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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Von der Nordlandfahrt bis zur Romfahrt.

Oberpräsidenten von Hannover wurde auch eine Äußerung des Kaisers gegen
Herbert Bismarck bekannt, die dahin lautete, daß er nur Freunde und Gegner
des Vaterlandes kenne und niemand ihm zutrauen werde, das Rad der Zeit
zurückschrauben zu wollen. Es gebe Ernsteres zu thun, als die Geister gegen
einander zu Hetzen. Die Worte, die auch durch die Rede des Grafen Douglas
eine indirekte Bestätigung finden, sind ein schönes Zeugnis von der unbefan¬
genen Auffassung des Kaisers, wie denn diese auch gerade in der Ernennung
Bennigsens einen erfreulichen Ausdruck gefunden hat. Nichts hat die Frei¬
sinnigen seit längerer Zeit mehr geärgert als diese Sache; sie sahen Wohl
darin eine Anerkennung der Rcgierungsfähigkeit der gehaßten Nationalliberalen,
und so gingen denn die unglaublichsten Hetzereien gegen das Kartell wieder
los. Mit welcher Wut zumal sie die Ernennung Bennigsens aufnahmen, konnte
man aus der Meldung sehen, die die Volkszeitung über diese einfache That¬
sache ihren Lesern brachte. Sie schrieb: "So hat denn endlich die liebe Seele
Ruhe. Der Reichs- und Staatsanzeiger meldet, daß der König den Landes¬
direktor der Provinz Hannover, Dr. v. Bennigsen, zum Oberpräsidenten der
Provinz Hannover ernannt habe. Der kühne Nebenbuhler des Herrn v. Putt-
kamer ist also zum Untergebenen eines früher Untergebenen des frühern Mi¬
nisters des Innern geworden; das ist nach einer zwanzigjährigen Ministerkan¬
didatur ein etwas bescheidener Erfolg. In den Ozean schifft mit tausend Masten
der Jüngling ze." So geht das giftige Gezische! weiter. Es ist die Sprache,
die wir 1361--66 hörten, und die wir, nach allem, was geschehen war, wohl
für verstummt halten durften. Wahrlich, Kaiser Wilhelm I. hat Recht, wenn
er in seinen Aufzeichnungen sagt, seine Nachkommen sollten nicht vergessen, daß
Zeiten möglich waren wie 1861--66. Etwas Thörichteres, als daß auch der
"Reichsbote" in das Gekläff über Bennigsens Berufung mit einstimmte und sie
beklagte, konnte es kaum geben. Er meinte, das Welfentum in Hannover würde
durch Bennigsens Berufung auf den höchsten Posten gerade dieser Provinz tief
erbittert werden. Als ob diese neben den Nvmlingen unversöhnlichsten Feinde
Preußens und des unter ihm geeinten Deutschlands jemals noch tiefer erbittert
werden könnten! Dafür, daß die Ernennung Bennigsens zum Oberpräsidenten
in Hannover die Erhaltung der bisherigen zum Heile des Vaterlandes mit der
Regierung arbeitenden Mehrheit möglich macht, haben die Klerikalen des
"Reichsboten" keinen Sinn. Sie sehen nur den verminderten Einfluß ihrer Ortho¬
doxie auf die innere Politik, und diese Störung ihres hierarchischen Herrschafts¬
gelüstes schmerzt sie mehr als alles.

Eine Äußerung des Kaisers über den Adel gab den fortschrittlichen Zei¬
tungen Gelegenheit zu Angriffen, von denen wir weiter unten eine Probe geben
wollen, und die zeigen, welcher Schamlosigkeit diese Presse, die sich zum größten Teil
in jüdischen Händen befindet, fähig ist. Sieht man das, so muß man einem
nationalliberalen Redner Recht geben, der bei Gelegenheit einer Reichstagswahl


Grenzboten IV. 1888. 26
Von der Nordlandfahrt bis zur Romfahrt.

Oberpräsidenten von Hannover wurde auch eine Äußerung des Kaisers gegen
Herbert Bismarck bekannt, die dahin lautete, daß er nur Freunde und Gegner
des Vaterlandes kenne und niemand ihm zutrauen werde, das Rad der Zeit
zurückschrauben zu wollen. Es gebe Ernsteres zu thun, als die Geister gegen
einander zu Hetzen. Die Worte, die auch durch die Rede des Grafen Douglas
eine indirekte Bestätigung finden, sind ein schönes Zeugnis von der unbefan¬
genen Auffassung des Kaisers, wie denn diese auch gerade in der Ernennung
Bennigsens einen erfreulichen Ausdruck gefunden hat. Nichts hat die Frei¬
sinnigen seit längerer Zeit mehr geärgert als diese Sache; sie sahen Wohl
darin eine Anerkennung der Rcgierungsfähigkeit der gehaßten Nationalliberalen,
und so gingen denn die unglaublichsten Hetzereien gegen das Kartell wieder
los. Mit welcher Wut zumal sie die Ernennung Bennigsens aufnahmen, konnte
man aus der Meldung sehen, die die Volkszeitung über diese einfache That¬
sache ihren Lesern brachte. Sie schrieb: „So hat denn endlich die liebe Seele
Ruhe. Der Reichs- und Staatsanzeiger meldet, daß der König den Landes¬
direktor der Provinz Hannover, Dr. v. Bennigsen, zum Oberpräsidenten der
Provinz Hannover ernannt habe. Der kühne Nebenbuhler des Herrn v. Putt-
kamer ist also zum Untergebenen eines früher Untergebenen des frühern Mi¬
nisters des Innern geworden; das ist nach einer zwanzigjährigen Ministerkan¬
didatur ein etwas bescheidener Erfolg. In den Ozean schifft mit tausend Masten
der Jüngling ze." So geht das giftige Gezische! weiter. Es ist die Sprache,
die wir 1361—66 hörten, und die wir, nach allem, was geschehen war, wohl
für verstummt halten durften. Wahrlich, Kaiser Wilhelm I. hat Recht, wenn
er in seinen Aufzeichnungen sagt, seine Nachkommen sollten nicht vergessen, daß
Zeiten möglich waren wie 1861—66. Etwas Thörichteres, als daß auch der
„Reichsbote" in das Gekläff über Bennigsens Berufung mit einstimmte und sie
beklagte, konnte es kaum geben. Er meinte, das Welfentum in Hannover würde
durch Bennigsens Berufung auf den höchsten Posten gerade dieser Provinz tief
erbittert werden. Als ob diese neben den Nvmlingen unversöhnlichsten Feinde
Preußens und des unter ihm geeinten Deutschlands jemals noch tiefer erbittert
werden könnten! Dafür, daß die Ernennung Bennigsens zum Oberpräsidenten
in Hannover die Erhaltung der bisherigen zum Heile des Vaterlandes mit der
Regierung arbeitenden Mehrheit möglich macht, haben die Klerikalen des
„Reichsboten" keinen Sinn. Sie sehen nur den verminderten Einfluß ihrer Ortho¬
doxie auf die innere Politik, und diese Störung ihres hierarchischen Herrschafts¬
gelüstes schmerzt sie mehr als alles.

