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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Wandergesellen und Stellenvermittlung.

Genossenschaft, indem der Ausschuß mit einem hierzu geeigneten Gastgeber oder
einer sonstigen Anstalt (Herberge zur Heimat, Gesellenvereinshaus u. s. w.) einen
Vertrag abschließt, nach welchem sich der betreffende Wirt verpflichtet, zu bestimmten
Sätzen an die zureisenden und vrtsanwcsenden Arbeiter der Genossenschaft gutes
Nachtquartier sowie entsprechende Speisen und Getränke zu verabfolgen. Der
betreffende Vertrag ist dem Genossenschaftsvvrstande mitzuteilen, und dieser hat
sodann in bestimmten Zeiträumen ein gedrucktes alphabetisches Verzeichnis aller
Ortsverbände mit Angabe der Herbergen und ihrer Preise herauszugeben und
an die Ortsverbände zu verschicken. Auch ist dieses Verzeichnis allen Arbeitern
gegen billigen Preis käuflich zu überlassen, damit sie es auf der Wanderschaft
als Reiseführer benutzen können. Ein dem Ausschuß angehörender, hierzu geeigneter
Arbeiter hat die Aufgabe, dem fremden Genossen mit Rat und That an die
Hand zu gehen. Jeder zugereiste Arbeiter erhält von jedem Ortsverbande bei
seiner Ankunft eine von der Genossenschaft festzustellende Reiseunterstützung
in Gestalt einer Anweisung auf die Herberge zugestellt, darf aber diese Unter¬
stützung, die ihm in einem hierzu eingerichteten Genosfenschaftswcmderbuch unter
Stempelung durch den Ortsverband vermerkt wird, in einem bestimmten Zeit¬
raume nicht öfter als einmal erheben. Zur Auszahlung der Beträge ist von
feiten des Ortsverbandes ein entsprechender Kasfenvorrat durch Vorschüsse der
Arbeitgeber zu bilden. Nach Ablauf des Rechnungsjahres werden die Auslagen
zusammengezählt und bei der Genossenschaft flüssig gemacht, die sodann ihrer¬
seits wieder den ganzen Betrag der für Neiseunterstutzungen in dem betreffenden
Rechnungsjahr ausgegebenen Gelder bei den einzelnen Betrieben nach Maßgabe
des Unfallversicherungskatasters erhebt. Von der ausgelegten Summe können
sodann die Arbeitgeber die Hälfte durch regelmäßige Lohnabzüge sich von den
Arbeitern ersetzen lassen. Etwaige Kosten des Ortsverbandes für Verwaltung u. s. w.
sind von diesem selbst zu tragen, wozu eine besondre Kasse für Vereinszwecke
gebildet wird. Die Genossenschaftsherberge könnte dabei zugleich der natürliche
Mittelpunkt für das gesellige Leben der Arbeiter werden; die ledigen Leute
könnten hier Mittagstisch nehmen oder am Abend sich einfinden, sodaß die
fremden Gesellen auch eine Ansprache hätten, Leseabende, Gcsangsvereine könnten
an größeren Plätzen sich bilden, im Sommer Ausflüge, im Winter Tanz¬
belustigungen und Weihnachtsfeste veranstaltet, Arbeiterjubiläen entsprechend
begangen werden. Tüchtigen Ausschußmitgliedern würde sich hier ein weites
Feld für eine dankbare Thätigkeit eröffnen, die den Geist der Berufszusammen¬
gehörigkeit unter den Arbeitern, aber auch zwischen Arbeitgebern und Arbeitern
heben und sogar manches zur Ausgleichung der sozialen Gegensätze beitragen
könnte. Sogar die Bildung von Konsumvereinen zu gemeinsamem Einkauf von
Lebensmitteln, Brennmaterial, Kleiderstoffen u. s. w. für die Arbeiter wäre
nicht ausgeschlossen.

Ich komme nunmehr zum zweiten Punkte unsrer Aufgabe, zur Stellen-


Wandergesellen und Stellenvermittlung.

