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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Wandergesellen und Stellenvermittlung.

eit sich die deutsche Ncichsregung mit der Verkündigung der kaiser¬
lichen Botschaft in der Arbeiterfrage auf den Boden der sozialen
Reform gestellt hat, und mit der Einführung des Krankcnver-
sicherungs- und Unfallgesetzes die zwei ersten wichtigen Ziele
ans dem betretenen Wege erreicht worden sind, hat sich auch in
immer weiteren Kreisen das Interesse für diese Fragen gehoben, und die
lebhafte Beteiligung, die sich gegenwärtig allerseits in der Frage der Alters¬
und Jnvalidenversvrguug kundgiebt. ist ein neues Zeugnis dafür, wie sehr
unsre leitenden Kreise den Nagel auf den Kopf getroffen haben, indem sie
diesen weiteren Gesetzgebuugsstoff in Angriff nahmen. Hoffentlich gelingt es
recht bald, diese Frage in einer Weise zu lösen, die den berechtigten Wünschen
der beteiligten Kreise möglichst gerecht wird. Daß mit der Durchführung dieses
dritten Teiles der durch die kaiserliche Votschaft vorgezeichneten Sozialreform
die Frage noch lange nicht zum Abschluß gebracht, daß damit vielmehr nur
der Boden zu einem planvollen Weiterbau auf dem Gebiete der Arbeitcrfürsorge
geebnet worden ist, wird kaum bezweifelt werden können, und so ist es vielleicht
nicht ganz verfrüht, jetzt schon an dieser Stelle auf einen weiteren Punkt der
Arbeiterfrage hinzuweisen, der der gesetzlichen Ordnung dringend bedarf und
wohl als einer der ersten Gegenstände in Betracht gezogen zu werden verdient,
sobald die Alters- und Jnvalidcuversorgung vollends ihre gesetzliche Regelung
gefunden hat. Die bisher geschaffenen oder in der Schaffung begriffenen
Einrichtungen sorgen nur für deu beschäftigten Arbeiter, der unbeschäftigte
kommt dabei nicht in Betracht. Mit der Stellung verliert nach der heutigen
Sachlage der Arbeiter auch größtenteils das Recht auf die Wohlthaten, die
ihm die neuen Gesetze im Fall der Erkrankung u. s. w. gewährleistet haben.
Er steht hilflos da, bis es ihm gelingt, eine neue Stellung zu finden. Es
wird sich also darum handeln: Wie ist für den unbeschäftigten Arbeiter zu sorgen?
Die Antwort fällt verhältnismäßig einfach aus. Man wird sehen müssen, einmal,
daß er nicht ganz mittellos dastehe, bis er wieder eine Stellung gefunden hat,
sodann, daß er möglichst rasch und leicht wieder eine neue Stellung finde.

Man wird sich ferner sagen müssen, daß zunächst der Arbeiter selbst die
Aufgabe hat, für sich zu sorgen, indem er sich nach Kräften um eine neue




Wandergesellen und Stellenvermittlung.

eit sich die deutsche Ncichsregung mit der Verkündigung der kaiser¬
lichen Botschaft in der Arbeiterfrage auf den Boden der sozialen
Reform gestellt hat, und mit der Einführung des Krankcnver-
sicherungs- und Unfallgesetzes die zwei ersten wichtigen Ziele
ans dem betretenen Wege erreicht worden sind, hat sich auch in
immer weiteren Kreisen das Interesse für diese Fragen gehoben, und die
lebhafte Beteiligung, die sich gegenwärtig allerseits in der Frage der Alters¬
und Jnvalidenversvrguug kundgiebt. ist ein neues Zeugnis dafür, wie sehr
unsre leitenden Kreise den Nagel auf den Kopf getroffen haben, indem sie
diesen weiteren Gesetzgebuugsstoff in Angriff nahmen. Hoffentlich gelingt es
recht bald, diese Frage in einer Weise zu lösen, die den berechtigten Wünschen
der beteiligten Kreise möglichst gerecht wird. Daß mit der Durchführung dieses
dritten Teiles der durch die kaiserliche Votschaft vorgezeichneten Sozialreform
die Frage noch lange nicht zum Abschluß gebracht, daß damit vielmehr nur
der Boden zu einem planvollen Weiterbau auf dem Gebiete der Arbeitcrfürsorge
geebnet worden ist, wird kaum bezweifelt werden können, und so ist es vielleicht
nicht ganz verfrüht, jetzt schon an dieser Stelle auf einen weiteren Punkt der
Arbeiterfrage hinzuweisen, der der gesetzlichen Ordnung dringend bedarf und
wohl als einer der ersten Gegenstände in Betracht gezogen zu werden verdient,
sobald die Alters- und Jnvalidcuversorgung vollends ihre gesetzliche Regelung
gefunden hat. Die bisher geschaffenen oder in der Schaffung begriffenen
Einrichtungen sorgen nur für deu beschäftigten Arbeiter, der unbeschäftigte
kommt dabei nicht in Betracht. Mit der Stellung verliert nach der heutigen
Sachlage der Arbeiter auch größtenteils das Recht auf die Wohlthaten, die
ihm die neuen Gesetze im Fall der Erkrankung u. s. w. gewährleistet haben.
Er steht hilflos da, bis es ihm gelingt, eine neue Stellung zu finden. Es
wird sich also darum handeln: Wie ist für den unbeschäftigten Arbeiter zu sorgen?
Die Antwort fällt verhältnismäßig einfach aus. Man wird sehen müssen, einmal,
daß er nicht ganz mittellos dastehe, bis er wieder eine Stellung gefunden hat,
sodann, daß er möglichst rasch und leicht wieder eine neue Stellung finde.

