Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.Das Kriegstagebuch Kaiser Friedrichs. jetzt die Kaiserwürde zufalle, erwiderte er: Mein Sohn ist mit ganzer Seele "18. Januar. Meine und meiner Frau Aufgabe ist doppelt schwer "23. Januar. Abends erhalte ich eine Kabinetsordre über meinen Titel. Wir schließen unsre Mitteilungen aus den Auszügen mit einem ganz Wir haben dazu nichts zu bemerken. Nur zwei Fragen drängen sich uns Das Kriegstagebuch Kaiser Friedrichs. jetzt die Kaiserwürde zufalle, erwiderte er: Mein Sohn ist mit ganzer Seele „18. Januar. Meine und meiner Frau Aufgabe ist doppelt schwer „23. Januar. Abends erhalte ich eine Kabinetsordre über meinen Titel. Wir schließen unsre Mitteilungen aus den Auszügen mit einem ganz Wir haben dazu nichts zu bemerken. Nur zwei Fragen drängen sich uns <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203450"/> <fw type="header" place="top"> Das Kriegstagebuch Kaiser Friedrichs.</fw><lb/> <p xml:id="ID_16" prev="#ID_15"> jetzt die Kaiserwürde zufalle, erwiderte er: Mein Sohn ist mit ganzer Seele<lb/> bei dem neuen Stande der Dinge, während ich mir nicht ein Haar breit dar¬<lb/> aus mache und zu Preußen halte.' Ich sage, er wie seine Nachkommen seien<lb/> berufen, das gegenwärtig hergestellte Reich zur Wahrheit zu machen."</p><lb/> <p xml:id="ID_17"> „18. Januar. Meine und meiner Frau Aufgabe ist doppelt schwer<lb/> geworden, aber ich heiße sie darum auch doppelt willkommen, weil ich vor<lb/> keiner Schwierigkeit zurückschrecke, ferner weil ich wohl fühle, daß es mir an<lb/> frischem Mute nicht fehlt, furchtlos und beharrlich einst die Arbeit zu übernehmen,<lb/> und endlich, weil ich der Überzeugung bin, daß es sich nicht umsonst so<lb/> fügte, daß ich zwischen dreißig und vierzig Jahren wiederholt berufen war, die<lb/> allerwichtigsten Entschlüsse zu fassen und, den damit verknüpften Gefahren ins<lb/> Antlitz schauend, dieselben anch durchzuführen."</p><lb/> <p xml:id="ID_18"> „23. Januar. Abends erhalte ich eine Kabinetsordre über meinen Titel.<lb/> Das ist Nebensache neben seiner innern Bedeutung; ich fühle mich nur noch<lb/> als Deutscher, kenne keinen Unterschied mehr zwischen Bayer, Badenser und wie<lb/> sich sonst die Bewohner der dreiunddreißig Vaterländer nennen, will mich aber<lb/> keineswegs in die innern Angelegenheiten derselben mischen oder dieselben ihrer<lb/> Eigentümlichkeiten berauben. Möchten alle Deutschen mich und meine Frau ^<lb/> als die ihrigen und nicht als norddeutsche Aufdringlinge betrachten!"</p><lb/> <p xml:id="ID_19"> Wir schließen unsre Mitteilungen aus den Auszügen mit einem ganz<lb/> besonders charakteristischen Blatte des kronprinzlichen Kriegstagebuchs. Es<lb/> datirt sich „Ferneres, am 7. März" und lautet: „Auch der größte Unverstand<lb/> wird nicht mehr das Erreichte rückgängig machen. Ich zweifle an der Auf¬<lb/> richtigkeit »essen? ergiebt sich aus dem Spätern^ für den freiheitlichen Ausbau<lb/> des Reiches und glaube, daß nur eine neue Zeit, die einst mit mir rechnet,<lb/> solches erleben wird. Solche Erfahrungen, wie ich sie seit zehn Jahren gesammelt,<lb/> können nicht umsonst gewonnen fein. In der nunmehr geeinten Nation werde<lb/> ich einen starken Anhalt für meine Gesinnungen finden, zumal ich der erste<lb/> Fürst sein werde, der, den verfassungsmäßigen Einrichtungen ohne allen Rückhalt<lb/> ehrlich zugethan, vor sein Volk zu treten hat. Mehr als je gedenke ich in<lb/> diesen Tagen des Spruches: ,Wer den Sinn auf das Ganze hält gerichtet, dem<lb/> ist der Streit in der Brust schon längst geschlichtet/ Ich bringe nicht Gesinnungen<lb/> des Hasses gegen die Franzosen mit, vielmehr Streben nach Versöhnlichkeit."</p><lb/> <p xml:id="ID_20"> Wir haben dazu nichts zu bemerken. Nur zwei Fragen drängen sich uns<lb/> noch auf. Wäre der Vorgänger dieses Fürsten der Zukunft den verfassungs¬<lb/> mäßigen Einrichtungen erst Preußens, dann des Norddeutschen Bundes etwa<lb/> nicht ehrlich und rückhaltslos zugethan gewesen? Oder verstand der Verfasser<lb/> des Tagebuches unter „verfassungsmäßigen Einrichtungen" das, was die Demo¬<lb/> kraten der Konfliktszeit, die Fortschrittspartei der Jahre nach 1866 darunter<lb/> verstanden wissen wollten, die Herrschaft des Parlamentes, zuletzt ihrer Partei?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
Das Kriegstagebuch Kaiser Friedrichs.