Genossenschaft, indem der Ausschuß mit einem hierzu geeigneten Gastgeber oder
einer sonstigen Anstalt (Herberge zur Heimat, Gesellenvereinshaus u. s. w.) einen
Vertrag abschließt, nach welchem sich der betreffende Wirt verpflichtet, zu bestimmten
Sätzen an die zureisenden und vrtsanwcsenden Arbeiter der Genossenschaft gutes
Nachtquartier sowie entsprechende Speisen und Getränke zu verabfolgen. Der
betreffende Vertrag ist dem Genossenschaftsvvrstande mitzuteilen, und dieser hat
sodann in bestimmten Zeiträumen ein gedrucktes alphabetisches Verzeichnis aller
Ortsverbände mit Angabe der Herbergen und ihrer Preise herauszugeben und
an die Ortsverbände zu verschicken. Auch ist dieses Verzeichnis allen Arbeitern
gegen billigen Preis käuflich zu überlassen, damit sie es auf der Wanderschaft
als Reiseführer benutzen können. Ein dem Ausschuß angehörender, hierzu geeigneter
Arbeiter hat die Aufgabe, dem fremden Genossen mit Rat und That an die
Hand zu gehen. Jeder zugereiste Arbeiter erhält von jedem Ortsverbande bei
seiner Ankunft eine von der Genossenschaft festzustellende Reiseunterstützung
in Gestalt einer Anweisung auf die Herberge zugestellt, darf aber diese Unter¬
stützung, die ihm in einem hierzu eingerichteten Genosfenschaftswcmderbuch unter
Stempelung durch den Ortsverband vermerkt wird, in einem bestimmten Zeit¬
raume nicht öfter als einmal erheben. Zur Auszahlung der Beträge ist von
feiten des Ortsverbandes ein entsprechender Kasfenvorrat durch Vorschüsse der
Arbeitgeber zu bilden. Nach Ablauf des Rechnungsjahres werden die Auslagen
zusammengezählt und bei der Genossenschaft flüssig gemacht, die sodann ihrer¬
seits wieder den ganzen Betrag der für Neiseunterstutzungen in dem betreffenden
Rechnungsjahr ausgegebenen Gelder bei den einzelnen Betrieben nach Maßgabe
des Unfallversicherungskatasters erhebt. Von der ausgelegten Summe können
sodann die Arbeitgeber die Hälfte durch regelmäßige Lohnabzüge sich von den
Arbeitern ersetzen lassen. Etwaige Kosten des Ortsverbandes für Verwaltung u. s. w.
sind von diesem selbst zu tragen, wozu eine besondre Kasse für Vereinszwecke
gebildet wird. Die Genossenschaftsherberge könnte dabei zugleich der natürliche
Mittelpunkt für das gesellige Leben der Arbeiter werden; die ledigen Leute
könnten hier Mittagstisch nehmen oder am Abend sich einfinden, sodaß die
fremden Gesellen auch eine Ansprache hätten, Leseabende, Gcsangsvereine könnten
an größeren Plätzen sich bilden, im Sommer Ausflüge, im Winter Tanz¬
belustigungen und Weihnachtsfeste veranstaltet, Arbeiterjubiläen entsprechend
begangen werden. Tüchtigen Ausschußmitgliedern würde sich hier ein weites
Feld für eine dankbare Thätigkeit eröffnen, die den Geist der Berufszusammen¬
gehörigkeit unter den Arbeitern, aber auch zwischen Arbeitgebern und Arbeitern
heben und sogar manches zur Ausgleichung der sozialen Gegensätze beitragen
könnte. Sogar die Bildung von Konsumvereinen zu gemeinsamem Einkauf von
Lebensmitteln, Brennmaterial, Kleiderstoffen u. s. w. für die Arbeiter wäre
nicht ausgeschlossen.

