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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Das Kriegstagebuch Kaiser Friedrichs.

nennen, worin ich eine förmliche Beleidigung der Fürsten wie des Volkes erblicken
würde."

"17. Januar. Nachmittags demi Könige eine Sitzung von Bismarck, Schleinitz
und mir... überTitel, Thronfolge u.s.w. Bei Beratung des Titels bekennt Bismarck,
daß bereits bei Beratung der Verfassung die bayerischen Bevollmächtigten das
.Kaiser von Deutschland' nicht hätten zulassen wollen, und daß er endlich ihnen
zu Liebe, aber allerdings ohne Se. Majestät vorher zu fragen, die Formel
.Deutscher Kaiser' zugestanden habe. Diese Bezeichnung mißfiel dem König
ebenso wie mir, aber vergeblich. Bismarck suchte zu beweisen, daß Kaiser von
Deutschland' eine Territorialmacht bedeute, die wir über das Reich gar nicht
besäßen j^gewiß nicht, abgesehen von der größern preußischen Hälfte), während
.Deutscher Kaiser' die natürliche Konsequenz des Imperator RornanuZ sei Wir
mußten uns fügen, jedoch soll im gewöhnlichen Sprachgebrauch das .von Deutsch¬
land' zur Anwendung kommen, die Anrede sein ,Ew. Kaiserl. und Königl. Majestät,'
niemals das K. K. gebraucht werden. Da wir also bekennen, keine Territorialmacht
über das Reich zu besitzen, so ist der Träger der Krone nebst seinen Erben
gewissermaßen aus der königlichen Familie von Preußen allein herausgenommen,
und dadurch wird meine Ansicht hinfällig, daß unsre ganze Familie den kaiser¬
lichen Titel erhalten solle. Nun lange Debatte über das Verhältnis von Kaiser
zu Kaiser, weil Se. Majestät der alten preußischen Tradition zuwider einen
Kaiser höher stellt. Beide Minister wiedersprechen mit mir unter Berufung auf
die Archive, .. . und endlich hob Bismarck hervor, daß Friedrich Wilhelm IV.
nur aus der bekannten, ihm persönlich eigentümlichen Demut vor Österreich das
Prinzip der Unterordnung unter das erzherzogliche Haus jenes Kaiserstaates ein¬
geführt habe. Der König aber erklärte, daß, da Friedrich Wilhelm III. bei
Begegnung mit Alexander I. bestimmt habe, daß letzterm als Kaiser der Vorrang
gebühre, auch gegenwärtig der Wille des königlichen Vaters für ihn maßgebend
sei. Als indeß im Laufe der Verhandlung bestimmt wurde, daß unsre Familie
ihre gegenwärtige Stellung behalten solle, sprach der König doch wieder das Ver¬
langen aus, die Gleichstellung derselben mit den kaiserlichen Häusern auszu¬
drücken. .. Von Neichsministern war keine Rede ^"wofür ich", sagt ein spätres
Tagebuchsblatt, "Noggenbach empfohlen hätte"), Bismarck wird Reichskanzler...
Die Reichsfarben machten wenig Bedenken, da, wie der König sagte, sie nicht
aus dem Straßenschmutz entstiegen, doch werde er die Kokarde nur neben der
preußischen dulden, er verbat sich die Zumutung, von einem kaiserlichen Heere
zu hören, die Marine aber möge kaiserlich genannt werden. Man sah, wie
schwer es ihm wurde, morgen von dem alten Preußen, an dem er so festhält,
Abschied nehmen zu müssen. Als ich auf die Hausgeschichte hinwies, wie wir
vom Burggrafen zum Kurfürsten und dann zum Könige gestiegen seien, wie
auch Friedrich I. ein Scheinkönigtum joie das nunmehrige Scheinkaisertum ist
wohl hinzuzudenken?) geübt und dasselbe doch so mächtig geworden, daß uns


Das Kriegstagebuch Kaiser Friedrichs.

nennen, worin ich eine förmliche Beleidigung der Fürsten wie des Volkes erblicken
würde."

