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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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von der Nordlandfahrt bis zur Romfahrt.

den gelauscht wird, welcher seinem Lande neue Größe verspricht. Wer von der
Größe Frankreichs redet, und wäre es der gewissenloseste Abenteurer, der hat
das Land. So thöricht diese Leichtgläubigkeit ist, so ehrenhaft ist aber doch
das patriotische Gefühl; Parteien, wie in Deutschland die Freisinnigen, die sich
an der Größe des eignen Vaterlandes ärgern, sind in Frankreich unmöglich.
Brachte es doch diese internationale Gesellschaft auch in jenen Tagen wieder
einmal fertig, für Englands Nutzen Deutschland schädigen zu wollen. Dem
Thersites der Partei war es gelungen, ein als "streng vertraulich" bezeich¬
netes Rundschreiben in seine Hände zu bekommen, in welchem zur Bildung
einer deutschen Expedition aufgefordert wurde, die Dr. Schnitzer, unsern deut¬
schen Landsmann, befreien und im Falle des Gelingens zugleich eine Handels¬
straße von den oberen Seen Jnnerafrikas nach unsern ostafrikanischen Besitzungen
eröffnen sollte. Dieses deutsch-nationale Unternehmen mußte natürlich der pa¬
triotische dcutschfreisinnige Führer zu hintertreiben versuchen. Das "streng ver¬
traulich" wurde also flugs damit beantwortet, daß die "Freisinnige Zeitung"
den bisher geheim gehaltenen Plan sofort bekannt machte, damit die Engländer
noch zur rechten Zeit das Unternehmen stören und den Gewinn des Projektes
für sich ausbeuten könnten. Welche große Freude es dem Freisinn bereitete, als
das Unternehmen eine plötzliche Störung erfuhr, haben wir jüngst gesehen, als
der Aufstand in den deutschen ostafrikanischen Besitzungen durch englische Be¬
richte gemeldet wurde. Aber schon aus dem Gesagten zeigt es sich, was wir
an diesem Freisinn haben, der sich wie zum Hohne "deutsch" nennt. In der
That, es war ein gnädiges Geschick, das uns vor dem Regiments dieser Partei
behütet hat.

Am 21. August kam der italienische Ministerpräsident Crispi in Friedrichsruh
bei Bismarck an, zu derselben Zeit, wo seine Note an Goblet in der Massaua-
Kapitulativnen-Angelegenheit in Paris einen "peinlichen Eindruck" gemacht hatte,
die aber ganz in der Ordnung war. Wenn auch die Pariser Presse den Ton
Crispis als herausfordernd bezeichnet hatte, so machte doch der Weg Crispis
nach Friedrichsruh die französische Regierung vorsichtig und zur Begleichung
des Streites doppelt geneigt. Die times sah in der Zusammenkunft Crispis
mit Bismarck eine erneute Versicherung der Befestigung des Bündnisses der
europäischen Zentralmächte und eine hauptsächliche Bürgschaft des europäischen
Friedens. Durch Neuigkeit glänzt diese Weisheit ebensowenig, wie der Beitrag
Englands zur Erhaltung des Friedens selbst, wenn es auch die Miene annimmt,
als ob der Friede durch England erst recht gesichert wäre. Und so versicherte
uns der Herr Oberst Maurice bei dieser Gelegenheit ganz feierlich, daß Eng¬
lands Flotte für Deutschland und Italien mindestens 600000 Mann Landtruppen
gleichkomme. Herr Maurice scheint noch nicht zu wissen, daß den englischen
Kriegsschiffen zum guten Teil die Kanonen fehlen.

Bei Gelegenheit der Meldung von der Ernennung R. v. Bennigsens zum


von der Nordlandfahrt bis zur Romfahrt.

den gelauscht wird, welcher seinem Lande neue Größe verspricht. Wer von der
Größe Frankreichs redet, und wäre es der gewissenloseste Abenteurer, der hat
das Land. So thöricht diese Leichtgläubigkeit ist, so ehrenhaft ist aber doch
das patriotische Gefühl; Parteien, wie in Deutschland die Freisinnigen, die sich
an der Größe des eignen Vaterlandes ärgern, sind in Frankreich unmöglich.
Brachte es doch diese internationale Gesellschaft auch in jenen Tagen wieder
einmal fertig, für Englands Nutzen Deutschland schädigen zu wollen. Dem
Thersites der Partei war es gelungen, ein als „streng vertraulich" bezeich¬
netes Rundschreiben in seine Hände zu bekommen, in welchem zur Bildung
einer deutschen Expedition aufgefordert wurde, die Dr. Schnitzer, unsern deut¬
schen Landsmann, befreien und im Falle des Gelingens zugleich eine Handels¬
straße von den oberen Seen Jnnerafrikas nach unsern ostafrikanischen Besitzungen
eröffnen sollte. Dieses deutsch-nationale Unternehmen mußte natürlich der pa¬
triotische dcutschfreisinnige Führer zu hintertreiben versuchen. Das „streng ver¬
traulich" wurde also flugs damit beantwortet, daß die „Freisinnige Zeitung"
den bisher geheim gehaltenen Plan sofort bekannt machte, damit die Engländer
noch zur rechten Zeit das Unternehmen stören und den Gewinn des Projektes
für sich ausbeuten könnten. Welche große Freude es dem Freisinn bereitete, als
das Unternehmen eine plötzliche Störung erfuhr, haben wir jüngst gesehen, als
der Aufstand in den deutschen ostafrikanischen Besitzungen durch englische Be¬
richte gemeldet wurde. Aber schon aus dem Gesagten zeigt es sich, was wir
an diesem Freisinn haben, der sich wie zum Hohne „deutsch" nennt. In der
That, es war ein gnädiges Geschick, das uns vor dem Regiments dieser Partei
behütet hat.

Am 21. August kam der italienische Ministerpräsident Crispi in Friedrichsruh
bei Bismarck an, zu derselben Zeit, wo seine Note an Goblet in der Massaua-
Kapitulativnen-Angelegenheit in Paris einen „peinlichen Eindruck" gemacht hatte,
die aber ganz in der Ordnung war. Wenn auch die Pariser Presse den Ton
Crispis als herausfordernd bezeichnet hatte, so machte doch der Weg Crispis
nach Friedrichsruh die französische Regierung vorsichtig und zur Begleichung
des Streites doppelt geneigt. Die times sah in der Zusammenkunft Crispis
mit Bismarck eine erneute Versicherung der Befestigung des Bündnisses der
europäischen Zentralmächte und eine hauptsächliche Bürgschaft des europäischen
Friedens. Durch Neuigkeit glänzt diese Weisheit ebensowenig, wie der Beitrag
Englands zur Erhaltung des Friedens selbst, wenn es auch die Miene annimmt,
als ob der Friede durch England erst recht gesichert wäre. Und so versicherte
uns der Herr Oberst Maurice bei dieser Gelegenheit ganz feierlich, daß Eng¬
lands Flotte für Deutschland und Italien mindestens 600000 Mann Landtruppen
gleichkomme. Herr Maurice scheint noch nicht zu wissen, daß den englischen
Kriegsschiffen zum guten Teil die Kanonen fehlen.

Bei Gelegenheit der Meldung von der Ernennung R. v. Bennigsens zum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/208>, abgerufen am 24.08.2024.