jahres 1306 noch 206 Quadratmeilen mit 600 000 Einwohnern, und nach der Abtretung von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/316
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/316>, abgerufen am 25.07.2024.