jetzt die Kaiserwürde zufalle, erwiderte er: Mein Sohn ist mit ganzer Seele
bei dem neuen Stande der Dinge, während ich mir nicht ein Haar breit dar¬
aus mache und zu Preußen halte.' Ich sage, er wie seine Nachkommen seien
berufen, das gegenwärtig hergestellte Reich zur Wahrheit zu machen."
„18. Januar. Meine und meiner Frau Aufgabe ist doppelt schwer
geworden, aber ich heiße sie darum auch doppelt willkommen, weil ich vor
keiner Schwierigkeit zurückschrecke, ferner weil ich wohl fühle, daß es mir an
frischem Mute nicht fehlt, furchtlos und beharrlich einst die Arbeit zu übernehmen,
und endlich, weil ich der Überzeugung bin, daß es sich nicht umsonst so
fügte, daß ich zwischen dreißig und vierzig Jahren wiederholt berufen war, die
allerwichtigsten Entschlüsse zu fassen und, den damit verknüpften Gefahren ins
Antlitz schauend, dieselben anch durchzuführen."
„23. Januar. Abends erhalte ich eine Kabinetsordre über meinen Titel.
Das ist Nebensache neben seiner innern Bedeutung; ich fühle mich nur noch
als Deutscher, kenne keinen Unterschied mehr zwischen Bayer, Badenser und wie
sich sonst die Bewohner der dreiunddreißig Vaterländer nennen, will mich aber
keineswegs in die innern Angelegenheiten derselben mischen oder dieselben ihrer
Eigentümlichkeiten berauben. Möchten alle Deutschen mich und meine Frau ^
als die ihrigen und nicht als norddeutsche Aufdringlinge betrachten!"
Wir schließen unsre Mitteilungen aus den Auszügen mit einem ganz
besonders charakteristischen Blatte des kronprinzlichen Kriegstagebuchs. Es
datirt sich „Ferneres, am 7. März" und lautet: „Auch der größte Unverstand
wird nicht mehr das Erreichte rückgängig machen. Ich zweifle an der Auf¬
richtigkeit »essen? ergiebt sich aus dem Spätern^ für den freiheitlichen Ausbau
des Reiches und glaube, daß nur eine neue Zeit, die einst mit mir rechnet,
solches erleben wird. Solche Erfahrungen, wie ich sie seit zehn Jahren gesammelt,
können nicht umsonst gewonnen fein. In der nunmehr geeinten Nation werde
ich einen starken Anhalt für meine Gesinnungen finden, zumal ich der erste
Fürst sein werde, der, den verfassungsmäßigen Einrichtungen ohne allen Rückhalt
ehrlich zugethan, vor sein Volk zu treten hat. Mehr als je gedenke ich in
diesen Tagen des Spruches: ,Wer den Sinn auf das Ganze hält gerichtet, dem
ist der Streit in der Brust schon längst geschlichtet/ Ich bringe nicht Gesinnungen
des Hasses gegen die Franzosen mit, vielmehr Streben nach Versöhnlichkeit."
Wir haben dazu nichts zu bemerken. Nur zwei Fragen drängen sich uns
noch auf. Wäre der Vorgänger dieses Fürsten der Zukunft den verfassungs¬
mäßigen Einrichtungen erst Preußens, dann des Norddeutschen Bundes etwa
nicht ehrlich und rückhaltslos zugethan gewesen? Oder verstand der Verfasser
des Tagebuches unter „verfassungsmäßigen Einrichtungen" das, was die Demo¬
kraten der Konfliktszeit, die Fortschrittspartei der Jahre nach 1866 darunter
verstanden wissen wollten, die Herrschaft des Parlamentes, zuletzt ihrer Partei?
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |