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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Gebietsentwicklung der Gnzelstciaten Deutschlands.

eroberung eines Teiles des Landes infolge der Schlacht bei Neerwinden, in der
der Herzog von Koburg am 18. März des folgenden Jahres über den genannten
französischen General siegte, änderte an dem endgiltigen Geschicke desselben
nichts. Im Frieden zu Camp" Formio (den 17. Oktober 1797) wurden die
belgischen Provinzen von Osterreich abgetreten und der französischen Republik
einverleibt. In eine politische Verbindung mit jenem Staate oder mit Deutsch¬
land traten sie fortan nicht wieder. Damals war Österreich noch mächtig genug,
für diesen Verlust sich bedeutende Entschädigungen zu verschaffen, die ihn über¬
reichlich aufwogen. Diese bestanden in der Stadt Venedig mit ihrem Gebiete
und mit Jstrien und Dalmatien. Für diese Gebiete, die sich so vortrefflich seinem
Stammlanden anschlössen, konnte Österreich wohl auf den Breisgau verzichten,
mit dem der entsetzte Herzog von Moden" für sein in Italien verlorenes Land
schadlos gehalten werden sollte. In den geheimen Artikeln, in denen Frank¬
reich das ganze linke Rheinufer von Basel bis Andernach zugesichert wurde
suchte Österreich sich weitere bedeutende Vorteile durch folgende Abmachung zu
sichern: "Frankreich wird sich dafür verwenden, daß Österreich Salzburg und
den Teil von Baiern zwischen Salzburg, Tirol, Jnn und Salza erhält."

Die Bedingungen dieses Friedens wurden aber nicht sofort alle ausgeführt,
sondern großenteils durch den zweiten Koalitionskrieg in Frage gestellt. Der Friede
zu Lunöville, der ihn beendete, bestätigte allerdings die von und an Österreich
gemachten Entschädigungen; aber die vollständige Ausführung aller der Gebiets¬
verschiebungen, die durch diesen Vertrag herbeigeführt wurden, erfolgte erst
zwei Jahre später, nachdem endlich der Reichsdeputativnshauptschluß zu stände
gekommen war. Frankreich hatte sich seinen Beuteanteil, das linke Rheinufer
von Basel bis Andernach sofort gesichert und damit der politischen Existenz
aller kleinen Reichsstände dort, die bis dahin noch ihr Dasein kümmerlich
gefristet hatten, ein Ende gemacht. Österreich jedoch war bereits zu sehr
geschwächt, als daß es viele Vorteile hätte erlangen können; es ging bei dem
großen Lünderschacher damals ziemlich leer aus. Bairisches Gebiet erhielt es
nicht; Salzburg und Berchtesgaden kamen an den abgesetzten Herzog von
Toskana, der freilich ans einer Nebenlinie des Habsburgischen Hauses stammte.
Diesem neugeschaffenen Kurfürsten von Salzburg gab man außerdem noch den
größern Teil der Stifter Passau und Eichstädt. Nur für den Breisgau, der
jetzt wirklich für kurze Zeit dem Herzog von Modena zufiel, erhielt es ,die
bisherigen Hvchstifter Trient und Brixen, eine Erwerbung, die immerhin nicht
unbedeutend war, da hierdurch die Verbindung mit den italienischen Besitzungen
gekräftigt und befestigt wurde. Dazu erwarb es durch Tausch die freie Reichs¬
stadt Lindau und das Stift darin.

Einen noch ungünstigeren Ausgang für Österreich hatte der dritte Koa¬
litionskrieg; die Gründe, die hieran schuld waren, können jedoch hier nicht
näher erörtert werden. Der Krieg wurde übereilt begonnen und kopflos ge-


Die Gebietsentwicklung der Gnzelstciaten Deutschlands.

eroberung eines Teiles des Landes infolge der Schlacht bei Neerwinden, in der
der Herzog von Koburg am 18. März des folgenden Jahres über den genannten
französischen General siegte, änderte an dem endgiltigen Geschicke desselben
nichts. Im Frieden zu Camp» Formio (den 17. Oktober 1797) wurden die
belgischen Provinzen von Osterreich abgetreten und der französischen Republik
einverleibt. In eine politische Verbindung mit jenem Staate oder mit Deutsch¬
land traten sie fortan nicht wieder. Damals war Österreich noch mächtig genug,
für diesen Verlust sich bedeutende Entschädigungen zu verschaffen, die ihn über¬
reichlich aufwogen. Diese bestanden in der Stadt Venedig mit ihrem Gebiete
und mit Jstrien und Dalmatien. Für diese Gebiete, die sich so vortrefflich seinem
Stammlanden anschlössen, konnte Österreich wohl auf den Breisgau verzichten,
mit dem der entsetzte Herzog von Moden« für sein in Italien verlorenes Land
schadlos gehalten werden sollte. In den geheimen Artikeln, in denen Frank¬
reich das ganze linke Rheinufer von Basel bis Andernach zugesichert wurde
suchte Österreich sich weitere bedeutende Vorteile durch folgende Abmachung zu
sichern: „Frankreich wird sich dafür verwenden, daß Österreich Salzburg und
den Teil von Baiern zwischen Salzburg, Tirol, Jnn und Salza erhält."

Die Bedingungen dieses Friedens wurden aber nicht sofort alle ausgeführt,
sondern großenteils durch den zweiten Koalitionskrieg in Frage gestellt. Der Friede
zu Lunöville, der ihn beendete, bestätigte allerdings die von und an Österreich
gemachten Entschädigungen; aber die vollständige Ausführung aller der Gebiets¬
verschiebungen, die durch diesen Vertrag herbeigeführt wurden, erfolgte erst
zwei Jahre später, nachdem endlich der Reichsdeputativnshauptschluß zu stände
gekommen war. Frankreich hatte sich seinen Beuteanteil, das linke Rheinufer
von Basel bis Andernach sofort gesichert und damit der politischen Existenz
aller kleinen Reichsstände dort, die bis dahin noch ihr Dasein kümmerlich
gefristet hatten, ein Ende gemacht. Österreich jedoch war bereits zu sehr
geschwächt, als daß es viele Vorteile hätte erlangen können; es ging bei dem
großen Lünderschacher damals ziemlich leer aus. Bairisches Gebiet erhielt es
nicht; Salzburg und Berchtesgaden kamen an den abgesetzten Herzog von
Toskana, der freilich ans einer Nebenlinie des Habsburgischen Hauses stammte.
Diesem neugeschaffenen Kurfürsten von Salzburg gab man außerdem noch den
größern Teil der Stifter Passau und Eichstädt. Nur für den Breisgau, der
jetzt wirklich für kurze Zeit dem Herzog von Modena zufiel, erhielt es ,die
bisherigen Hvchstifter Trient und Brixen, eine Erwerbung, die immerhin nicht
unbedeutend war, da hierdurch die Verbindung mit den italienischen Besitzungen
gekräftigt und befestigt wurde. Dazu erwarb es durch Tausch die freie Reichs¬
stadt Lindau und das Stift darin.

Einen noch ungünstigeren Ausgang für Österreich hatte der dritte Koa¬
litionskrieg; die Gründe, die hieran schuld waren, können jedoch hier nicht
näher erörtert werden. Der Krieg wurde übereilt begonnen und kopflos ge-


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[0224] Die Gebietsentwicklung der Gnzelstciaten Deutschlands. eroberung eines Teiles des Landes infolge der Schlacht bei Neerwinden, in der der Herzog von Koburg am 18. März des folgenden Jahres über den genannten französischen General siegte, änderte an dem endgiltigen Geschicke desselben nichts. Im Frieden zu Camp» Formio (den 17. Oktober 1797) wurden die belgischen Provinzen von Osterreich abgetreten und der französischen Republik einverleibt. In eine politische Verbindung mit jenem Staate oder mit Deutsch¬ land traten sie fortan nicht wieder. Damals war Österreich noch mächtig genug, für diesen Verlust sich bedeutende Entschädigungen zu verschaffen, die ihn über¬ reichlich aufwogen. Diese bestanden in der Stadt Venedig mit ihrem Gebiete und mit Jstrien und Dalmatien. Für diese Gebiete, die sich so vortrefflich seinem Stammlanden anschlössen, konnte Österreich wohl auf den Breisgau verzichten, mit dem der entsetzte Herzog von Moden« für sein in Italien verlorenes Land schadlos gehalten werden sollte. In den geheimen Artikeln, in denen Frank¬ reich das ganze linke Rheinufer von Basel bis Andernach zugesichert wurde suchte Österreich sich weitere bedeutende Vorteile durch folgende Abmachung zu sichern: „Frankreich wird sich dafür verwenden, daß Österreich Salzburg und den Teil von Baiern zwischen Salzburg, Tirol, Jnn und Salza erhält." Die Bedingungen dieses Friedens wurden aber nicht sofort alle ausgeführt, sondern großenteils durch den zweiten Koalitionskrieg in Frage gestellt. Der Friede zu Lunöville, der ihn beendete, bestätigte allerdings die von und an Österreich gemachten Entschädigungen; aber die vollständige Ausführung aller der Gebiets¬ verschiebungen, die durch diesen Vertrag herbeigeführt wurden, erfolgte erst zwei Jahre später, nachdem endlich der Reichsdeputativnshauptschluß zu stände gekommen war. Frankreich hatte sich seinen Beuteanteil, das linke Rheinufer von Basel bis Andernach sofort gesichert und damit der politischen Existenz aller kleinen Reichsstände dort, die bis dahin noch ihr Dasein kümmerlich gefristet hatten, ein Ende gemacht. Österreich jedoch war bereits zu sehr geschwächt, als daß es viele Vorteile hätte erlangen können; es ging bei dem großen Lünderschacher damals ziemlich leer aus. Bairisches Gebiet erhielt es nicht; Salzburg und Berchtesgaden kamen an den abgesetzten Herzog von Toskana, der freilich ans einer Nebenlinie des Habsburgischen Hauses stammte. Diesem neugeschaffenen Kurfürsten von Salzburg gab man außerdem noch den größern Teil der Stifter Passau und Eichstädt. Nur für den Breisgau, der jetzt wirklich für kurze Zeit dem Herzog von Modena zufiel, erhielt es ,die bisherigen Hvchstifter Trient und Brixen, eine Erwerbung, die immerhin nicht unbedeutend war, da hierdurch die Verbindung mit den italienischen Besitzungen gekräftigt und befestigt wurde. Dazu erwarb es durch Tausch die freie Reichs¬ stadt Lindau und das Stift darin. Einen noch ungünstigeren Ausgang für Österreich hatte der dritte Koa¬ litionskrieg; die Gründe, die hieran schuld waren, können jedoch hier nicht näher erörtert werden. Der Krieg wurde übereilt begonnen und kopflos ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/224>, abgerufen am 24.08.2024.