„17. Januar. Nachmittags demi Könige eine Sitzung von Bismarck, Schleinitz
und mir... überTitel, Thronfolge u.s.w. Bei Beratung des Titels bekennt Bismarck,
daß bereits bei Beratung der Verfassung die bayerischen Bevollmächtigten das
.Kaiser von Deutschland' nicht hätten zulassen wollen, und daß er endlich ihnen
zu Liebe, aber allerdings ohne Se. Majestät vorher zu fragen, die Formel
.Deutscher Kaiser' zugestanden habe. Diese Bezeichnung mißfiel dem König
ebenso wie mir, aber vergeblich. Bismarck suchte zu beweisen, daß Kaiser von
Deutschland' eine Territorialmacht bedeute, die wir über das Reich gar nicht
besäßen j^gewiß nicht, abgesehen von der größern preußischen Hälfte), während
.Deutscher Kaiser' die natürliche Konsequenz des Imperator RornanuZ sei Wir
mußten uns fügen, jedoch soll im gewöhnlichen Sprachgebrauch das .von Deutsch¬
land' zur Anwendung kommen, die Anrede sein ,Ew. Kaiserl. und Königl. Majestät,'
niemals das K. K. gebraucht werden. Da wir also bekennen, keine Territorialmacht
über das Reich zu besitzen, so ist der Träger der Krone nebst seinen Erben
gewissermaßen aus der königlichen Familie von Preußen allein herausgenommen,
und dadurch wird meine Ansicht hinfällig, daß unsre ganze Familie den kaiser¬
lichen Titel erhalten solle. Nun lange Debatte über das Verhältnis von Kaiser
zu Kaiser, weil Se. Majestät der alten preußischen Tradition zuwider einen
Kaiser höher stellt. Beide Minister wiedersprechen mit mir unter Berufung auf
die Archive, .. . und endlich hob Bismarck hervor, daß Friedrich Wilhelm IV.
nur aus der bekannten, ihm persönlich eigentümlichen Demut vor Österreich das
Prinzip der Unterordnung unter das erzherzogliche Haus jenes Kaiserstaates ein¬
geführt habe. Der König aber erklärte, daß, da Friedrich Wilhelm III. bei
Begegnung mit Alexander I. bestimmt habe, daß letzterm als Kaiser der Vorrang
gebühre, auch gegenwärtig der Wille des königlichen Vaters für ihn maßgebend
sei. Als indeß im Laufe der Verhandlung bestimmt wurde, daß unsre Familie
ihre gegenwärtige Stellung behalten solle, sprach der König doch wieder das Ver¬
langen aus, die Gleichstellung derselben mit den kaiserlichen Häusern auszu¬
drücken. .. Von Neichsministern war keine Rede ^„wofür ich", sagt ein spätres
Tagebuchsblatt, „Noggenbach empfohlen hätte"), Bismarck wird Reichskanzler...
Die Reichsfarben machten wenig Bedenken, da, wie der König sagte, sie nicht
aus dem Straßenschmutz entstiegen, doch werde er die Kokarde nur neben der
preußischen dulden, er verbat sich die Zumutung, von einem kaiserlichen Heere
zu hören, die Marine aber möge kaiserlich genannt werden. Man sah, wie
schwer es ihm wurde, morgen von dem alten Preußen, an dem er so festhält,
Abschied nehmen zu müssen. Als ich auf die Hausgeschichte hinwies, wie wir
vom Burggrafen zum Kurfürsten und dann zum Könige gestiegen seien, wie
auch Friedrich I. ein Scheinkönigtum joie das nunmehrige Scheinkaisertum ist
wohl hinzuzudenken?) geübt und dasselbe doch so mächtig geworden, daß uns


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/14>, abgerufen am 25.07.2024.