Man wird sich ferner sagen müssen, daß zunächst der Arbeiter selbst die
Aufgabe hat, für sich zu sorgen, indem er sich nach Kräften um eine neue


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[0016] [Abbildung] Wandergesellen und Stellenvermittlung. eit sich die deutsche Ncichsregung mit der Verkündigung der kaiser¬ lichen Botschaft in der Arbeiterfrage auf den Boden der sozialen Reform gestellt hat, und mit der Einführung des Krankcnver- sicherungs- und Unfallgesetzes die zwei ersten wichtigen Ziele ans dem betretenen Wege erreicht worden sind, hat sich auch in immer weiteren Kreisen das Interesse für diese Fragen gehoben, und die lebhafte Beteiligung, die sich gegenwärtig allerseits in der Frage der Alters¬ und Jnvalidenversvrguug kundgiebt. ist ein neues Zeugnis dafür, wie sehr unsre leitenden Kreise den Nagel auf den Kopf getroffen haben, indem sie diesen weiteren Gesetzgebuugsstoff in Angriff nahmen. Hoffentlich gelingt es recht bald, diese Frage in einer Weise zu lösen, die den berechtigten Wünschen der beteiligten Kreise möglichst gerecht wird. Daß mit der Durchführung dieses dritten Teiles der durch die kaiserliche Votschaft vorgezeichneten Sozialreform die Frage noch lange nicht zum Abschluß gebracht, daß damit vielmehr nur der Boden zu einem planvollen Weiterbau auf dem Gebiete der Arbeitcrfürsorge geebnet worden ist, wird kaum bezweifelt werden können, und so ist es vielleicht nicht ganz verfrüht, jetzt schon an dieser Stelle auf einen weiteren Punkt der Arbeiterfrage hinzuweisen, der der gesetzlichen Ordnung dringend bedarf und wohl als einer der ersten Gegenstände in Betracht gezogen zu werden verdient, sobald die Alters- und Jnvalidcuversorgung vollends ihre gesetzliche Regelung gefunden hat. Die bisher geschaffenen oder in der Schaffung begriffenen Einrichtungen sorgen nur für deu beschäftigten Arbeiter, der unbeschäftigte kommt dabei nicht in Betracht. Mit der Stellung verliert nach der heutigen Sachlage der Arbeiter auch größtenteils das Recht auf die Wohlthaten, die ihm die neuen Gesetze im Fall der Erkrankung u. s. w. gewährleistet haben. Er steht hilflos da, bis es ihm gelingt, eine neue Stellung zu finden. Es wird sich also darum handeln: Wie ist für den unbeschäftigten Arbeiter zu sorgen? Die Antwort fällt verhältnismäßig einfach aus. Man wird sehen müssen, einmal, daß er nicht ganz mittellos dastehe, bis er wieder eine Stellung gefunden hat, sodann, daß er möglichst rasch und leicht wieder eine neue Stellung finde. Man wird sich ferner sagen müssen, daß zunächst der Arbeiter selbst die Aufgabe hat, für sich zu sorgen, indem er sich nach Kräften um eine neue

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/16>, abgerufen am 04.07.2024.