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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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von der Nordlandfahrt bis zur Romfcchrt.

Hältnisse den Oppositionsparteien irgend welche gegründete Veranlassung zur
Opposition geben können. Nicht als ob eine solche nicht auch von diesen Ge¬
bieten aus versucht werden würde, aber hier kann ihr mit Zahlen derart ihr
Unfug vor die Augen gehalten werden, daß auch der Laie in solchen Dingen
die gewerbsmäßigen Wühler erkennen muß. Der Jahresbericht der Ältesten der
Berliner Kaufmannschaft, unter denen doch viele politische Gesinnungsgenossen
Eugen Richters sind, berichtet über die Erfolge der einst so heftig angefochtenen
Reichspostdampferlinien: "Als ein wirksames Förderungsmittel unsers Verkehrs
mit Ostasien und mit Australien haben sich die vom Reiche subventionirten Post-
dampfer bewährt. Sie haben in der Schnelligkeit der Post- wie der Passagier¬
beförderung alle Konkurrenten überholt. Auf der ostasiatischen Linie sind die
Schiffe von Anfang an zu mindestens drei Fünfteln in Bremen selbst, zu etwa
zwei Fünfteln in Antwerpen befrachtet worden, nach kurzer Zeit ist dann die
ausgehende Fracht so stark angewachsen, daß zu ihrer Beförderung die Schiffe
nicht mehr ausreichten. Was die Rückfracht von Shanghai, Hongkong und Co-
lombo betrifft, so hat der direkte Bezug von chinesischen und Kolonialerzeug¬
nissen des Ostens bereits angefangen, uns von der Vormundschaft des englischen
und französischen Marktes mehr und mehr zu emanzipiren u. s. w." Unser über¬
seeischer Verkehr hat so zugenommen, daß die Errichtung einer neuen Dampfer¬
linie Hamburg-Australien mit einem Aktienkapital von fünf Millionen Mark,
an deren Spitze A. Woermann steht, gesichert ist.

Wenn aber so von den Maßnahmen her, welche die Regierung seit Jahren
in wirtschaftlichen Dingen befolgt hat, der Opposition des Fortschritts keine
günstige Aussicht erwächst und der Schädigung der öffentlichen Sittlichkeit durch
Erregung des politischen Fanatismus vorgebeugt ist, so sollte auch dieser Schä¬
digung, wie sie von andrer Seite her unternommen wird, künftig von den Behör¬
den entgegengetreten werden. Am allerwenigsten sollte eine Förderung stattfinden,
wie sie stattgefunden hätte, wenn sich das bestätigte, was in öffentlichen Blättern
zu lesen war, daß bei der Eröffnungsfeier der sogenannten Heiligtumsfahrt in
Aachen auch die Mitglieder der königl. Regierung, des Landgerichts, der höhern
Schulen, des Offizierkorps w eorxors zugegen gewesen seien. Die Aachener Re¬
liquienfeier, die aller sieben Jahre stattfindet, gilt dem Kleide der seligsten Jung¬
frau Maria, den Windeln und dem Lendentuche Jesu, dem blutbefleckten Tuche,
worin das Haupt Johannis des Täufers gelegen hat. Das Kleid der Maria
ist besonders schön und auch dadurch merkwürdig, daß es sich an mehreren
Orten findet. Das "Düsseldorfer Sonntagsblatt" belehrte aber die Gläubigen,
daß diese Reliquien verehrt werden müßten, weil sie Wunder über Wunder thun,
und weil sich "an denselben oft höhere Lebensäußerungen erweisen, dergleichen
auch noch die hier lebenden Heiligen von sich zu geben pflegen." Wer nun
dieses Glaubens lebt, der mag auch immerhin darauf selig werden. Aber die
Frage Oskar Jägers, ob anzunehmen sei, daß die Mitglieder obengenannter


von der Nordlandfahrt bis zur Romfcchrt.

Hältnisse den Oppositionsparteien irgend welche gegründete Veranlassung zur
Opposition geben können. Nicht als ob eine solche nicht auch von diesen Ge¬
bieten aus versucht werden würde, aber hier kann ihr mit Zahlen derart ihr
Unfug vor die Augen gehalten werden, daß auch der Laie in solchen Dingen
die gewerbsmäßigen Wühler erkennen muß. Der Jahresbericht der Ältesten der
Berliner Kaufmannschaft, unter denen doch viele politische Gesinnungsgenossen
Eugen Richters sind, berichtet über die Erfolge der einst so heftig angefochtenen
Reichspostdampferlinien: „Als ein wirksames Förderungsmittel unsers Verkehrs
mit Ostasien und mit Australien haben sich die vom Reiche subventionirten Post-
dampfer bewährt. Sie haben in der Schnelligkeit der Post- wie der Passagier¬
beförderung alle Konkurrenten überholt. Auf der ostasiatischen Linie sind die
Schiffe von Anfang an zu mindestens drei Fünfteln in Bremen selbst, zu etwa
zwei Fünfteln in Antwerpen befrachtet worden, nach kurzer Zeit ist dann die
ausgehende Fracht so stark angewachsen, daß zu ihrer Beförderung die Schiffe
nicht mehr ausreichten. Was die Rückfracht von Shanghai, Hongkong und Co-
lombo betrifft, so hat der direkte Bezug von chinesischen und Kolonialerzeug¬
nissen des Ostens bereits angefangen, uns von der Vormundschaft des englischen
und französischen Marktes mehr und mehr zu emanzipiren u. s. w." Unser über¬
seeischer Verkehr hat so zugenommen, daß die Errichtung einer neuen Dampfer¬
linie Hamburg-Australien mit einem Aktienkapital von fünf Millionen Mark,
an deren Spitze A. Woermann steht, gesichert ist.

Wenn aber so von den Maßnahmen her, welche die Regierung seit Jahren
in wirtschaftlichen Dingen befolgt hat, der Opposition des Fortschritts keine
günstige Aussicht erwächst und der Schädigung der öffentlichen Sittlichkeit durch
Erregung des politischen Fanatismus vorgebeugt ist, so sollte auch dieser Schä¬
digung, wie sie von andrer Seite her unternommen wird, künftig von den Behör¬
den entgegengetreten werden. Am allerwenigsten sollte eine Förderung stattfinden,
wie sie stattgefunden hätte, wenn sich das bestätigte, was in öffentlichen Blättern
zu lesen war, daß bei der Eröffnungsfeier der sogenannten Heiligtumsfahrt in
Aachen auch die Mitglieder der königl. Regierung, des Landgerichts, der höhern
Schulen, des Offizierkorps w eorxors zugegen gewesen seien. Die Aachener Re¬
liquienfeier, die aller sieben Jahre stattfindet, gilt dem Kleide der seligsten Jung¬
frau Maria, den Windeln und dem Lendentuche Jesu, dem blutbefleckten Tuche,
worin das Haupt Johannis des Täufers gelegen hat. Das Kleid der Maria
ist besonders schön und auch dadurch merkwürdig, daß es sich an mehreren
Orten findet. Das „Düsseldorfer Sonntagsblatt" belehrte aber die Gläubigen,
daß diese Reliquien verehrt werden müßten, weil sie Wunder über Wunder thun,
und weil sich „an denselben oft höhere Lebensäußerungen erweisen, dergleichen
auch noch die hier lebenden Heiligen von sich zu geben pflegen." Wer nun
dieses Glaubens lebt, der mag auch immerhin darauf selig werden. Aber die
Frage Oskar Jägers, ob anzunehmen sei, daß die Mitglieder obengenannter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/206>, abgerufen am 24.08.2024.