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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Ein Denkmal der Leipziger Völkerschlacht.

Fürst Repnin erteilte Seckendorff die erbetene Erlaubnis, nicht ohne ihn
darauf aufmerksam zu machen, daß der eben erwähnte Auftritt nie in der
angegebenen Weise stattgefunden habe, und Seckendorff veröffentlichte nun sein
Vorhaben unterm 1. Mai 1814 in den "Leipziger Zeitungen." Seinen Plan
behielt er zunächst noch für sich, bat, ihm Ideen dazu anzugeben, stellte es
"jedem echten Patrioten, er sei Sachse oder Deutscher," frei, sich ihm anzuschließen,
verbat sich aber vorläufig die Einsendung von Geldbeiträgen.

Diese Aufforderung trug ihm nun teils mit, teils ohne Namen der Ein¬
sender die mannigfaltigsten Vorschläge ein, Vorschläge, die zum Teil höchst wunder¬
licher Art waren, ja gar nicht auf ein plastisches Denkmal, sondern auf eine
milde Stiftung gingen. Einer wollte "auf der Höhe zwischen Wachau, Liebert-
wolkwitz und Probsthaide ein Etablissement tendiren, worinnen für Deutschheit
die Waisen der für Freiheit und Vaterland gebliebenen Helden erzogen und
für ihre Witwen Unterhalt und angemessene Beschäftigung dabei gefunden
werden sollte." Die Kosten dazu sollten aufgebracht werden durch die fabrik¬
mäßige Anfertigung und den Verkauf eines Nationalpetschafts (!), dessen
Griff als Siegessäule oder Kanonenrohr gestaltet sein sollte, und dessen
Siegel als "deutsches Bundessiegcl" gedacht war. Ein zweiter schlug vor,
eine billige Denkmünze zu prägen und im ganzen Lande zu verkaufen, eine
Pfennigstcuer auszuschreiben und außerdem eine allgemeine Hauskollekte zu ver¬
anstalten; der Ertrag dieser drei Unternehmungen sollte verwendet werden zur
Unterstützung der Waisen und der Armen und zu Pachtgeldern und Samenerd-
äpfcln für die arbeitsamen Armen jedes Dorfes" (!).

Ein dritter legte dar, daß die "eigentümlichste Idee" der Völkerschlacht
doch unwidersprechlich die der "strafenden Nemesis" gewesen sei, des ewigen
Gleichgewichts der Welt, welches wohl für kurze Zeit in etwas durch eine
verwegene, aufbrausende Kraft zerstört, aber nimmer vernichtet werden könne,
vielmehr durch seine Wiederherstellung diese Kraft selbst vernichte. Daher
wünschte er, daß das Schwert der Nemesis im Bilde eines riesigen altdeutschen
geflammten Schwertes, gegossen ans eroberten feindlichen Kanonen, den Haupt¬
bestandteil des Denkmales bildete. Auf einem großen Würfel sollte ein kleinerer
ruhen, in welchem das Schwert, der Griff nach oben, mit der Spitze befestigt
werden sollte. "Passend wäre es Wohl, durch eine bis in die Erde fortgesetzte
Eisenleitung es zum Selbstblitzableiter zu machen" (!). Der untere größere Würfel
sollte Sinnbilder und Inschriften tragen, an der Vorderseite "die herrlichen,
tiefen, hier so höchst beziehungreichcn Worte des trefflichsten deutschen Dichters:
Die Weltgeschichte ist das Weltgericht."

Ein vierter Vorschlag nebst einer Skizze wurde von jemand eingesandt,
der zugleich versicherte, daß es ihm eine Freude sein würde, eine solche Arbeit
"als deutscher Künstler" auszuführen. Was er beabsichtigte, war etwas unklar
ausgedrückt, läßt sich aber ungefähr erraten: er wollte eine Gruppe schaffen,


Ein Denkmal der Leipziger Völkerschlacht.

Fürst Repnin erteilte Seckendorff die erbetene Erlaubnis, nicht ohne ihn
darauf aufmerksam zu machen, daß der eben erwähnte Auftritt nie in der
angegebenen Weise stattgefunden habe, und Seckendorff veröffentlichte nun sein
Vorhaben unterm 1. Mai 1814 in den „Leipziger Zeitungen." Seinen Plan
behielt er zunächst noch für sich, bat, ihm Ideen dazu anzugeben, stellte es
„jedem echten Patrioten, er sei Sachse oder Deutscher," frei, sich ihm anzuschließen,
verbat sich aber vorläufig die Einsendung von Geldbeiträgen.

Diese Aufforderung trug ihm nun teils mit, teils ohne Namen der Ein¬
sender die mannigfaltigsten Vorschläge ein, Vorschläge, die zum Teil höchst wunder¬
licher Art waren, ja gar nicht auf ein plastisches Denkmal, sondern auf eine
milde Stiftung gingen. Einer wollte „auf der Höhe zwischen Wachau, Liebert-
wolkwitz und Probsthaide ein Etablissement tendiren, worinnen für Deutschheit
die Waisen der für Freiheit und Vaterland gebliebenen Helden erzogen und
für ihre Witwen Unterhalt und angemessene Beschäftigung dabei gefunden
werden sollte." Die Kosten dazu sollten aufgebracht werden durch die fabrik¬
mäßige Anfertigung und den Verkauf eines Nationalpetschafts (!), dessen
Griff als Siegessäule oder Kanonenrohr gestaltet sein sollte, und dessen
Siegel als „deutsches Bundessiegcl" gedacht war. Ein zweiter schlug vor,
eine billige Denkmünze zu prägen und im ganzen Lande zu verkaufen, eine
Pfennigstcuer auszuschreiben und außerdem eine allgemeine Hauskollekte zu ver¬
anstalten; der Ertrag dieser drei Unternehmungen sollte verwendet werden zur
Unterstützung der Waisen und der Armen und zu Pachtgeldern und Samenerd-
äpfcln für die arbeitsamen Armen jedes Dorfes" (!).

Ein dritter legte dar, daß die „eigentümlichste Idee" der Völkerschlacht
doch unwidersprechlich die der „strafenden Nemesis" gewesen sei, des ewigen
Gleichgewichts der Welt, welches wohl für kurze Zeit in etwas durch eine
verwegene, aufbrausende Kraft zerstört, aber nimmer vernichtet werden könne,
vielmehr durch seine Wiederherstellung diese Kraft selbst vernichte. Daher
wünschte er, daß das Schwert der Nemesis im Bilde eines riesigen altdeutschen
geflammten Schwertes, gegossen ans eroberten feindlichen Kanonen, den Haupt¬
bestandteil des Denkmales bildete. Auf einem großen Würfel sollte ein kleinerer
ruhen, in welchem das Schwert, der Griff nach oben, mit der Spitze befestigt
werden sollte. „Passend wäre es Wohl, durch eine bis in die Erde fortgesetzte
Eisenleitung es zum Selbstblitzableiter zu machen" (!). Der untere größere Würfel
sollte Sinnbilder und Inschriften tragen, an der Vorderseite „die herrlichen,
tiefen, hier so höchst beziehungreichcn Worte des trefflichsten deutschen Dichters:
Die Weltgeschichte ist das Weltgericht."

Ein vierter Vorschlag nebst einer Skizze wurde von jemand eingesandt,
der zugleich versicherte, daß es ihm eine Freude sein würde, eine solche Arbeit
„als deutscher Künstler" auszuführen. Was er beabsichtigte, war etwas unklar
ausgedrückt, läßt sich aber ungefähr erraten: er wollte eine Gruppe schaffen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/192>, abgerufen am 24.08.2024.