Ich komme nunmehr zum zweiten Punkte unsrer Aufgabe, zur Stellen-


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[0018] Wandergesellen und Stellenvermittlung. Genossenschaft, indem der Ausschuß mit einem hierzu geeigneten Gastgeber oder einer sonstigen Anstalt (Herberge zur Heimat, Gesellenvereinshaus u. s. w.) einen Vertrag abschließt, nach welchem sich der betreffende Wirt verpflichtet, zu bestimmten Sätzen an die zureisenden und vrtsanwcsenden Arbeiter der Genossenschaft gutes Nachtquartier sowie entsprechende Speisen und Getränke zu verabfolgen. Der betreffende Vertrag ist dem Genossenschaftsvvrstande mitzuteilen, und dieser hat sodann in bestimmten Zeiträumen ein gedrucktes alphabetisches Verzeichnis aller Ortsverbände mit Angabe der Herbergen und ihrer Preise herauszugeben und an die Ortsverbände zu verschicken. Auch ist dieses Verzeichnis allen Arbeitern gegen billigen Preis käuflich zu überlassen, damit sie es auf der Wanderschaft als Reiseführer benutzen können. Ein dem Ausschuß angehörender, hierzu geeigneter Arbeiter hat die Aufgabe, dem fremden Genossen mit Rat und That an die Hand zu gehen. Jeder zugereiste Arbeiter erhält von jedem Ortsverbande bei seiner Ankunft eine von der Genossenschaft festzustellende Reiseunterstützung in Gestalt einer Anweisung auf die Herberge zugestellt, darf aber diese Unter¬ stützung, die ihm in einem hierzu eingerichteten Genosfenschaftswcmderbuch unter Stempelung durch den Ortsverband vermerkt wird, in einem bestimmten Zeit¬ raume nicht öfter als einmal erheben. Zur Auszahlung der Beträge ist von feiten des Ortsverbandes ein entsprechender Kasfenvorrat durch Vorschüsse der Arbeitgeber zu bilden. Nach Ablauf des Rechnungsjahres werden die Auslagen zusammengezählt und bei der Genossenschaft flüssig gemacht, die sodann ihrer¬ seits wieder den ganzen Betrag der für Neiseunterstutzungen in dem betreffenden Rechnungsjahr ausgegebenen Gelder bei den einzelnen Betrieben nach Maßgabe des Unfallversicherungskatasters erhebt. Von der ausgelegten Summe können sodann die Arbeitgeber die Hälfte durch regelmäßige Lohnabzüge sich von den Arbeitern ersetzen lassen. Etwaige Kosten des Ortsverbandes für Verwaltung u. s. w. sind von diesem selbst zu tragen, wozu eine besondre Kasse für Vereinszwecke gebildet wird. Die Genossenschaftsherberge könnte dabei zugleich der natürliche Mittelpunkt für das gesellige Leben der Arbeiter werden; die ledigen Leute könnten hier Mittagstisch nehmen oder am Abend sich einfinden, sodaß die fremden Gesellen auch eine Ansprache hätten, Leseabende, Gcsangsvereine könnten an größeren Plätzen sich bilden, im Sommer Ausflüge, im Winter Tanz¬ belustigungen und Weihnachtsfeste veranstaltet, Arbeiterjubiläen entsprechend begangen werden. Tüchtigen Ausschußmitgliedern würde sich hier ein weites Feld für eine dankbare Thätigkeit eröffnen, die den Geist der Berufszusammen¬ gehörigkeit unter den Arbeitern, aber auch zwischen Arbeitgebern und Arbeitern heben und sogar manches zur Ausgleichung der sozialen Gegensätze beitragen könnte. Sogar die Bildung von Konsumvereinen zu gemeinsamem Einkauf von Lebensmitteln, Brennmaterial, Kleiderstoffen u. s. w. für die Arbeiter wäre nicht ausgeschlossen. Ich komme nunmehr zum zweiten Punkte unsrer Aufgabe, zur Stellen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/18>, abgerufen am 02.07.2024.