Eine Äußerung des Kaisers über den Adel gab den fortschrittlichen Zei¬
tungen Gelegenheit zu Angriffen, von denen wir weiter unten eine Probe geben
wollen, und die zeigen, welcher Schamlosigkeit diese Presse, die sich zum größten Teil
in jüdischen Händen befindet, fähig ist. Sieht man das, so muß man einem
nationalliberalen Redner Recht geben, der bei Gelegenheit einer Reichstagswahl


Grenzboten IV. 1888. 26
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[0209] Von der Nordlandfahrt bis zur Romfahrt. Oberpräsidenten von Hannover wurde auch eine Äußerung des Kaisers gegen Herbert Bismarck bekannt, die dahin lautete, daß er nur Freunde und Gegner des Vaterlandes kenne und niemand ihm zutrauen werde, das Rad der Zeit zurückschrauben zu wollen. Es gebe Ernsteres zu thun, als die Geister gegen einander zu Hetzen. Die Worte, die auch durch die Rede des Grafen Douglas eine indirekte Bestätigung finden, sind ein schönes Zeugnis von der unbefan¬ genen Auffassung des Kaisers, wie denn diese auch gerade in der Ernennung Bennigsens einen erfreulichen Ausdruck gefunden hat. Nichts hat die Frei¬ sinnigen seit längerer Zeit mehr geärgert als diese Sache; sie sahen Wohl darin eine Anerkennung der Rcgierungsfähigkeit der gehaßten Nationalliberalen, und so gingen denn die unglaublichsten Hetzereien gegen das Kartell wieder los. Mit welcher Wut zumal sie die Ernennung Bennigsens aufnahmen, konnte man aus der Meldung sehen, die die Volkszeitung über diese einfache That¬ sache ihren Lesern brachte. Sie schrieb: „So hat denn endlich die liebe Seele Ruhe. Der Reichs- und Staatsanzeiger meldet, daß der König den Landes¬ direktor der Provinz Hannover, Dr. v. Bennigsen, zum Oberpräsidenten der Provinz Hannover ernannt habe. Der kühne Nebenbuhler des Herrn v. Putt- kamer ist also zum Untergebenen eines früher Untergebenen des frühern Mi¬ nisters des Innern geworden; das ist nach einer zwanzigjährigen Ministerkan¬ didatur ein etwas bescheidener Erfolg. In den Ozean schifft mit tausend Masten der Jüngling ze." So geht das giftige Gezische! weiter. Es ist die Sprache, die wir 1361—66 hörten, und die wir, nach allem, was geschehen war, wohl für verstummt halten durften. Wahrlich, Kaiser Wilhelm I. hat Recht, wenn er in seinen Aufzeichnungen sagt, seine Nachkommen sollten nicht vergessen, daß Zeiten möglich waren wie 1861—66. Etwas Thörichteres, als daß auch der „Reichsbote" in das Gekläff über Bennigsens Berufung mit einstimmte und sie beklagte, konnte es kaum geben. Er meinte, das Welfentum in Hannover würde durch Bennigsens Berufung auf den höchsten Posten gerade dieser Provinz tief erbittert werden. Als ob diese neben den Nvmlingen unversöhnlichsten Feinde Preußens und des unter ihm geeinten Deutschlands jemals noch tiefer erbittert werden könnten! Dafür, daß die Ernennung Bennigsens zum Oberpräsidenten in Hannover die Erhaltung der bisherigen zum Heile des Vaterlandes mit der Regierung arbeitenden Mehrheit möglich macht, haben die Klerikalen des „Reichsboten" keinen Sinn. Sie sehen nur den verminderten Einfluß ihrer Ortho¬ doxie auf die innere Politik, und diese Störung ihres hierarchischen Herrschafts¬ gelüstes schmerzt sie mehr als alles. Eine Äußerung des Kaisers über den Adel gab den fortschrittlichen Zei¬ tungen Gelegenheit zu Angriffen, von denen wir weiter unten eine Probe geben wollen, und die zeigen, welcher Schamlosigkeit diese Presse, die sich zum größten Teil in jüdischen Händen befindet, fähig ist. Sieht man das, so muß man einem nationalliberalen Redner Recht geben, der bei Gelegenheit einer Reichstagswahl Grenzboten IV. 1888. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/209>, abgerufen am 24.08.2024.