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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Gebietsentwicklmlg der Linzelstaaten Deutschlands.

Erlauchte, noch zu Lebzeiten seines Vaters Ludwig (1227) die welfische Erb¬
tochter Agnes von der Pfalz heiratete. Diese Heirat ist für die Gebietsent¬
wicklung Baierns von größter Wichtigkeit; durch sie wurde die Verbindung der
Pfalz mit Baiern befestigt und gesichert, und diese Verbindung ist mehrfach
von großer Bedeutung für die Geschicke des Gesamtvaterlandes gewesen. Der
Versuch Ottos II., bei dem Aussterben des Hauses Babenberg Österreich wieder¬
zugewinnen, mißlang vollständig. Doch erwarb er noch einige der Andechsschen
Besitzungen und, was weit wichtiger ist, wurde von Kaiser Konrad IV. mit
einer Anzahl von Gütern im alten Nordgau, südlich vom Fichtelgebirge, be¬
lehnt, die früher zum Herzogtum" Schwaben gehört hatten.

Nach seinem Tode (1255) trat die erste Teilung Baierns ein; sein älterer
Sohn, Ludwig der Strenge, erhielt die Pfalz und Oberbaiern mit der Haupt¬
stadt München, während der jüngere, Heinrich, Niederbaiern mit Landshut
bekam. Beide erweiterten ihre Lande namentlich durch vormalige Besitzungen
der Hohenstaufen, nachdem dieses Heldengeschlecht seinen tragischen Untergang
gefunden hatte. Die beiden Söhne Ludwigs des Strengen, Rudolf und Ludwig,
regierten anfangs gemeinsam und teilten später ihr Land in der Weise, daß
Rudolf, der ältere, die Rheinpfalz und die Güter im Nordgau erhielt, während
Oberbaiern an Ludwig fiel. Der letztere, bekannt unter dem Namen Ludwig
der Baier, kämpfte anfänglich mit Friedrich dem Schönen von Österreich um
die deutsche Krone, wurde aber seit 1322 allgemein als Kaiser anerkannt.
Ludwig der Baier bestätigte in dem mit den Söhnen seines verstorbenen Bruders
Rudolf abgeschlossenen Vergleiche zu Pavia (1329) diese Länderteilung. Die
Rheinpfalz und die Oberpfalz (diese Bezeichnung wird hier zum erstenmale an¬
gewandt) blieben nun fast für drei Jahrhunderte von Baiern getrennt.

Das Bestreben Kaiser Ludwigs von Baiern, sich eine große Hausmacht
zu schaffen, hatte den Erfolg, daß er Brandenburg zeitweilig an sein Haus
brachte. Der Versuch, sich Tirol anzueignen, schlug jedoch gänzlich fehl. Die
nächsten anderthalb Jahrhunderte sind ausgefüllt mit fortwährende" Teilungen
der bairischen Länder; einmal sind sogar vier Linien vorhanden, in München,
Landshut, Ingolstadt und Straubing. Erst Albrecht IV. von München, der
1504 zur Negierung kam, vereinigte wieder den Besitz seines Hauses, mußte
jedoch an die pfälzischen Wittelsbacher die sogenannte junge Pfalz abtreten,
woraus sich später die reichsunmittelbaren Fürstentümer Neuburg und Sulzbach
entwickelten. Die Erwerbungen bis zum Ausbruche des dreißigjährigen Krieges
waren gering: es waren die Reichsgrafschaften Hals und Haag, die Herrschaft
Hohenschwangau, die freie Reichsstadt Donauwörth und die Herrschaft Mindel-
heim nebst Schwabach.

Die letzten beiden Erwerbungen fallen bereits in die Regierungszeit Maxi¬
milians I., den bairische Geschichtsschreiber wohl den Großen genannt haben.
Jedenfalls muß zugestanden werden, daß er eine der hervorragendsten Persönlich-


Die Gebietsentwicklmlg der Linzelstaaten Deutschlands.

Erlauchte, noch zu Lebzeiten seines Vaters Ludwig (1227) die welfische Erb¬
tochter Agnes von der Pfalz heiratete. Diese Heirat ist für die Gebietsent¬
wicklung Baierns von größter Wichtigkeit; durch sie wurde die Verbindung der
Pfalz mit Baiern befestigt und gesichert, und diese Verbindung ist mehrfach
von großer Bedeutung für die Geschicke des Gesamtvaterlandes gewesen. Der
Versuch Ottos II., bei dem Aussterben des Hauses Babenberg Österreich wieder¬
zugewinnen, mißlang vollständig. Doch erwarb er noch einige der Andechsschen
Besitzungen und, was weit wichtiger ist, wurde von Kaiser Konrad IV. mit
einer Anzahl von Gütern im alten Nordgau, südlich vom Fichtelgebirge, be¬
lehnt, die früher zum Herzogtum« Schwaben gehört hatten.

Nach seinem Tode (1255) trat die erste Teilung Baierns ein; sein älterer
Sohn, Ludwig der Strenge, erhielt die Pfalz und Oberbaiern mit der Haupt¬
stadt München, während der jüngere, Heinrich, Niederbaiern mit Landshut
bekam. Beide erweiterten ihre Lande namentlich durch vormalige Besitzungen
der Hohenstaufen, nachdem dieses Heldengeschlecht seinen tragischen Untergang
gefunden hatte. Die beiden Söhne Ludwigs des Strengen, Rudolf und Ludwig,
regierten anfangs gemeinsam und teilten später ihr Land in der Weise, daß
Rudolf, der ältere, die Rheinpfalz und die Güter im Nordgau erhielt, während
Oberbaiern an Ludwig fiel. Der letztere, bekannt unter dem Namen Ludwig
der Baier, kämpfte anfänglich mit Friedrich dem Schönen von Österreich um
die deutsche Krone, wurde aber seit 1322 allgemein als Kaiser anerkannt.
Ludwig der Baier bestätigte in dem mit den Söhnen seines verstorbenen Bruders
Rudolf abgeschlossenen Vergleiche zu Pavia (1329) diese Länderteilung. Die
Rheinpfalz und die Oberpfalz (diese Bezeichnung wird hier zum erstenmale an¬
gewandt) blieben nun fast für drei Jahrhunderte von Baiern getrennt.

Das Bestreben Kaiser Ludwigs von Baiern, sich eine große Hausmacht
zu schaffen, hatte den Erfolg, daß er Brandenburg zeitweilig an sein Haus
brachte. Der Versuch, sich Tirol anzueignen, schlug jedoch gänzlich fehl. Die
nächsten anderthalb Jahrhunderte sind ausgefüllt mit fortwährende» Teilungen
der bairischen Länder; einmal sind sogar vier Linien vorhanden, in München,
Landshut, Ingolstadt und Straubing. Erst Albrecht IV. von München, der
1504 zur Negierung kam, vereinigte wieder den Besitz seines Hauses, mußte
jedoch an die pfälzischen Wittelsbacher die sogenannte junge Pfalz abtreten,
woraus sich später die reichsunmittelbaren Fürstentümer Neuburg und Sulzbach
entwickelten. Die Erwerbungen bis zum Ausbruche des dreißigjährigen Krieges
waren gering: es waren die Reichsgrafschaften Hals und Haag, die Herrschaft
Hohenschwangau, die freie Reichsstadt Donauwörth und die Herrschaft Mindel-
heim nebst Schwabach.

Die letzten beiden Erwerbungen fallen bereits in die Regierungszeit Maxi¬
milians I., den bairische Geschichtsschreiber wohl den Großen genannt haben.
Jedenfalls muß zugestanden werden, daß er eine der hervorragendsten Persönlich-


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[0312] Die Gebietsentwicklmlg der Linzelstaaten Deutschlands. Erlauchte, noch zu Lebzeiten seines Vaters Ludwig (1227) die welfische Erb¬ tochter Agnes von der Pfalz heiratete. Diese Heirat ist für die Gebietsent¬ wicklung Baierns von größter Wichtigkeit; durch sie wurde die Verbindung der Pfalz mit Baiern befestigt und gesichert, und diese Verbindung ist mehrfach von großer Bedeutung für die Geschicke des Gesamtvaterlandes gewesen. Der Versuch Ottos II., bei dem Aussterben des Hauses Babenberg Österreich wieder¬ zugewinnen, mißlang vollständig. Doch erwarb er noch einige der Andechsschen Besitzungen und, was weit wichtiger ist, wurde von Kaiser Konrad IV. mit einer Anzahl von Gütern im alten Nordgau, südlich vom Fichtelgebirge, be¬ lehnt, die früher zum Herzogtum« Schwaben gehört hatten. Nach seinem Tode (1255) trat die erste Teilung Baierns ein; sein älterer Sohn, Ludwig der Strenge, erhielt die Pfalz und Oberbaiern mit der Haupt¬ stadt München, während der jüngere, Heinrich, Niederbaiern mit Landshut bekam. Beide erweiterten ihre Lande namentlich durch vormalige Besitzungen der Hohenstaufen, nachdem dieses Heldengeschlecht seinen tragischen Untergang gefunden hatte. Die beiden Söhne Ludwigs des Strengen, Rudolf und Ludwig, regierten anfangs gemeinsam und teilten später ihr Land in der Weise, daß Rudolf, der ältere, die Rheinpfalz und die Güter im Nordgau erhielt, während Oberbaiern an Ludwig fiel. Der letztere, bekannt unter dem Namen Ludwig der Baier, kämpfte anfänglich mit Friedrich dem Schönen von Österreich um die deutsche Krone, wurde aber seit 1322 allgemein als Kaiser anerkannt. Ludwig der Baier bestätigte in dem mit den Söhnen seines verstorbenen Bruders Rudolf abgeschlossenen Vergleiche zu Pavia (1329) diese Länderteilung. Die Rheinpfalz und die Oberpfalz (diese Bezeichnung wird hier zum erstenmale an¬ gewandt) blieben nun fast für drei Jahrhunderte von Baiern getrennt. Das Bestreben Kaiser Ludwigs von Baiern, sich eine große Hausmacht zu schaffen, hatte den Erfolg, daß er Brandenburg zeitweilig an sein Haus brachte. Der Versuch, sich Tirol anzueignen, schlug jedoch gänzlich fehl. Die nächsten anderthalb Jahrhunderte sind ausgefüllt mit fortwährende» Teilungen der bairischen Länder; einmal sind sogar vier Linien vorhanden, in München, Landshut, Ingolstadt und Straubing. Erst Albrecht IV. von München, der 1504 zur Negierung kam, vereinigte wieder den Besitz seines Hauses, mußte jedoch an die pfälzischen Wittelsbacher die sogenannte junge Pfalz abtreten, woraus sich später die reichsunmittelbaren Fürstentümer Neuburg und Sulzbach entwickelten. Die Erwerbungen bis zum Ausbruche des dreißigjährigen Krieges waren gering: es waren die Reichsgrafschaften Hals und Haag, die Herrschaft Hohenschwangau, die freie Reichsstadt Donauwörth und die Herrschaft Mindel- heim nebst Schwabach. Die letzten beiden Erwerbungen fallen bereits in die Regierungszeit Maxi¬ milians I., den bairische Geschichtsschreiber wohl den Großen genannt haben. Jedenfalls muß zugestanden werden, daß er eine der hervorragendsten Persönlich-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/312>, abgerufen am 30.06.2024.